Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
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Beim Anblick von Schmetterlingen sind wir alle entzückt. Diese eleganten bunten Gestalten begeistern mit ihrer Schönheit und der Leichtigkeit, mit der sie von Blume zu Blume fliegen. Ihre Verwandten, die Nachtfalter, führen hingegen eher ein Schattendasein. Dabei sind die Tiere von großer Bedeutung, wenn es um die Bestäubung von Pflanzen geht, wie eine aktuelle britische Studie des Teams um Richard E. Walton noch einmal besonders herausstellt. „Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Pflanzennetzwerk der Nachtfalter sogar vielseitiger und komplexer als das von Bienen oder Tagfaltern ist“, erklärt Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. So fanden die Forscher an den Tieren Pollen von 47 verschiedenen Pflanzenarten, darunter mindestens sieben von solchen, die Bienen, Schwebfliegen und Tagfalter kaum besuchen. „Die Aufgabe der Nachtfalter bei der Bewirtschaftung und beim Erhalt von Naturlandschaften ist so bedeutend, dass sie bei den Strategien zum Erhalt der Insekten und Schutz der Arten viel mehr Berücksichtigung finden müssen“, fordert Pichl.
Mit über 3.300 Arten stellen die Nachtfalter in Deutschland mehr als 95 Prozent der heimischen Schmetterlingsarten und sind damit wesentlich artenreicher als ihre tagaktiven Verwandten. Doch leider gilt die Hälfte aller Nachtfalterarten als gefährdet. „Neben dem Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, dem Klimawandel und schrumpfenden Lebensräumen bedrohen künstliche Lichtquellen die Insekten“, so Pichl. In der Nacht orientieren sich die Falter am Mondlicht. „Über einen bestimmten Winkel zwischen ihren Flügeln und dem Mond können sie das Geradeausfliegen navigieren.“ Treffen sie in der Nacht auf eine Laterne oder andere künstliche Lichtquellen, verwechseln sie diese mit dem Mondlicht. „Die Tiere versuchen, den Winkel zum Geradeausfliegen einzustellen, was ihnen wegen der Nähe der künstlichen Lichtquelle aber nicht gelingt und fliegen dann konstant im Kreis um die Lichtquelle herum. Das kostet sie so viel Energie, dass sie an Erschöpfung sterben können.“ Andere von ihnen verbrennen durch die Hitze der Lampen. Schätzungen zufolge verenden im Sommer etwa 100 Billionen Insekten durch künstliches Licht. „Das Abschalten von nicht absolut notwendigen Lichtquellen in der Nacht ist daher eine der einfachsten Maßnahmen zum Insektenschutz.“ Auch auf die so wichtige Bestäubung wirkt sich künstliches Licht negativ aus. So konnten Wissenschaftler in Bern auf beleuchteten Flächen 62 Prozent weniger Besuche von Insekten verzeichnen als auf dunklen.
Neben ihrer so wichtigen Rolle im Ökosystem sind Nachtfalter auch in vielerlei anderer Hinsicht beeindruckend. Bis auf Ausnahmen tragen sie Tarnfarben und haben wie alle Insekten Facettenaugen, die aus Hunderten bis Tausenden Einzelaugen, sogenannten Ommatidien, bestehen. „Durch die verschiedenen Fotorezeptoren in den Sinneszellen erkennen Falter mehr Farben als Menschen und können auch nachts Farben unterscheiden“, so Pichl. Darüber hinaus besitzen sie zwischen dem Brustbereich und dem Hinterleib sogenannte Tympanalorgane, mit denen sie Töne in sehr hohen Frequenzen wahrnehmen können. Mit ihren Fühlern, die sich in vielen verschiedenen Formen ausgeprägt haben und mit denen sich bestimmte Nachtfalterarten auf ausgewählte Blütenarten angepasst haben, können sie riechen und sogar schmecken. Letzteres können manche von ihnen auch mit ihren Hinterbeinen. Auch darüber hinaus haben die Tiere beeindruckende Fähigkeiten, um zum Beispiel ihre größten Fressfeinde, die Fledermäuse, aus dem Konzept zu bringen. „Bärenspinner können Ultraschalltöne von sich geben und mit diesen Rufen die Laute der Fledermäuse nachahmen und diese somit bei der Jagd auf sie verwirren“, berichtet Pichl. „Auch die Gelbe Pfirsichmotte imitiert auf der Suche nach einem Weibchen den Ruf einer Fledermaus um andere männliche Konkurrenten zu verschrecken.“
Bildrechte: Artikelheader: Pixabay; Foto: Pixabay (gepunkteter Falter)