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Im Fokus

Zögerlich und inkonsequent

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Zögerlich und inkonsequent

Im September hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ein Gesetz zum Ausstieg aus dem Kükentöten vorgelegt. Zu spät und nicht konsequent genug, sagt der Deutsche Tierschutzbund.

  • Autor: Bernd Pieper, Geschäftsführer Kommunikation beim Deutschen Tierschutzbund

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Rund 45 Millionen männliche Küken aus Legelinien werden in Deutschland jedes Jahr am ersten Lebenstag durch CO2-Vergasung getötet. Weil ihre Mast unwirtschaftlich ist, müssen die Tiere leiden, der induzierte Sauerstoffmangel führt zum Gefühl des Erstickens. Bereits im Juni 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig geurteilt, dass das Töten der männlichen Küken aus wirtschaftlichen Gründen keinen „vernünftigen Grund“ nach dem Tierschutzgesetz darstelle. Tierschutz ist ein Staatsziel und wiegt mehr als wirtschaftliche Interessen.

Nach dem nun vorgelegten Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes soll das Kükentöten von Ende 2021 an verboten werden. Zu spät, sagt der Deutsche Tierschutzbund und kritisiert darüber hinaus, dass bis zum Jahr 2023 verschiedene Methoden der Geschlechtererkennung im Ei erlaubt bleiben. Diese Methoden greifen frühestens am neunten, eine Methode sogar erst am 14. Bruttag. Aus Sicht der Industrie ist die Geschlechterbestimmung im Ei die wirtschaftlichste Alternative zum Töten der Eintagsküken. Schließlich können die abgetöteten Embryonen als Tierfutter oder in der Kosmetik verarbeitet werden. Allerdings ist nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand bereits nach dem siebten Bruttag eine Empfindungsfähigkeit bei dem Embryo vorhanden. Und selbst wenn das Kükentöten nach der Übergangsfrist verboten wird, bedeutet das nicht automatisch ein gutes Leben für alle männlichen Küken. Schließlich ist die Aufzucht und Haltung der Hähne im konventionellen Bereich nicht gesetzlich geregelt, es gibt keinerlei Mindeststandards. Auch lange Lebendtransporte ins Ausland, sei es zur Schlachtung oder zum Aufzuchtort, können bei Eierlabels vorkommen, die die Aufzucht der Hähne nicht klar regeln.

CA. 45 MIO. KÜKEN WERDEN JÄHRLICH
AN IHREM ERSTEN LEBENSTAG GETÖTET.

Die einzige Methode, die sowohl das Kükentöten verhindern als auch die zuchtbedingten Probleme der Legehennen lösen könnte, wäre die Rückkehr zum Zweinutzungshuhn. Die Hennen dieser Zuchtrichtungen legen etwas weniger Eier als hochspezialisierte Legehybriden, dafür können die Hähne etwas rentabler gemästet werden. Die Tiere sind zudem vitaler und weniger anfällig für Krankheiten. „Die heutigen Legehennen sind hochgezüchtete Eierlegemaschinen innerhalb eines kaputten Systems. Die Kükenfrage ist damit auch eine Systemfrage“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Dieser Frage weiche Ministerin Klöckner mit technischen Lösungen zur Geschlechterbestimmung aus. Konsequent wäre die Rückkehr zum Zweinutzungshuhn, so Schröder: „Hier haben Frau Klöckner und ihre Amtsvorgänger zu nachlässig gehandelt, zum Beispiel mit viel zu wenig Fördergeldern. Sonst wäre dieser Weg schon jetzt praxisreif.“

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