Aktuell

Comeback mit Hindernissen

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Comeback mit Hindernissen

Nachdem der Luchs für viele Jahrzehnte aus Deutschland verschwunden war, streifen jetzt wieder mehr als 100 Exemplare durch unsere Wälder. Doch illegale Jagd und die Zerschneidung seiner Lebensräume gefährden die Rückkehr des Luchses.

  • Autor: Bernd Pieper, Geschäftsführer Kommunikation beim Deutschen Tierschutzbund

Lautlos schleicht die große Katze mit dem gefleckten Fell den Hang hinab. Vorsichtig nutzt sie jeden Wurzelteller als Deckung, verharrt reglos hinter einem umgestürzten Baum, verschmilzt mit dem Waldboden. Plötzlich schnellt der elegante Räuber empor und geht seiner Beute nach drei, vier energischen Sätzen an die Kehle – das Reh hat keine Chance. Gnadenlos verfolgt Solche Szenen waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts in unseren Breiten an der Tagesordnung. Doch mit zunehmender menschlicher Besiedlung wurde es eng für den Luchs, genauer den Eurasischen Luchs. Zudem wurden die Tiere wegen ihres prächtigen Fells und als angebliche Jagdkonkurrenten gnadenlos verfolgt. So verschwand der Luchs, ebenso wie Bär und Wolf, aus weiten Teilen West- und Mitteleuropas. Das letzte Exemplar seiner Art auf deutschem Boden soll 1846 im Bayerischen Wald nahe Zwiesel erschossen worden sein.

Heute leben bei uns nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wieder rund 140 Luchse, etwa die Hälfte davon im Bayerischen Wald und im Oberpfälzer Wald. Eine zweite Population erstreckt sich vom Harz bis nach Nordhessen und Nordrhein-Westfalen, einzelne Männchen wurden in Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Thüringen gesichtet. Im Pfälzerwald wächst der Luchsbestand kontinuierlich, nachdem dort 2016 ein Auswilderungsprojekt mit Luchsen aus den slowakischen Karpaten und der Schweiz gestartet wurde. Auch europaweit ist der Bestand von 700 Exemplaren gegen Mitte des letzten Jahrhunderts auf heute rund 9.000 Tiere angewachsen.

Zwei Junge bringt der Luchs in der Regel zur Welt. Diese bleiben etwa zehn Monate bei ihrer Mutter.

Zwei Junge bringt der Luchs in der Regel zur Welt. Diese bleiben etwa zehn Monate bei ihrer Mutter.

Der Mensch hilft

Das Comeback des Luchses ist ohne menschliche Unterstützung nicht denkbar – anders als beim Wolf, der zur Jahrtausendwende von alleine die Oder zwischen Polen und Deutschland überquerte und auf ehemaligen Truppenübungsplätzen in Sachsen ideale Bedingungen vorfand. „Nahezu alle heutigen Luchsvorkommen in Deutschland gehen auf Wiederansiedlungsprojekte zurück“, sagt Leonie Weltgen, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Los ging es 1970 mit der Freilassung von mehreren Tieren im Bereich des Nationalparks Bayerischer Wald. Die genaue Zahl ist unbekannt, da die Auswilderung ohne behördliche Genehmigung geschah.

Ein ausgewachsener Eurasischer Luchs ist ungefähr so groß wie ein Deutscher Schäferhund. Männliche Tiere können über 30 Kilogramm auf die Waage bringen, Weibchen erreichen maximal 21 Kilogramm. Neben dem Stummelschwanz und dem Backenbart sind vor allem die Pinselohren charakteristisch für den Luchs, dessen Sinne denen des Menschen weit überlegen sind: „Luchse können Töne im Bereich zwischen 65 und 70 Kilohertz wahrnehmen, während wir Menschen schon bei 20 Kilohertz die Segel streichen“, erläutert Weltgen. Die Augen eines Luchses sind sechsmal so lichtempfindlich wie die eines Menschen, sodass sich die Katze auch bei Dunkelheit gut orientieren kann. Und die Flecken auf dem Fell tarnen den Luchs nicht nur perfekt in seinem bewaldeten Lebensraum, sondern bilden auch bei jedem Tier ein individuelles Muster, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei hilft, einzelne Exemplare eindeutig voneinander zu unterscheiden.

Große, störungsfreie Reviere

Heute leben hierzulande wieder rund 140 Luchse, etwa die Hälfte davon im Bayerischen Wald und im Oberpfälzer Wald. Eine zweite Population erstreckt sich vom Harz bis nach Nordhessen und Nordrhein-Westfalen.

Heute leben hierzulande wieder rund 140 Luchse, etwa die Hälfte davon im Bayerischen Wald und im Oberpfälzer Wald. Eine zweite Population erstreckt sich vom Harz bis nach Nordhessen und Nordrhein-Westfalen.

Deshalb geht der Luchs gerne in der Dämmerung oder nachts auf die Pirsch – bevorzugt auf Rehe, aber auch Frischlinge, Hasen, kleinere Säugetiere oder Vögel stehen auf seinem Speiseplan. Je einfacher, desto lieber – bei der Jagd versuchen Luchse das Verletzungsrisiko möglichst gering zu halten. Seine Beute bringt der Luchs rasch in Sicherheit, um in Ruhe fressen zu können. Ist die Katze satt, werden die Reste abgedeckt und so vor Konkurrenten wie Fuchs oder Wildschwein gesichert. Der Nahrungsbedarf eines Luchses entspricht etwa einem Reh pro Woche. Je nach vorhandenem Beuteangebot kann ein Luchsrevier bis zu 400 Quadratkilometer umfassen. Die Reviere der männlichen Tiere können manchmal doppelt so groß sein wie die der Weibchen.

Bevorzugte Lebensräume sind strukturreiche Waldgebiete, in denen die Katzen ungestört jagen, ihre Jungen zur Welt bringen oder sich einfach nur zurückziehen können. Luchse sind Einzelgänger. Einmal im Jahr, zwischen Ende Februar und Anfang April in der sogenannten Ranzzeit, finden Kuder und Katze zusammen, um sich zu paaren. Nach einer Tragzeit von rund 70 Tagen werden in der Regel zwei blinde und maximal 300 Gramm schwere Jungtiere geboren. Sie bleiben etwa zehn Monate bei der Mutter, bis sie sich ein eigenes Revier suchen. Allerdings übersteht nur rund ein Viertel des Nachwuchses die ersten beiden Lebensjahre, und auch ausgewachsene Luchse leben bei uns gefährlich: „Die häufigsten Todesursachen sind Verkehrsunfälle und illegale Bejagung“, so Weltgen.

Den Luchs konsequenter schützen

Obwohl der Luchs einem strengen Schutz unterliegt und in den letzten Jahren ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen gewesen ist, sind wir in Deutschland noch weit von der für eine stabile Population notwendigen Zahl von mindestens 1.000 erwachsenen Tieren entfernt. „Wiederansiedlungsprojekte können wichtige Impulse geben“, betont Weltgen: „Doch damit der Luchs langfristig bei uns eine Chance hat, müssen wir seine Lebensräume erhalten, besser miteinander vernetzen und die illegale Verfolgung beenden.“ Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind vorhanden. Das Töten von Luchsen und anderen streng geschützten Wildtieren, etwa Wolf oder Fischotter, ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Und der Waffenschein ist sowieso weg.

Zu diesen Konsequenzen kam es bislang aber nie, da man den vermeintlichen Tätern nie etwas nachweisen konnte. Allein im Bayerischen Wald, auch bekannt als „Bermuda-Dreieck“ für Luchse, wurden in den letzten zehn Jahren mehrere Tiere vergiftet oder erschossen, in 15 weiteren Fällen spurlos verschwundener Luchse konnte eine illegale Tötung nicht ausgeschlossen werden. Allerdings könnte die Schonzeit für Wilderer bald vorbei sein: Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat im Februar 2019 einen Jäger aus dem Landkreis Cham angeklagt, der einen Luchs getötet haben soll. Bayerische Umweltverbände haben die akribische Arbeit der Ermittler ausdrücklich gelobt. Der Verlauf und Ausgang des Prozesses vor dem Amtsgericht Cham, der im September begonnen hat, dürfte keinen geringen Einfluss auf die Zukunft unserer Luchse haben.

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