Hinter den Kulissen

Vögel der Superlative

Hinter den Kulissen

Vögel der Superlative

Strauße sind derart beeindruckende Tiere, dass allein die Beschreibung ihres einzigartigen und faszinierenden Lebens auf dem afrikanischen Kontinent Seiten füllt. Bei uns in Deutschland sollen sie vor allem der Produktion von Fleisch dienen. Eine Nutzung der Wildtiere, die alles andere als artgerecht ist.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Straussenpaar und Küken

Einmal geschlüpft, verlassen die Straußenküken das Nest schon nach wenigen Tagen und werden dann von den ausgewachsenen Tieren bis zu neun Monate lang begleitet.

Wenn sie in den Weiten der Halbwüsten, Gras- und Buschsavannen Afrikas einmal losrennen, sind nur noch Staubwolken zu sehen. Während sich ihre großen Zehen mit ihren scharfen Krallen in den Boden graben, fliegen ihre schier endlos lang wirkenden Beine förmlich über den Sand. Seit etwa 50 Millionen Jahren leben Strauße auf unserer Erde und führen ein Leben der Superlative. Mit einem Gewicht von bis zu 140 Kilogramm und einer Größe von bis zu über zweieinhalb Metern könnte die Statur der männlichen Tiere kaum stattlicher sein. Auch die Weibchen stehen dem in nichts nach, bringen bis zu 120 Kilogramm auf die Waage und erreichen eine Kopfhöhe von bis zu über zwei Metern. Strauße sind die größten und schwersten Vögel dieser Welt und zählen darüber hinaus zu den schnellsten Tieren dieser Erde. Das Fliegen haben sie im Laufe der Evolution verlernt, was für sie aber alles andere als ein Nachteil ist. „Heute braucht der Strauß seine Flügel für die soziale Kommunikation, zur Thermoregulation und um beim Laufen das Gleichgewicht zu halten“, erklärt Dr. Anna Kirchner, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. „So ist es ihnen möglich, Sprints mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Kilometern pro Stunde zurückzulegen und größere Distanzen mit locker 50 Kilometern pro Stunde zu laufen.“ Auch Zäune mit mehr als eineinhalb Meter Höhe sind für sie kein Hindernis. Ihr sehr gutes Sehvermögen, ihre olympiareifen Fähigkeiten zu laufen und das Leben in Gruppen schützen die Tiere vor Beutegreifern wie Löwen oder Leoparden. „Die besonders gefährdeten Jungtiere drücken sich bei Gefahr reglos auf den Boden, während die Eltern versuchen, den Feind mit verschiedenen Methoden, zum Beispiel indem sie im Zickzack laufen, von den Küken abzulenken.“ Ist das Wegrennen oder dieses Ablenkungsmanöver nicht von Erfolg gekrönt, versetzt der Strauß seinen Angreifern oft einen gezielten Tritt, der solch eine Wucht hat, dass er auch für einen Menschen tödlich enden kann. An der Legende, die besagt, dass Strauße bei Bedrohung ihre Köpfe in den Sand stecken, ist nichts dran.

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Das Leben von Familie Strauß

Gegen Ende des Winters, wenn die Tage wieder länger werden und der Frühling anbricht, beginnt die Balz- und Brutzeit der Tiere – in der südlichen Hemisphäre ist das im September. Strauße sind sozial und leben in Gruppen von unterschiedlicher Größe. Sind sie mit etwa vier Jahren geschlechtsreif, bilden sie Familien, die aus einem Hahn und bis zu fünf Hennen bestehen. Ist der Hahn bereit, sich zu paaren, gibt er mit dem sogenannten Booming das einzig laute Geräusch von sich, das man von einem Strauß hören kann, und bezirzt seine Damen mit verschiedenen Tanzformationen. „Er begattet alle weiblichen Tiere der Gruppe, die anschließend jeweils etwa zehn Eier in das gemeinsame Nest legen“, so Kirchner. Die Straußeneier sind so groß, dass dort 20 bis 30 Hühnereier hineinpassen würden, und ihre Schale ist so dick, dass ein Mensch auf einem vollen Straußenei balancieren kann, ohne dass es kaputtgeht. Auch ohne Werkzeug lassen sie sich nicht öffnen. „Dennoch schaffen es die Straußenküken, das Ei zu zerbrechen, indem sie ihre kleinen Körper von innen gegen die Wände stemmen – sie haben einen extra starken Nackenmuskel.“

Straussenngruppe

Nach der Paarungs- und Brutzeit schließen sich Strauße zu größeren Gruppen zusammen.

Gelingt es einem Küken nicht, befreit der Hahn es aus dem Ei. „Einmal geschlüpft, verlassen die Straußenküken das Nest schon nach wenigen Tagen und werden dann von den ausgewachsenen Tieren bis zu neun Monate lang begleitet und beschützt“, erklärt Kirchner. In der Natur können Strauße bis zu zwanzig Jahre alt werden. „Allerdings ist die Jungtiersterblichkeit sehr hoch und kann bis zu 50 Prozent betragen.“ Wenn die Paarungs- und Brutzeit nach fünf bis sechs Monaten endet, schließen sich die Strauße zu größeren Gruppen zusammen, wobei die einzelnen Familien darin als soziale Einheit weiterbestehen und sich mit Beginn der Balz im nächsten Frühjahr wieder aus dem Verband trennen. „Der Zusammenschluss zu diesen übergeordneten Gruppen ermöglicht es den einzelnen Tieren, wieder Kräfte für die nächste Balz und die anschließende Brut- und Aufzuchtphase zu sammeln“, so Kirchner. Denn die Aufgabe, die Familie und das Revier zu schützen, ist so auf mehrere Schultern verteilt, wobei vor allem die dominanten Tiere aufpassen und mögliche Gefahren signalisieren. Darüber hinaus verbringen Strauße ihre Zeit vor allem mit Fressen und der Pflege ihrer Gefieder. „In ihrem natürlichen Lebensraum sind Strauße während der hellen Tageszeit bis zu zehn Stunden mit der Suche nach Futter beschäftigt, indem sie pickend und zupfend langsam durch ihr Revier ziehen“, sagt Kirchner. „Sie ernähren sich überwiegend von Pflanzen, die sie selektiv auswählen, und bevorzugen in trockenen Regionen wasserhaltige Sukkulenten.“ Auch Steine fressen sie mit, damit die Nahrung im Magen zerkleinert wird. Wenn sie nicht gerade umherziehen und mit Kauen beschäftigt sind, steht die eigene Körperpflege ganz oben auf der Tagesordnung. Strauße sind sehr reinlich und beschäftigen sich mindestens eine Stunde täglich mit ihrem Gefieder. „Außerdem können sie sehr gut schwimmen und schätzen ein Bad im Wasser ebenso wie im Staub.“

Strauße leiden in Gefangenschaft

Strauße sollten in den endlosen Weiten der Savanne leben, nicht in eingezäunten Arealen, in denen der Mensch sie zu seinem Nutzen hält

Ein Leben in eingezäunten Arealen statt endloser Weiten der Savanne ist den Straußen vorbestimmt, die der Mensch zu seinem Nutzen hält. Seit fast 200 Jahren leben afrikanische Strauße auch in Farmen, damit der Mensch an ihr Fleisch, ihre Haut, ihre Eier und ihre Federn kommt. „Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Tiere aus Afrika auch nach Mitteleuropa importiert, um am Geschäft mit den begehrten Federn teilzuhaben“, berichtet Kirchner. Der Federboom endete jedoch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. „Heute ist der Fleischertrag für das Einkommen eines Straußenfarmers ausschlaggebend. Wenn auch die Haut und somit das Leder nach wie vor einen wichtigen Beitrag leistet.“ In Deutschland gilt das Jahr 1993 als offizieller Start der landwirtschaftlichen Straußenhaltung. Bis heute gelten hierzulande jedoch lediglich die allgemeinen Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verbindlich. Darüber hinaus existiert ein Gutachten über Mindestanforderungen, an dessen aktueller Version der Deutsche Tierschutzbund gemeinsam mit Tierärzten, weiteren Tierschutzverbänden, Halter-Organisationen und dem Referat Tierschutz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mitgearbeitet hat. Dieses Gutachten wendet sich an die zuständigen Behörden der Länder und die Tierhalter, ist aber leider nicht rechtsverbindlich. „Mit unserer Mitarbeit konnten wir dazu beitragen, dass es hierzulande zumindest ein Dokument mit grundlegenden Anforderungen für die Haltung von Straußen gibt. Im nächsten Schritt fordern wir, dass diese Mindestanforderungen verpflichtend werden“, erklärt Kirchner. Allerdings ändert das nichts daran, dass der Deutsche Tierschutzbund die nutztierartige Haltung von Straußenvögeln grundsätzlich ablehnt. „Strauße sind und bleiben Wildtiere“, erklärt Kirchner. Ihre Haltung sei einfach nicht mit der von Tieren vergleichbar, die seit vielen Jahrhunderten gezüchtet und in ihrer Anatomie, Physiologie und ihrem Verhalten verändert und angepasst wurden, wie zum Beispiel das Haushuhn oder das Hausschwein. „Auch wenn es inzwischen mehr Erfahrung mit der Haltung von Straußen gibt und Halter versuchen, ihnen optimierte Bedingungen zu schaffen, werden die natürlichen Bedürfnisse der Tiere in menschlicher Obhut einfach erheblich eingeschränkt.“ Zudem belastet das Handling der Tiere, zum Beispiel, wenn sie krank sind, das Einfangen und der Transport zur Schlachtung die Strauße sehr und setzt sie erheblichem Stress aus.

STRAUSSE SOLLTEN NUR
AN EINEM ORT DIESER ERDE LEBEN:
IN DER FREIHEIT DER HALBWÜSTEN
UND SAVANNEN AFRIKAS.

Deutschland und Europa spielen in der Produktion von Straußenfleisch insgesamt eine untergeordnete Rolle. Da die Bedingungen der Haltung aber auch im Ausland nicht artgerecht, oft sogar tierschutzwidrig sind, rät der Deutsche Tierschutzbund dringend davon ab, Straußenprodukte jeglicher Art zu kaufen. Auch in Zoos und Tierparks können die Bedürfnisse von Straußenvögeln oft nur schwer erfüllt werden, ihre Haltung als Hobbytiere oder in Zirkussen sowie Vorführungen mit ihnen jeglicher Art sind in keinem Fall tiergerecht. „Zudem bitten wir darum, in Südafrika auf keinen Fall Strauße zu reiten. Diese beliebte Touristenattraktion stresst und belastet die sensiblen Wildvögel enorm.“ Es gibt einfach keinen vernünftigen Grund, Strauße für unsere Freizeit oder unseren Konsum zu halten. Die Tiere sollten nur an einem Ort dieser Erde leben: in der Freiheit der Halbwüsten und Savannen Afrikas.