Projekte

Tierschutz kennt keine Grenzen

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Tierschutz kennt keine Grenzen

Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich auch für verwahrloste und leidende Tiere in entfernten Teilen Europas ein – mit seinem eigenen Tierschutzzentrum im ukrainischen Odessa, aber beispielsweise auch als Unterstützer von Mitgliedsvereinen und Tierschutzprojekten vor Ort in Rumänien und in der Türkei.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Für viele Urlauber gibt es nichts Schöneres, als neue Orte in Europa zu erkunden: durch historische Altstädte mit ihren kleinen Gässchen zu spazieren, lokale Spezialitäten in Tavernen und Bistros zu genießen und in Gesprächen mit gastfreundlichen Menschen mehr über die dortige Lebensweise zu erfahren. Doch in vielen süd- und osteuropäischen Ländern trübt noch immer das Schicksal der Straßentiere die positive Urlaubsstimmung und konfrontiert Touristen unfreiwillig mit dem Thema Tierschutz. Ausgehungerte, teils körperlich misshandelte und vollkommen verwahrloste Tiere stromern auf der verzweifelten Suche nach Lebensmittelresten durch die Straßen. Die traurigen Hunde und Katzen, die in vielen Ländern ihrem Schicksal überlassen oder sogar getötet werden, wecken unser Mitgefühl und brauchen dringend Hilfe – nicht nur in der Ferienzeit.Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich dafür ein, das Leid der vielen Straßentiere einzudämmen und dabei tiergerechte Konzepte anzuwenden. In der Ukraine, in Rumänien und in der Türkei verschafften sich Mitarbeiter des Deutschen Tierschutzbundes jetzt wieder vor Ort einen Eindruck von den Erfolgen, Nöten und Herausforderungen.

Ukraine: Leuchtturmprojekt in der Hafenstadt

Einige Wochen bevor die Delegation des Deutschen Tierschutzbundes im Tierschutzzentrum Odessa in der ukrainischen Hafenstadt eintraf, hatte das dortige Team „einen Hund aus dem Sack gelassen“. Anders als in der Redewendung handelte es sich in dem festen Stoffbeutel also weder um eine Katze noch um ein wohlgehütetes Geheimnis, sondern vielmehr um ein Beispiel für die menschlichen Abgründe im Umgang mit Tieren. Ein Hund, ausgesetzt in einem Sack, aus dem nur noch der Kopf herausschaute – nicht nur für Tierschützer ist solch ein skrupelloses Vorgehen unvorstellbar. Umso größer war das Glück des ängstlichen, schwachen und bewegungsunfähigen Tieres, das eine Gruppe von Kindern rund 120 Kilometer entfernt von Odessa gefunden hatte. Nachdem freiwillige Helfer den Hund ins Tierschutzzentrum gebracht hatten, stellte sich heraus, dass der Mischling aufgrund einer Wirbelsäulenfraktur gelähmt war. Eine große OP folgte ebenso wie eine ausgiebige Reha, an deren Ende der tierische Patient wieder auf seinen vier Beinen stehen konnte, als die deutschen Besucher zu Gast waren. „Das geht schon sehr ans Herz“, sagt Patricia Sieling, Abteilungsleiterin Fundraising und Marketing beim Deutschen Tierschutzbund, die sich während ihres Besuches vor Ort von der guten Arbeit der Tierärzte überzeugen konnte.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (3. v. l.) sowie die Vizepräsidentinnen Dr. Brigitte Rusche (5. v. l.) und Renate Seidel (2. von links) tauschten sich mit dem stellvertretenden Bürgermeister Odessas, Oleg Jantschuk (4. v. r.), aus.

Die Veterinäre, die jährlich auch Hunderte Kastrationen durchführen, sind froh, für solche Operationen dank Spenden auf neues Equipment zurückgreifen zu können. Dazu gehören ein digitales Röntgengerät, ein Inhalationsgerät, ein Gerät, um den Kreislauf zu überwachen, und neue Geräte zur Versorgung von Knochenbrüchen. Lisa Hoth, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, und Dr. Miriam Holbach, Referentin für Tierheime, beide Tierärztinnen, überzeugten sich bei mehreren Operationen vom hohen Standard der chirurgischen Arbeit der ukrainischen Kollegen, während Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, und die beiden Vizepräsidentinnen Dr. Brigitte Rusche und Renate Seidel sich mit dem stellvertretenden Bürgermeister Oleg Jantschuk über die bisherige und künftige Zusammenarbeit austauschten. „Wir planen eine gemeinsame Veranstaltung, um umliegende Städte und Gemeinden über das Prinzip ‚Fangen, Kastrieren, Freilassen‘ zu informieren. Das Tierschutzzentrum soll so als Vorbild und Leuchtturmprojekt für andere Regionen dienen“, sagt Schröder.

Denn der Erfolg verdient Nachahmer. Im Jahr 2005 lebten in der Stadt noch rund 80.000 Straßenhunde. Heute ist das Problem nahezu gelöst – mittlerweile leben nur noch etwa 3.000 Straßenhunde in Odessa. Darum richtet sich der Fokus zunehmend auf die Katzen, die ebenfalls auf den Straßen leben. Für sie hat die Besuchergruppe mit den Mitarbeitern des Zentrums und dem Bauleiter den geplanten Umbau eines der Hundehäuser in ein Katzenhaus besprochen. Darüber hinaus benötigen die ukrainischen Tierschützer zusätzliche Freilaufgehege und ein kleineres Tierrettungsmobil für den Transport von wenigen Tieren, um auch in Zukunft Tieren wie dem wieder genesenen „Hund aus dem Sack“ schnell und zuverlässig zurück ins Leben helfen zu können.

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Rumänien: Politischer Dialog für die Hunde

Ein Leuchtturmprojekt wie Odessa könnte auch die rumänische Region Arges werden – wenn es nach dem Deutschen Tierschutzbund und dem Verein Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not geht, der dort mit der Smeura das größte Tierheim der Welt betreibt. Die Behörden in Rumänien lassen Straßenhunde noch immer töten. Darum warb eine Delegation um Verbandspräsident Schröder, Matthias Schmidt, Vorsitzender der Tierhilfe, sowie die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales Anette Kramme und die Bundestagsabgeordnete Ute Vogt bei Präsidialberater Andrei Muraru für ein alternatives Modellprojekt gegen die großen Zahlen an Straßenhunden. „Wir würden uns wünschen, anhand einer Region aufzeigen zu können, dass wir das Prinzip ‚Fangen, Kastrieren, Freilassen‘ hier ebenfalls sinnvoll, nachhaltig und tierschutzgerecht anwenden können“, erklärte Schröder. Die Gruppe wertete es als Erfolg, das Konzept einem ranghohen Vertreter des rumänischen Präsidenten präsentieren zu können.

Auch Vertreter des örtlichen Ministeriums für Gewässer und Forsten empfingen die Deutschen, jedoch zunächst um über ein benachbartes Waldgrundstück neben der Smeura zu verhandeln. „Das Tierheim benötigt mehr Platz, um dort Hunde sozialisieren zu können, indem die Mitarbeiter sie an Menschen, an Halsbänder, an Wasser oder auch an unterschiedliche Untergründe gewöhnen“, führt Lisa Hoth aus. Ob das Tierheim das Grundstück zu diesem Zweck pachten darf, ist noch offen.

Kastrationsmobil in Rumänien

Die Mitarbeiter sind mit den Kastrationsmobilen in der Region unterwegs, um die Menschen aufzuklären und die Tiere direkt vor Ort zu kastrieren.

In der Smeura selbst, in der fast 6.000 Hunde und Katzen leben, überzeugten sich die Besucher unter anderem von der Entwicklung der Jugendarbeit. In Rumänien ist es nach wie vor eine Seltenheit, Kinder für die Bedürfnisse von Hunden und den artgerechten Umgang mit ihnen zu sensibilisieren. Umso begeisterter saugten die Kinder der Arbeitsgruppe „Schüler für Tiere“ alle Informationen auf, die ihnen Ann-Catrin Schmidt, Gewinnerin des Deutschen Tierschutzpreises 2018, und ihre rumänischen Kollegen über die Vierbeiner vermittelten. Derweil fuhren zwei vom Deutschen Tierschutzbund mitfinanzierte Kastrationsmobile durch die umliegenden Ortschaften, um die Menschen auf die Bedeutung der Kastration aufmerksam zu machen und ihre Haustiere gleich vor Ort zu kastrieren. Ein drittes Mobil steht bereits zur Verfügung, doch die Tierhilfe leidet aktuell unter einem Tierärztemangel und wirbt darum auch in Deutschland um Helfer. Schröder sagte dem Verein Unterstützung bei der Suche nach Fachkräften und dem Druck von Informationsmaterial zu.

Türkei: Welpenflut am Badestrand

Spielzeug gehört zu jedem Familienurlaub dazu. Gerade am Strand dürfen Schaufel, Eimer oder ein Ball nicht fehlen. Im türkischen Datça, einer Halbinsel nahe den griechischen Inseln Kos und Rhodos, verbringen viele einheimische Familien ihren Sommerurlaub oder haben dort gar ein Ferienhaus. Leider bringen einige von ihnen aber immer wieder auch Welpen als „Spielzeug“ für ihre Kinder mit. „Wenn der Sommer vorbei ist, verlassen sie Datça und lassen die Tiere zurück. Das führt jedes Jahr zu einer regelrechten Welpenflut im Tierheim“, berichtet Dr. Katharina Pasche, Tierheimberaterin beim Deutschen Tierschutzbund, bei ihrem Besuch des Tierheims. Dieses betreibt der Verein Datça Hayvan Sevenler Dernegi auf Initiative und mit Unterstützung des Vereins DatçaDogs, einem Mitgliedsverein des Deutschen Tierschutzbundes.

Ausgezehrt, aber nun in guten Händen der Tierschützer in der Türkei.

Ausgezehrt, aber nun in guten Händen der Tierschützer in der Türkei.

Rund 50 Hunde betreuen die Pfleger vor Ort in 20 Ausläufen mit Hundehütten und in sechs Krankenzwingern. Besonders Kangals, die eigentlich aus den nördlichen Regionen der Türkei stammen, sind hier seit einigen Jahren sehr verbreitet, da viele Besitzer dieser Moderasse mit den großen Hunden überfordert sind und sie einfach aussetzen. „Leider sind sich viele Menschen nicht bewusst, was sie den Tieren damit antun. Sie wissen wenig über den Tierschutz“, sagt Holbach. Darum war es ein großer Erfolg, dass die Mitarbeiter kürzlich erstmals eine Schulklasse im Tierheim über die Bedürfnisse der Hunde aufklären konnten.

Die Tierschützer kümmern sich aufopferungsvoll um die Straßenhunde des Ortes. In Kooperation mit zwei Kliniken kastrieren sie fortlaufend eingefangene Hunde und versorgen sie für einige Tage, bevor sie sie wieder freilassen. „Das Team achtet darauf, sie nach Möglichkeit innerhalb von maximal zehn Tagen wieder an ihrem Fundort abzusetzen, da sich die Tiere sonst an das Tierheim gewöhnen und immer wieder dorthin zurücklaufen würden“, erklärt Holbach.

Die Kosten für die Kastration übernimmt die Gemeinde. Dies gilt nicht für die Kosten für Futter und die Pflege nach der OP und auch nicht für die Kosten von Kastrationen der wachsenden Katzenpopulation, die das Tierheim mit Spendengeldern finanzieren muss. Auch der Deutsche Tierschutzbund unterstützt die türkischen Tierschützer. Jüngst finanzierte der Verband den Bau dreier Ausläufe. Nun benötigt das Tierheim weitere Gelder, um die Zäune der Anlage zu erneuern, und baut auch auf Unterstützung von Spendern aus Deutschland. „Alle Menschen hier sind auf allen Ebenen mit Herz und Seele bei der Sache“, lobt Holbach. „Trotz der vielen Arbeit gelingt es den Pflegern vor Ort, jedem Tier Aufmerksamkeit zu schenken.“

DIE TIERE BRAUCHEN SIE