Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Königshäuser sind oft ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse. Seitenweise füllen sie ihre Magazine mit Skandalen, Skandälchen oder Geschichten, die die Yellow Press als solche erachtet. Auch der Zaunkönig könnte Hauptdarsteller solcher royalen Seifenopern sein: Er glänzt zwar nicht mit edler Robe oder imposanter Statur, doch bei der Wahl seiner Partnerinnen ist er durchaus flexibel und die Zahl seiner „Paläste“ wächst zunehmend, sobald ihn die Baulust erfasst.
Zaunkönige haben den Winter als sogenannte Standvögel nicht im Süden, sondern hier bei uns in heimischen Gefilden verbracht – womöglich sogar in unseren Garagen und Schuppen oder in wärmenden Schlafgemeinschaften mit Artgenossen. Üblicherweise schlafen die Tiere in ungenutzten Nestern. In wenigen Wochen, Ende April, beginnen die Vögel, die gut an ihrem steil aufgerichteten Schwanz zu erkennen sind, erstmals zu brüten. Bis Juli folgt meist eine zweite Brut. Zaunkönige, deren Population in Deutschland stabil auf über 2,5 Millionen Brutpaare geschätzt wird, gehören mit einer Körperlänge von maximal elf Zentimetern und einer Flügelspannweite von etwa 14 Zentimetern zu den kleinsten Vögeln Europas und bringen selten mehr als zehn Gramm auf die Waage. Ihr bräunliches Gefieder mit den dunkelbraunen Wellenlinien an Schwanz und Flügeln ist zwar unscheinbar, hilft den Zaunkönigen aber dabei, sich im Unterholz oder in Büschen, Reisighaufen und Hecken zu tarnen. Hobbygärtner können den geflügelten Zwergen und anderen Tieren eine tierfreundliche Umgebung schaffen. Wenn die Vögel durch selbige huschen, verwechseln sie viele Menschen zunächst gar mit einer Maus.
Doch ihr unscheinbares Äußeres wiegen die flinken Singvögel, die bevorzugt Mücken, Schnaken und Spinnen fangen und sich größtenteils am Boden fortbewegen, mit ihren Stimmen auf. Mit bis zu 90 Dezibel, etwa so laut wie ein Lastwagen, machen die Männchen stundenlang – und für uns Menschen über mehrere hundert Meter Entfernung hörbar – in etwa fünf Sekunden langen Strophen auf sich aufmerksam. Ihr Gesang ist dabei nicht das einzige Mittel, mit denen männliche Zaunkönige um eine Partnerin werben. Die fleißigen Bauherren weben für deren Gunst – gern im Wurzelwerk umgestürzter Bäume oder in Fassadenbegrünung in Bodennähe – bis zu sieben, in der Regel kugelförmige Nester, aus denen die Weibchen eins auswählen und es auskleiden. Obwohl die Männchen diesen enormen Aufwand betreiben, sind sie anschließend nicht sonderlich treu. Solange die Weibchen etwas mehr als zwei Wochen lang bis zu acht Eier ausbrüten, halten die männlichen Zaunkönige bereits nach weiteren Partnerinnen Ausschau. Da die Männchen jedoch zehn bis zwölf Tage lang die frisch geschlüpften Küken mitversorgen, kann es passieren, dass sie parallel gleich mehrere Nester betreuen müssen wenn nicht zwei Weibchen die Eier direkt im gleichen Nest ablegen. Denn das kann bei Zaunkönigen, die auch schon mit Wasseramseln im gleichen Brutkasten beobachtet wurden, tatsächlich vorkommen – der perfekte Stoff für eine tierische Seifenoper.