Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Betreiber der Smeura ist der Verein „Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not“, ein Projektpartner des Deutschen Tierschutzbundes. Die Tierschützer haben bereits viele Tausende Straßenhunde vor dem Tod gerettet. Im Tierheim werden die Vierbeiner gefüttert, medizinisch versorgt und kastriert. Denn nicht die von der Regierung angeordneten Tötungsaktionen dämmen die hohe Zahl an Straßenhunden ein, sondern flächendeckende Kastrationen. Der Verein leistet zudem Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und besucht hierfür auch Schulen. Um über das Thema zu berichten, reisten Simone Sombecki und Andreas Ohligschläger zur Smeura nahe der Stadt Pitești und begleiteten den Verein bei seiner Arbeit.
DU UND DAS TIER: Frau Sombecki, Herr Ohligschläger, in der Smeura leben zurzeit sage und schreibe fast 6.000 Hunde, die die Tierhilfe Hoffnung vor der Tötungsstation gerettet hat. Wie war Ihr erster Eindruck als Sie jetzt zum ersten Mal dort waren? Was war es für ein Gefühl, mit Tausenden Hundeschicksalen auf einmal konfrontiert zu werden?
Simone Sombecki: Es war wie eine emotionale Achterbahnfahrt. Während wir durch die Reihen des Tierheims gingen, waren wir einfach fassungslos. Allein die Geräuschkulisse war erdrückend. Schnell bekamen wir auch einen Tunnelblick – bei mir ging eine Art innere Schranke herunter, die mich schützte. Trotzdem sind wir ein paar Mal zusammengebrochen. Danach folgte die Wut: Wieso so viele Hunde? Was kann man dagegen tun? Du denkst, du hast einen Hund gerettet, kurz darauf bringt ein Mitarbeiter schon wieder eine weitere Hündin mit acht Welpen. Das war heftig. Besonders schlimm war es dann auch nochmal, als wir den Hunden auf der Krankenstation und im Seniorentrakt begegnet sind.
Andreas Ohligschläger: Ich bin auf jeden Fall verändert aus Rumänien zurückgekommen. Schon von draußen hörten wir die Hunderufe „Hol mich hier raus!“, die drinnen nochmal massiver wurden. Die Hunde zeigten dann auch Körpereinsatz, sprangen an die Gitterwände, Kot und Urin spritzten hoch – du wirst voll, die Geräusche, der Geruch, die Emotionen. Irgendwann hörten wir kein Bellen mehr, sondern nur noch ein Rauschen. Die Leute, die dort arbeiten, bewundere ich. Interessant finde ich auch, dass ich zum Schluss fast nur noch weiße Hunde gesehen habe.
Sombecki: Das stimmt, so ging es mir auch.
Ohligschläger: Als mir das auffiel, habe ich für mich erkannt: Das Unterbewusstsein sucht etwas Reines, etwas Gutes. Vielleicht, um zu sagen „Da ist auch ein Licht am Ende des Tunnels“ und so sucht das Unterbewusstsein helle Hunde aus. Der Geist schützte sich irgendwann, weil wir uns in einer absoluten Ausnahmesituation befanden.
DU UND DAS TIER: Gibt es bestimmte Hundeschicksale, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind? Welche Erlebnisse haben Sie am meisten bewegt?
Ohligschläger: Verfilzte und kranke Hunde, Hunde, die von Parasiten befallen waren, schwache und vor allem alte Hunde, die ausrangiert oder ausgesetzt wurden und dann mit 14 Jahren in der Smeura gelandet sind. Diese Senioren fragen sich natürlich „Warum sitzen wir jetzt hier?“
Sombecki: Ja, der Seniorentrakt wird mir auch besonders im Gedächtnis bleiben. Als wir den betraten, war er noch ziemlich leer, aber das lag daran, dass er gerade erst fertig gestellt worden war. Matthias Schmidt, der Vorsitzende der Tierhilfe Hoffnung, meinte, wenn wir in zwei Wochen wiederkommen, sieht das da ganz anders aus, dann ist der Trakt voll. Die Mitarbeiter fingen zu der Zeit gerade an, alte Hunde, die zusammenpassen, zusammenzusetzen. Auch in der Krankenstation haben wir unwahrscheinlich viele Einzelschicksale gesehen, die wir nicht vergessen werden.
Ohligschläger: Es war einfach schockierend, all die Hunde zu sehen, die auch sehr präsent waren. Auf mich wirkte es so, als hätten sie gerufen „Bitte hol mich hier raus“ oder „Du bist dafür mitverantwortlich, dass ich hier sitze. Ich habe nichts getan, warum tut man uns das an?“ Andere saßen da, die ganz still und leise gesagt haben „Tust du mir einen Gefallen? Hol mich mal für fünf Minuten hier raus. Ich kann nicht mehr.“ Das war absolut schockierend. Wir haben in so viele Hundeseelen geblickt. Besonders positive Momente haben wir dafür erlebt, als wir mit dem Kastrationsmobil der Tierhilfe Hoffnung unterwegs waren. Da trafen wir auch Leute, die es gut fanden, dass der Verein die Tiere kostenlos kastriert. Den Menschen war sofort anzusehen, dass sie schlichtweg keine finanziellen Mittel haben, um ihren Hund kastrieren zu lassen. Sie waren also sehr dankbar für dieses Angebot.
DU UND DAS TIER: Wie sind Sie mit all diesen Eindrücken zurechtgekommen?
Sombecki: Immer wenn wir in die Smeura kamen, haben die Mitarbeiter alle gelächelt. Das ist uns aufgefallen. Und das ist etwas, das holt dich ab. Das war wirklich schön und angenehm. Wir selber waren irgendwann angesichts dieser Menge an Hunden niedergeschlagen, aber das haben wir bei den Mitarbeitern gar nicht gesehen. Das war durchaus positiv. Aber natürlich gingen uns die Bilder nicht aus dem Gedächtnis – das hörte nach Drehschluss nicht auf. Also ich kann den Kopf dann nicht abschalten.
Ohligschläger: Zwischendurch gab es auch Momente, in denen wir völlig fertig waren und eine Pause einlegen mussten – da war die Kamera aus. In diesen Momenten waren wir für uns. Und wenn Simone eingeknickt ist, war ich für sie da, und umgekehrt auch. Das brauchst du dann in solchen Situationen und ich war froh, dass Simone an meiner Seite war.
Sombecki: Ja, und es war auch wichtig, sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Dafür muss man sich im Tierschutz schon auskennen und wissen, was möglich ist, was wichtig ist und worauf der Fokus jetzt liegen muss.
Ohligschläger: Man darf auch nicht in diesen Wahn des Rettens verfallen, in dieses unsägliche Mitleid. Wir haben zwischendurch in der Smeura tatsächlich auch mal gelacht oder versucht, Witzchen zu reißen oder herumgealbert. Ich fand mich teilweise schon beinahe kindisch, aber ich glaube, so haben wir uns auch wieder aufgebaut.
DU UND DAS TIER: Was hat Sie besonders positiv überrascht?
Sombecki: Wir waren beeindruckt von der Logistik vor Ort. Immer wieder fragten wir uns „Mensch, 6.000 Hunde, 6000 Lebewesen! Die zu versorgen: Wie geht das logistisch?“, nachher haben wir uns das so erklärt: Eigentlich sind es ganz viele kleinere Tierheime nebeneinander auf einem Grundstück. Meistens arbeiten da immer die gleichen Tierpfleger, ab und an wird natürlich gewechselt, damit die Hunde auch den Kontakt zu anderen Mitarbeitern bekommen. Dadurch haben sie schon einige Tiere im Blick, aber noch lange nicht alle. Bei 6.000 Hunden ist das einfach nicht möglich. Eine Herausforderung ist ja auch die Fütterung: Die Pfleger gehen mit Schubkarren im Gleichschritt los, dabei müssen sie genau darauf achten, dass sie in jeder Reihe auf der gleichen Höhe bleiben, sonst entsteht ein großer Tumult, bei dem es auch zu Beißereien und zu Futterneid kommt. Wahnsinn, wie dieses gemeinsame Vorangehen logistisch justiert ist. Als wir gedreht haben, haben wir auch gemerkt, dass wir die Pfleger zwischendurch bremsten. Wir standen bei den Hunden und die Mitarbeiter mussten auf uns warten, weil wir natürlich länger brauchten.
Ohligschläger: Dann wurde ich auch sauer, weil ich merkte: Wir stören die Leute bei ihrer Arbeit. Ich selber habe auch sieben Jahre lang in einem Tierheim gearbeitet und weiß, was das für eine Aufgabe allein schon bei 120 Hunden ist und welchen Stress die Tiere haben. Teilweise mobben sie sich ja auch untereinander. Und bei 6.000 Hunden ist das schon sehr beeindruckend.
DU UND DAS TIER: Sie haben in Rumänien auch ein paar Hunde ausgesucht, die später das Tierheim Bonn übernommen hat. Wie war es möglich, unter Tausenden von Vierbeinern eine Auswahl zu treffen?
Sombecki: Angesichts dieser Riesenanzahl haben wir ganz viele Notizzettel gesammelt. Wir gingen durch die einzelnen Reihen und konnten nur die Nummern der Zwinger und bestimmte Merkmale notieren, da die Hunde keine Namen haben. Auf den Zetteln stand dann zum Beispiel nur „32 schwarz“.
Ohligschläger: Ausgewählt haben wir vier Hunde. Als wir aber versuchten, uns zu entscheiden, bekamen wir plötzlich ein ganz, ganz mieses Gefühl. Denn eigentlich hat jeder Hund, der da sitzt, eine zweite Chance verdient. Also ich war dann überfordert.
Sombecki: Wir haben aber auch Hunde gesehen, denen wir keinen Gefallen getan hätten, wenn wir sie nach Deutschland geholt hätten. Ich glaube, dass diese Hunde die Ansprüche, die viele Halter in Deutschland an die Tiere stellen, nicht leisten könnten. Heutzutage suchen die Menschen hierzulande immer noch viel zu sehr nach Optik aus. Leider.
DU UND DAS TIER: Ist denn im Umkreis der Smeura ein Umdenken zu beobachten? Sehen die Einheimischen, dass die Arbeit der Tierhilfe Hoffnung Früchte trägt und dass Kastrationen sinnvoll sind?
Sombecki: So und so. Wenn man zur Smeura fährt, hängen auf dem Weg Plakate, das Tierheim ist also ausgeschildert. Wir haben auch ein großes Banner mit dem Kastrationsmobil der Tierhilfe Hoffnung gesehen, das auf die kostenlosen Kastrationen verweist. Regelmäßig können auch Bewohner aus anderen Städten kommen und ihre Tiere kostenlos kastrieren lassen. Als wir da waren, sind wirklich viele Menschen gekommen – sie hatten eben den Luxus, ein Auto zu haben oder einen Nachbarn, der sie hinfuhr. Im Umkreis wird dieses Angebot also durchaus genutzt. Allerdings dürfen wir auch nicht mit unseren Vorstellungen hingehen, wie Tierschutz zu funktionieren hat – mit den deutschen Standards ist das nicht zu vergleichen. Das ist völlig fehl am Platz und damit erreichen wir die Menschen überhaupt nicht. Sie haben schließlich noch ganz andere Probleme und versuchen, teilweise einfach zu überleben.
Aber was natürlich schlimm ist: Die Tötungsstation befindet sich direkt vor dem Tierheim. Jeden Tag, als wir dorthin fuhren, haben wir in den Außenzwingern Hunde gesehen. Am ersten Tag lagen dort drei, dann wurden es mehr und mehr. Was mich außerdem sehr erschreckt hat, waren die Geschichten, die wir über Sadismus mit den Tieren in den Tötungsstationen gehört haben.
DU UND DAS TIER: Inwiefern?
Ohligschläger: Die Tiere werden nicht einfach getötet, sie werden bewusst gequält. Normalerweise werden Hunde, die nach 14 Tagen nicht abgeholt werden, eingeschläfert. Was aber in Wirklichkeit oft passiert: Sie fangen die Hunde ratzfatz ein, indem sie die Tiere zum Beispiel anfahren oder ihnen Frostschutzmittel ins Wasser geben. Die Hunde werden dann schwer verletzt zur Tötungsstation gebracht, meistens sich selbst überlassen und bekommen noch nicht einmal Wasser. Dann werden sie nach 14 Tagen umgebracht. Von Einschläfern ist keine Rede, denn das kostet ja Geld, das die Betreiber der Tötungsstation sich lieber in die eigene Tasche stecken. Das fanden wir absolut entsetzlich.
Sombecki: Wir beiden beschäftigen uns seit mehr als 20 Jahren mit Auslandstierschutz, auch in den südlichen Ländern. Aber das war eine ganz andere Härte im Umgang mit den Tieren – das hat mich erschüttert. Es ist wichtig, dass Rumänien endlich anfängt Tierschutz auf politischer Ebene ernsthaft zu diskutieren!
DU UND DAS TIER: Was spornt Sie trotz all dieser schockierenden Erlebnisse an?
Sombecki: Motivierend sind vor allem die kleinen Erfolge – die darf man nie aus den Augen verlieren, egal wo auf dieser Welt. Ich erfreue mich wirklich an jedem einzelnen Tier, das gut vermittelt ist und aus dem Tierschutz kommt. Diese Erfolge sehe ich. Natürlich sehe ich auch die 5.996 Hunde, die noch da sind, denen wir nicht helfen konnten. Aber ich sehe auch noch die Vier, die wir nach Deutschland gebracht haben.
Ohligschläger: Ich finde es gut, dass solche Aktionen dann auch wieder andere Menschen auf den Plan rufen, die sich ebenfalls für mehr Tierschutz einsetzen. Zum Beispiel haben uns viele Zuschauer geschrieben, dass sie zukünftig nicht mehr zum Züchter gehen, sondern nur noch zu Tierheimen. Wenn man kleine Lichter anzündet, wird es irgendwann auch hell. Ich glaube einfach daran, auch wenn es sehr kitschig klingt, aber daran halte ich fest. Gestern habe ich noch mit Matthias Schmidt telefoniert, einfach auch, um „Danke“ zu sagen – Menschen wie er leisten vor Ort so tolle Arbeit, deshalb finde ich, ist es auch ganz wichtig, sie weiter zu motivieren.
Sombecki: Stimmt, Wertschätzung spielt eine ganz wichtige Rolle.
DU UND DAS TIER: Mit Ihrem bereits ausgestrahlten Beitrag für „Tiere suchen ein Zuhause“ haben Sie viel Aufmerksamkeit für die Tiere in Rumänien geschaffen. Möchten Sie die „Tierhilfe Hoffnung“ und die Tiere vor Ort auch auf anderem Weg weiter unterstützen?
Sombecki: Andreas und ich haben uns ganz oft gesagt: „Wir sind hier, damit wir darüber berichten können.“ Denn ich bin grundsätzlich der Meinung, egal wo im Tierschutz auch immer Missstände sind – du musst sie benennen. Du musst darauf zeigen, du musst sie offen legen, damit die Welt das sieht. Und damit es immer mehr wissen und danach handeln können. Ich denke, es ist daher wichtig, dass wir weiter für das Thema sensibilisieren. Das Gleiche gilt für den langen Atem, der nötig ist. Denn die Situation in Rumänien wird sich nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre ändern. Da müssen wir alle dran bleiben und das darf auch nicht in Vergessenheit geraten. Ich finde es aber auch gut, dass sich viele Vereine auf bestimmte Projekte spezialisieren. Es gibt ja unwahrscheinlich viele, die einzelne Projekte betreuen. Sie setzen sich jahrelang ein, helfen im Aufbau, folgen dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Generell ist beim Thema Tierschutz wichtig, mit ganz viel Herz zu arbeiten, aber vor allem auch mit Verstand.
Aber ich glaube, dass Rumänien noch einen weiten Weg vor sich hat – das Land steckt, was den Tierschutz anbelangt, noch in den Kinderschuhen. Daher ist es wichtig, die Menschen zu sensibilisieren, auch wenn manchmal diese Frustration kommt „Mensch, da ändert sich nichts“. Doch, es wird sich etwas ändern. Aber das dauert.
DU UND DAS TIER: Auch in Ihrer Freizeit setzen Sie sich für Heimtiere ein und unterstützen den Deutschen Tierschutzbund und viele Tierheime und Tierschutzvereine. Warum ist Ihnen dieses Engagement wichtig und warum liegt Ihnen das Thema sowohl beruflich als auch privat am Herzen?
Sombecki: Für den Tierschutz habe ich mich schon immer eingesetzt, schon lange bevor ich die Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ übernommen habe. Das wusste mein Mann zum Glück, als er mich geheiratet hat. Meine Güte, wie viele Geburtstage wir schon auf Tierheimfesten verbracht haben … Ich fliege jetzt auch wieder privat nach Spanien, weil ich es wichtig finde, auch ohne Kamera einen Blick auf die Situation der Tiere zu werfen, um zu sehen: Was läuft gut, was läuft schlecht, was tut sich, wo stockt es?
Ohligschläger: Meine Karriere hat auch im Tierheim Aachen angefangen. Da war ich 16, ich bin jetzt 51. Damals habe ich noch Tierschutzanzeigen erstellt und war als Gassigänger tätig. Tierschutz ist für mich einfach eine Lebensaufgabe.
Den TV-Beitrag „Glücksfelle – Tiere finden ein Zuhause“ zeigt der WDR am Sonntag, 18. November, um 18.15 Uhr. In der Sendung werden auch der Tierschutz in Rumänien und das Tierheim Smeura thematisiert.