Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
900 Euro Geldstrafe. Diesen Strafbefehl wegen Tierquälerei hat das Amtsgericht Tostedt gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) im niedersächsischen Mienenbüttel verhängt. Es ist das erste Urteil rund um die schrecklichen Geschehnisse im LPT, das zu den größten Auftragsforschungslaboren für Tierversuche in Deutschland gehörte. Wer die heimlich gefilmten Videoaufnahmen aus dem Horrorlabor 2019 gesehen hat, dürfte angesichts dieses Strafmaßes milde gesagt überrascht sein. Für Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ist es „ein Urteil, das wütend macht“. Das Video hatte dokumentiert, wie der Mann durch Drohungen mit einer Metallstange und durch intensive Schläge gegen Türrahmen damit einen Affen in Angst versetzt hatte, bis er zitterte. Dies waren zwar nicht die schlimmsten Vergehen in den Aufnahmen – andere Mitarbeiter zerrten Affen grob aus den zu kleinen Käfigen, warfen sie nach Experimenten wieder achtlos hinein oder zerstachen Katzen die Beine–, doch der Strafbefehl zeigt ein Grundsatzproblem der Gesetzgebung im Bereich der Tierquälerei auf.
Nach Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes kann vorsätzliche Tierquälerei mit bis zu drei Jahren Gefängnisstrafe oder Geldstrafe bestraft werden. „Das maximale Strafmaß wird aber nur selten ausgenutzt“, erklärt Evelyn Ofensberger, Leiterin der Abteilung Recht beim Deutschen Tierschutzbund. Der klarste Fall der strafbaren Tierquälerei ist die vorsätzliche Tötung oder die erhebliche Misshandlung eines Tieres, für die kein vernünftiger Grund und volle Schuldfähigkeit vorliegt. Das wiederholte Zufügen erheblicher Ängste bedeutet Stress und Leiden für das Tier und erfüllt den Tatbestand der Tierquälerei. In der Vollzugspraxis wird eine solche Tiermisshandlung nicht angemessen geahndet, da sie oft nicht ohne weiteres nachweisbar ist. „Ersttäter erhalten meist eine Bewährungsstrafe, wenn das Strafmaß weniger als zwei Jahre beträgt. Meistens bleibt es aber wie hier bei einer Geldstrafe“, so Ofensberger.
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Da der ehemalige Tierpfleger das Tier beispielsweise nicht nachweislich körperlich misshandelt hat, kam es letztlich zu dem für Tierschützer erschreckend geringen Strafmaß. „Wir fordern daher, dass – vergleichbar zur strafbaren versuchten Körperverletzung – auch beim Straftatbestand der Tierquälerei der Versuch der physischen oder psychischen Tiermisshandlung künftig strafbar wird“, sagt Schröder. Dies würde allgemein dazu führen, dass Täter schon dann bestraft werden können, wenn sprichwörtlich „alles nochmal gut gegangen ist“. Dies wäre beispielsweise ebenso der Fall, wenn Halter ihre Tiere zurücklassen oder aussetzen und sie nur durch Glück überleben. Auch wer Giftköder auslegt, ohne dass ein Tier verstirbt, müsste mit härteren Strafen rechnen. Solange der Gesetzgeber nicht aktiv wird, bleibt zu befürchten, dass weiterhin Verfahren im Bereich der Tierquälerei oft „wegen geringer Schuld“ eingestellt werden. Oder sie enden, wie hier, mit Strafbefehlen, die zu einer Geldauflage führen. Und mit wütenden Tierschützern, die befürchten müssen, dass solche Urteile kaum abschreckend wirken. Wie die Gerichte in weiteren Verfahren rund um das LPT entscheiden, muss sich noch zeigen. Der Deutsche Tierschutzbund hat Anfang 2020 Strafanzeigen gegen den LPT-Geschäftsführer und die ehemalige Amtsveterinärin gestellt. Die Ermittlungen dauern noch an.
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