Aktuell

13 Millionen Schweine landen jährlich im Müll

Aktuell

13 Millionen Schweine landen jährlich im Müll

Millionen Schweine sterben jährlich schon vor der Schlachtung. Die sogenannten Falltiere enden in der Tierkörperbeseitigung – erschreckend oft nach Verstößen gegen das Tierschutzrecht. Verhindern könnten das eine Erfassung von tierschutzrelevanten Verstößen und besser geschulte Landwirte.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Jetzt, in diesem Moment, während der Lektüre dieser Zeilen, transportieren Lastwagen auf deutschen Straßen Tausende Schweinekadaver durchs Land. Nicht, damit sie in Form von Steaks oder Würsten in den Supermärkten landen. Sie sind bereits vor der Schlachtung in landwirtschaftlichen Betrieben gestorben und somit – so unglaublich es auch klingen mag – Abfall. Jährlich 13,6 Millionen Mast- und Zuchtschweine in Deutschland teilen dieses Schicksal. Jedes fünfte Schwein endet als sogenanntes Falltier in einer Tierkörperbeseitigungsanlage. Die Anlagen beseitigen aber nicht nur die Tierkörper, sondern auch die Spuren von Tierschutzverstößen, die ungeahndet bleiben.

Rind

579.111 Rinder sind allein 2016 vor der Schlachtung gestorben und einfach entsorgt worden.

Tierqualen bleiben unentdeckt

Denn jährlich etwa 300.000 der Schweine müssen bereits vor ihrem Tod unglaubliche Qualen aushalten. Das ist die erschreckende Hochrechnung einer Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Dazu untersuchten die Wissenschaftler über vier Monate hinweg 57 Lkw-Ladungen toter Tiere aus sechs Bundesländern in vier Tierbeseitigungsanlagen. Allein durch die äußere Betrachtung der Kadaver erkannten sie, dass viele dieser Tiere vor ihrem Tod sehr lange gelitten haben müssen und erheblichen Schmerzen ausgesetzt waren. Doch obwohl sie abgemagert, mit eitrigen Gelenkentzündungen oder tief gehenden Bissverletzungen in den Tierkörperbeseitigungsanlagen ankommen, haben die Tierhalter, die dieses Leid nicht bemerkt oder es zugelassen haben, nichts zu befürchten. „Solche tierschutzrelevanten Vergehen fallen üblicherweise überhaupt nicht auf“, berichtet Christina Höbel, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. „Anders als am Schlachthof, wo Tierärzte die Schweine untersuchen, gibt es für die Untersuchung von Falltieren keine Pflichtkontrollen.“ Sie werden einfach kommentarlos zu Tiermehl, Tierfett oder Blutmehl verarbeitet.

Selbst wenn Mitarbeitern Verletzungen an den Kadavern auffallen, die sie massenweise aus den Lkw kippen, haben Behörden keine Handhabe. „Die Schweine können nicht zu ihren Haltern zurückverfolgt werden, da sie nicht verpflichtend gekennzeichnet sein müssen, wenn die Fahrer der Tierkörperbeseitigungsanlage sie abholen“, sagt Höbel. Das soll sich ändern, damit die Herkunft jedes Tieres nachvollziehbar wird, fordert der Deutsche Tierschutzbund.

Landwirte mit kranken Tieren überfordert

Es geht nicht nur darum, Strafen durchzusetzen. Wichtig ist es, die Schweinehalter zu schulen, damit sie korrekt und tierschutzkonform mit kranken oder verletzten Tieren umgehen. Sie sind eigentlich verpflichtet, den Zustand ihrer Tiere täglich zu kontrollieren. Doch die Studie offenbart klare Defizite und bringt untragbare Zustände ans Licht. „Viele Schweinehalter erkennen nicht, wann sie Tiere erlösen müssen, und wissen nicht, wie sie dies fachgerecht umsetzen“, erklärt Höbel.

Betäubungen und Tötungen nicht fachmännisch

Huhn

1.665 von 50.000 Masthühnern verenden im Schnitt vorzeitig – und das in nur 40 Masttagen bis zur Schlachtung.

Über 60 Prozent der untersuchten Schweine, die Anzeichen einer Tötung aufwiesen, waren nicht richtig betäubt oder wurden nicht fachmännisch getötet. Die Studie dokumentiert falsch platzierte Bolzenschüsse und Entblutungsschnitte. Viele Tiere waren zwar mittels Bolzenschuss betäubt, aber die Entblutung, die zum Tode der Tiere führt, blieb aus. Schweine können nach einem Bolzenschuss trotz der Verletzungen am Gehirn wieder aufwachen und sind dann erheblichen Schmerzen ausgesetzt. Ein Tier traf – in einem Lkw voll toter Artgenossen – sogar noch lebend in der Tierkörperbeseitigung ein. Wiederum 20 Prozent der untersuchten Schweine wiesen so furcht- und sichtbare Verletzungen oder Krankheitsanzeichen auf, dass frühzeitige Tötungen unumgänglich gewesen wären, um ihnen erhebliches Leid und Schmerzen zu ersparen. Sie erfolgten jedoch offensichtlich nicht.

Fortbildungen und politische Unterstützung gefordert

In verpflichtenden Fortbildungen sollten Halter daher lernen, wie sie erkrankte und verletzte Tiere früh identifizieren, damit sie die Tiere zum richtigen Zeitpunkt und vor allem auch fach- und tierschutzgerecht töten, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Auch Tierärzte sollten die Landwirte diesbezüglich verstärkt sensibilisieren. Er fordert von der Bundesregierung außerdem ein System, das Tierschutzverstöße in den Beseitigungsanlagen erfasst und in dem verendete und notgetötete Tiere gekennzeichnet sind, damit die Vergehen zurückverfolgt werden können. „Nur so können tierschutzrelevante Verstöße auch geahndet und somit zukünftig vermieden werden.“