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Zukunft gestalten

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Dass der Deutsche Tierschutzbund mitten drin ist statt nur dabei, die politische Landschaft in Atem hält und bewegt, zeigte der Parlamentarische Abend des Verbandes in Berlin.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Thomas Schröder bei der Eröffnungsrede des Parlamentarischen Abends

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, lud die Teilnehmer zum Dialog ein.

Um den Tierschutz in Deutschland muss es in vier Jahren besser bestellt sein als heute – darin sind sich alle Tierschützer einig. Eine neu konstituierte Bundesregierung, neue Minister und eine Legislaturperiode Zeit bieten die besten Bedingungen: Missstände müssen angegangen werden. Weil das Tierschutzgesetz nicht ausreicht und keine Zeit zu verlieren ist, weil hier und jetzt Millionen Tiere leiden und der praktische Tierschutz vor Ort Unterstützung benötigt, hat der Deutsche Tierschutzbund zum Parlamentarischen Abend in Berlin eingeladen. „Wir stehen für Dialog, wir bauen Brücken und wir bringen zusammen, was sonst nicht unbedingt zusammenfindet. Wir werden als Verband alle Chancen nutzen“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, in seiner Eröffnungsrede.

Gemeinsam versammelt für den Tierschutz

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, zahlreiche Vertreter und tierschutzpolitische Sprecher aus Bund und Ländern, Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen sowie Partner und Freunde des Verbandes waren der Einladung in die St. Elisabeth Kirche gefolgt. Der Deutsche Tierschutzbund selbst war neben Verbandspräsident Schröder durch die Vizepräsidentinnen Dr. Brigitte Rusche und Renate Seidel, Geschäftsführer und Mitarbeiter vertreten. Auch Vertreter der Landesverbände und angeschlossenen Tierschutzvereine waren vor Ort. Mit der Verleihung des Wertewandel-Preises TiBu hat der Verband an diesem Abend zudem drei weitere starke Unterstützerinnen des Tierschutzes auf die Bühne geholt. Darüber hinaus zeigte Björn Moschinski, einer der bekanntesten veganen Köche in Deutschland, der auch das Kochbuch „Tierschutz genießen“ des Deutschen Tierschutzbundes mit Rezepten unterstützt hat, gemeinsam mit dem Verband, dass die vegane Ernährung von großer Bedeutung ist, um den Tierschutz in Deutschland voranzubringen. „Die Ernährung ist ein elementarer Teil, um die in der Gesellschaft bereits bestehende Bewusstseinsveränderung zu stärken. Wir müssen nicht auf Kosten der Tiere, der Natur und der Zukunft unserer Kinder essen“, so Moschinski. Auch Schröder betonte, dass die vegane und vegetarische Ernährung ein Weg sei, den Tierschutz zu stärken. Das reichhaltige Buffet bot den Gästen eine dazu passende vegane Geschmacksreise an.

Unterstützer des gesellschaftlichen Wertewandels

In der imposanten Kulisse aus Backsteinmauern, kombiniert mit Glas und moderner Einrichtung, stellte Schröder den Abend unter eine ethische Kernfrage, die nicht nur Tierschützer und die Gesellschaft, sondern auch die Politiker in ihrer täglichen Arbeit begleiten sollte: „Ist erlaubt, was nicht verboten ist? Wo ist die ethische Grenze des eigenen Handelns?“

Verleihung des TiBu 2018

Der Wertewandel-Preis TiBu ging an Journalistin Dr. Tanja Busse, Rechtsdirektorin Nadine Briechle und Amtstierärztin Dr. Gabriele Fuchs (v. l.).

Mit den Preisträgerinnen des TiBu 2018 zeigt der Verband ganz klar, wo einige wichtige Grenzen verlaufen sollten. „Wir möchten heute Menschen ehren, die mit dem Finger darauf zeigen, wie es nicht sein soll“, sagte Moderator Attila Weidemann, der nicht nur die Preisverleihung, sondern auch den weiteren Abend moderierte. „Die diesjährigen Preisträgerinnen haben wichtige Beiträge zum Wertewandel in der Gesellschaft geliefert“, ergänzte Schröder. Dr. Tanja Busse, die den Preis in der Kategorie „Medien“ erhielt, hat als Journalistin, Autorin und Moderatorin die Debatte um die Auswüchse einer auf Leistung ausgerichteten Agrarpolitik geprägt. Mit Zeitungs- und Magazinbeiträgen mischt sie sich ein, thematisiert Probleme und zeigt Lösungswege auf. „Wir sollten unser Verhältnis zu Tieren immer wieder neu reflektieren, und die Grundlage dafür muss die Empathie sein, nicht die Tradition“, sagte Busse. Dr. Gabriele Fuchs, Amtstierärztin im Landkreis Oberallgäu, und Nadine Briechle, Leiterin des Rechtsamtes Kempten, die den Preis in der Kategorie „Recht“ erhielten, haben es mit ihrem Engagement bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geschafft. Als zuständige Amtstierärztin entschied sich Dr. Gabriele Fuchs – nach Beratung mit Nadine Briechle – gegen die Freigabe eines Transports von Zuchtrindern, die über etwa 7.000 Kilometer von Kempten bis nach Usbekistan transportiert werden sollten, wobei sie sechs Tage lang nicht vom Lkw abgeladen worden wären. „Dass man die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation daran messen kann, wie sie ihre Tiere behandelt, sagte bereits Gandhi – und so sehe auch ich die Umsetzung des Tierschutzes und meinen Beitrag als Amtstierärztin in unserer Gesellschaft“, kommentierte Dr. Fuchs. Da der Exporteur klagte, ging der Fall vor Gericht. Der EuGH entschied, dass die Vorgaben der EU-Gesetzgebung bis zur Ankunft im Zielland einzuhalten sind, auch wenn das Ziel außerhalb der EU liegt. Ein wegweisendes Urteil angesichts der grausamen Zustände bei den Transporten, die Deutschland täglich gen Drittstaaten verlassen.

„Der EuGH hat den Schutz der Tiere auf Langzeittransporten in der Theorie nochmals gestärkt“, sagte Briechle. Es sei nun zu hoffen, dass das klare Werteverständnis auch in der Praxis umgesetzt wird. Tiere dürfen nicht nur auf dem Papier geschützt werden.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (r.), überreichte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Kochbuch "Tierschutz genießen", das auch Rezepte von Björn Moschinski (l.) enthält.

Mehr Tierschutz in der Landwirtschaft

„Noch nicht einmal im letzten Augenblick ihres Lebens werden die Tiere mit Würde behandelt. Bis zum letzten Atemzug müssen sie Dinge erleben, die sich unserer Vorstellung entziehen“, sagte Schröder in seiner Rede. In der Verantwortung dafür ständen die EU-Kommission und die Bundesregierung. Dass Julia Klöckner ihre Verantwortung ernst nehme, bekräftigte sie in ihrer Rede: „Ich bin heute bewusst hierhergekommen.“ Klöckner lobte die Arbeit der Tierschützer – der rasante Wandel in der Gesellschaft sei auch ein Verdienst des Deutschen Tierschutzbundes. Mit ihren Worten „Tiere sind Mitgeschöpfe, keine Wegwerfware“ ergriff Klöckner klar Partei für die Tiere, bat aber auch um Zeit, weil eine einhundertprozentige Umsetzung nicht von heute auf morgen möglich sei. Zum Thema Tiertransporte fand sie jedoch klare Worte: „Tiere sollen und dürfen nicht zu Schlachtungszwecken ins Ausland transportiert werden.“ Die Zukunft wird zeigen, ob dieser Aussage Taten folgen.

Ein Blick in die Zukunft

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner lobte die Arbeit der Tierschützer und gab einen Überblick über ihre Plane zu einem staatlichen Label.

Ein weiteres Thema war das geplante staatliche Label der Bundesregierung zur Kennzeichnung von tierischen Produkten. Klöckner betonte, dass sie mit Hochdruck daran arbeite und der Gesetzentwurf in Kürze ins parlamentarische Verfahren gehen werde. Das Label solle aus drei Stufen bestehen und die komplette Produktionskette abdecken. Klöckner stellte dabei grundsätzlich die Frage, was Tiere und Lebensmittel wert seien und kritisierte unter anderem den Handel. Dieser locke einerseits mit mehr Tierwohl, überschlage sich aber andererseits mit Billigangeboten. Sie betonte jedoch, dass ein Fortschritt in einem lernenden System und schrittweise erfolgen müsse, um alle Menschen mitzunehmen. Aus Tierschutzsicht dürfen manche Dinge aber nicht auf die lange Bank geschoben werden. So zum Beispiel der für 2019 geplante, aber derzeit auf der Kippe stehende Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration. Schröder mahnte, dass bestehende Fristen eingehalten werden müssen, damit es neben dem Tierschutz auch Planungssicherheit für alle gebe. Zudem sei neben den einzelnen Missständen das System zu hinterfragen. „Ein Stall der Zukunft kann nur in einer Struktur und einem System der Zukunft bestehen. Und dabei muss jeder Einzelne in der Kette seinen Beitrag leisten.“

Die Reden zeigten, dass es mehr als genug zu tun gibt. Das Leiden der Tiere in der Landwirtschaft ist nur eines von vielen Beispielen, die nicht länger akzeptabel sind. Mit gleichem Engagement geht der Deutsche Tierschutzbund auch die Herausforderungen beim Thema Tierversuche an. Das Credo, mit dem auch da ein gesellschaftlicher Wertewandel angetrieben werden soll: Forschung ja, Tierversuche nein. Zudem appellierte Schröder an die neue Bundesregierung, auch die Fragen des Artenschutzes und die Lage der Tierheime anzugehen. Für die Gäste des Abends gab es also mehr als genug Gesprächsstoff. Sie nutzten die Veranstaltung, um sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann sich etwas ändern. Die Politik kann sich auf jeden Fall sicher sein: Der Deutsche Tierschutzbund wird sie tagtäglich an ihre Verantwortung erinnern. Und das nicht nur in den nächsten vier Jahren.