Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER
Das Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes ist inzwischen beinahe bundesweit vertreten. Insgesamt halten heute über 220 Betriebe ihre Tiere – Mastschweine, Masthühner, Legehennen und Milchkühe – unter den Kriterien des Tierschutzlabels. Entsprechende Produkte sind bei mittlerweile 19 Handelsunternehmen (Stand: Januar 2018) – teils bundesweit und teils in immer größeren Regionen – zu finden. Trotz bestehender Herausforderungen, etwa im Hinblick auf Markt- und Strukturfragen, entwickelt sich das Labelprogramm sehr positiv und wächst stetig. Langfristig soll es auf alle landwirtschaftlich genutzten Tiere ausgeweitet werden.
Das Label umfasst zwei Stufen: eine Einstiegs- und eine Premiumstufe. Beiden liegen jeweils verbindliche Anforderungen an die Tierhaltung, den Tiertransport, die Schlachtung und die Verarbeitung zugrunde. Mit einem größeren Platzangebot, Strukturen und Beschäftigungsmöglichkeiten bietet der Einstiegsstandard einen ersten eindeutigen, messbaren Mehrwert für die Tiere – erkennbar über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Der Premiumstandard entspricht mit einem noch höheren Platzangebot beziehungsweise Außenklimabereichen oder Auslaufmöglichkeiten den Anforderungen an eine tiergerechtere Haltung. Durch das zweistufige System sollen ein möglichst breiter Marktzugang und damit Verbesserungen für eine möglichst große Anzahl an Tieren erreicht werden.
„Der Wunsch, wenn nicht sogar die Forderung der Verbraucher nach mehr Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist stärker denn je“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Die Politik hat es bis heute nicht geschafft, gesetzlich geregelte Verbesserungen für die Tiere zu schaffen, geschweige denn eine solide Tierschutzkennzeichnung zu etablieren. Initiativen der Branche, wie etwa die Initiative Tierwohl, sind aus Tierschutzsicht gescheitert. Deshalb gehen wir unseren Weg mit dem Tierschutzlabel weiter – um jetzt und sofort die Situation der Tiere zu verbessern und ein spürbares Mehr an Tierschutz zu realisieren.“ Zwar hat die Initiative Tierwohl (ITW) auf der diesjährigen Internationalen Grünen Woche ein neues Siegel für Geflügelfleisch vorgestellt, doch führt dies automatisch dazu, dass tatsächlich die Haltung jener Tiere verbessert wird? Thomas Schröder hat hier eine eindeutige Meinung: „Die Initiative Tierwohl taugt nicht aus Tierschutzsicht und nun endgültig auch nicht mehr aus Verbrauchersicht.“
Neben der ITW gibt es auch das Programm „Eine Frage der Haltung“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das Anfang 2015 gestartet ist. Aus diesem soll ein staatliches Tierwohllabel hervorgehen. Nun sind drei Jahre vergangen und ein staatliches Label gibt es immer noch nicht – ein Gesetzesentwurf dazu liegt angeblich in der Schublade. Der Deutsche Tierschutzbund ist dem Staat zuvorgekommen beziehungsweise hat sich eine eigentlich staatliche Aufgabe aufgelastet und bereits 2013 ein eigenes Label für mehr Tierschutz in den Handel gebracht. Das Label steht für Produkte tierischen Ursprungs, denen Standards zugrunde liegen, die für die Tiere einen wirklichen Mehrwert an Tierschutz gewährleisten. Die Einhaltung der Standards wird in vollständig unangekündigten Kontrollen durch unabhängige Zertifizierungsgesellschaften überprüft. Darüber hinaus werden unangekündigte Kontrollen durch Mitarbeiter des Deutschen Tierschutzbundes durchgeführt und bei Bedarf können die Landwirte auf Berater des Deutschen Tierschutzbundes zurückgreifen.
Der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. schildert, was ein staatliches Tierwohllabel aus Sicht von Verbrauchern bieten muss. Lesen
Da Tierschutz eines der großen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit ist, profitieren die Landwirte in vielfältiger Weise von dem Tierschutzlabel – persönlich, sozial und wirtschaftlich. So berichten Landwirte immer wieder, dass sie seit der Umstellung auf eine tiergerechtere Haltung viel mehr Zufriedenheit und Freude an der Arbeit haben. Darüber hinaus gibt der Tierschutz dem Landwirt, seinem Unternehmen und seinem Berufsstand ein höheres Ansehen und ein besseres Image. Aus diesem Ansehen entstehen Einfluss und wirtschaftliche Stärke. Zu guter Letzt ist auch der wirtschaftliche Nutzen nicht von der Hand zu weisen. Schließlich ist es vielen Verbrauchern wichtig, Tierschutz beim Einkauf zu berücksichtigen. Langfristig sind diese dann durchaus bereit, für Fleisch mit höheren Tierschutzstandards mehr zu bezahlen. Diesen Mehrpreis erhält der Landwirt, um die höheren Produktionskosten für beispielsweise mehr Platz für die Tiere, eine langsamere Mast, tiergerecht ausgestattete Ställe oder Beschäftigungs- und Auslaufmöglichkeiten auszugleichen.
Besonderes zufrieden ist der Verband mit dem Tierschutzlabel in der Premiumstufe für Mastschweine, der Entwicklung im Bereich der Legehennen und dem soliden Angebot im Bereich der Masthühner. Das Label für Milchkühe ist vor einem Jahr erfolgreich angelaufen und entwickelt sich ebenfalls vielversprechend. Im kommenden Jahr rechnet der Deutsche Tierschutzbund mit einer erheblichen Steigerung bei der Anzahl der teilnehmenden Betriebe. Der Ausbau der Einstiegsstufe Schwein stagniert weiterhin, auch wenn die Labelkriterien messbar bessere Bedingungen für die Tiere schaffen. Aber die Umstellung von konventionellen Warmställen mit Vollspaltenböden auf eine tiergerechtere Haltung sowie auch die Problematik des Schwanzbeißens bleiben nach wie vor herausfordernd. Eine weitere Herausforderung birgt die Realisierung kurzer Transportwege aufgrund zunehmend dezentralerer Strukturen.
Mit dem Tierschutzlabel geht der Verband neue Wege. In den letzten Jahrzehnten hat der Deutsche Tierschutzbund intensiv dafür gekämpft, dass sich die Rahmenbedingungen für alle Tiere in der deutschen Landwirtschaft spürbar verbessern. Doch bis sich höhere Tierschutzstandards durchsetzen, ist es ein langer und steiniger Weg. Mit der Einführung des Tierschutzlabels möchte der Deutsche Tierschutzbund eine Entwicklung hin zu mehr Tierschutz insbesondere auch in der konventionellen Landwirtschaft konkret, direkt und unmittelbar vorantreiben. Nach wie vor steht der Verband jedoch dafür, jedes einzelne Tier um seiner selbst willen zu schützen. Solange aber die Gesellschaft die Zucht, die Haltung und den Tod von Tieren zu Ernährungszwecken als vernünftigen Grund akzeptiert und die Menschen Fleisch und Eier in rauen Mengen essen, gilt es alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Situation der davon betroffenen Tiere zu verbessern.
Der Deutsche Tierschutzbund möchte mit seinem Label nicht für den Konsum tierischer Produ kte werben. Vielmehr soll es dem Käufer, der noch nicht komplett auf pflanzliche Alternativen zurückgreift, eine Orientierungshilfe bieten und ihn animieren, den Tierschutz beim Einkauf miteinzubeziehen. „Wir gehen davon aus, dass mit wachsendem Bewusstsein für Tierschutz immer mehr Käufer ihren Konsum reduzieren oder sich für Produkte aus der Premiumstufe des Tierschutzlabels entscheiden“, so Dr. Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes. Wir sind überzeugt, dass es in Partnerschaft mit Landwirten und der Branche gelingen kann, jetzt und sofort erste Verbesserungen für die Tiere umzusetzen. Fleischverzicht sowie Alternativen zu tierischen Produkten wie Eier und Milch bleiben jedoch der direkteste Weg zu mehr Tierschutz.
Start des Tierschutzlabels für Mastschweine in der Einstiegs- und Premiumstufe.
Start des Tierschutzlabels für Masthühner in der Einstiegsstufe.
Die Tiere haben mehr Platz, mehr Licht und Beschäftigungsmöglichkeiten. Welche weiteren Vorteile es für die Tiere gibt, lesen Sie unter www.tierschutzlabel.info
Start des Tierschutzlabels für Legehennen.
Die Schnäbel der Legehennen bleiben unter den Kriterien des Tierschutzlabels ungekürzt. Weitere Vorteile lesen Sie unter www.tierschutzlabel.info
Start des Tierschutzlabels für Milchkühe.
Mehr Platz, weniger Stress, Enthornung nur unter Sedation, lokaler Betäubung und Schmerzmittelgabe – das und viel mehr bietet das Label für mehr Tierschutz. Mehr lesen Sie unter www.tierschutzlabel.info
Ausweitung des Tierschutzlabels auf alle landwirtschaftlich genutzten Tiere.