Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Sobald der Frühling in den Startlöchern steht, juckt es Blumenliebhabern und Hobbygärtnern in den Fingern. Mit mehr oder weniger begabten grünen Daumen bringen sie Gräser, Bäume und Sträucher in eine ansehnliche Form. Auch die trostlosen Blumenkästen auf Terrasse und Balkon rufen nach bunten Farbtupfen. Wer jetzt auf die richtigen Pflanzen setzt, kann sich schon bald an Vögeln, Schmetterlingen und Hummeln erfreuen. Der Gartenteich bietet Fröschen, Molchen und Co. einen Lebensraum und tierischen Gästen eine Trinkquelle. Doch auch Tiere wie Igel, Gartenspitzmäuse und Eidechsen stellen Ansprüche an den Garten ihrer Wahl.
Viele Gärten und Balkone sind heute so weit kultiviert, dass Tiere darin wenig Nahrung finden. „Manche Zierpflanzen, wie etwa Forsythien und Edelrosen, produzieren keinen Nektar oder Pollen – davon ernähren sich aber Schmetterlinge, Bienen und einige Vögel. Auch Sträucher und Stauden mit gefüllten Blüten enthalten keine Pollen. An den Nektar dieser Pflanzen kommen die Tiere kaum heran, weil die dichten Blütenblätter ihnen den Weg versperren“, erklärt James Brückner, Referent für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Der chinesische Wacholder dient nur einer Vogelart als Nahrungsquelle und Exoten wie Palmen und Co. entzücken ausschließlich das menschliche Auge. Heimische Pflanzen sind hingegen wahre Magnete für die Tierwelt. Kein Wunder, haben sich Flora und Fauna seit Jahrhunderten aneinander angepasst. So werden von den Früchten der heimischen Eberesche und des Schwarzen Holunders mehr als 60 Vogelarten satt.
„Allgemein locken heimische Obstbäume, Beerengehölze und blühende Sträucher wie Vogelbeere, Berberitze, Holunder und Schlehe Vögel in die Gärten. Auch Dornensträucher und blickdichte Hecken sind bei ihnen beliebt: Sie sind darin nicht nur vor Fressfeinden geschützt, sondern bauen dort auch ihre Nester“, so Brückner. Ein Garten mit vielen Gräsern, Hecken und Sträuchern hält auch für Igel einen reich gedeckten Tisch bereit. Wer seine Hecken im Frühjahr beschneidet, sollte auf Vogelnester und Jungvögel achten und die Arbeit verschieben, bis die Tiere ausgeflogen sind. Blätterhaufen sollten so lange unberührt bleiben, bis die Igel ausgezogen sind.
Ein wahres Paradies für Schmetterlinge, Bienen und Hummeln sind Wildblumenwiesen und duftende Kräuterbeete. Im Idealfall blühen die verschiedenen Pflanzen vom Frühjahr bis zum Herbst. Schmetterlinge brauchen einerseits nektarspendende Pflanzen und andererseits Futterpflanzen für ihre Raupen. Jetzt im Frühling blühen zum Beispiel Blaustern, Schlüsselblumen und Margeriten. Kleine Ecken mit Brennnesseln und so manchem „Unkraut“ geben den Raupen ein Zuhause. Die Nachtkerze, die ihre Blüten erst in der abendlichen Dämmerung öffnet, lockt zudem nachtaktive Falter an. Schafgarbe und andere Korbblütler sind bei vielen Käfern beliebt. „Wer Tieren in seinem Garten einen dauerhaften Lebensraum schaffen möchte, sollte ihnen über die pflanzlichen Nahrungsquellen hinaus auch Versteckmöglichkeiten bieten. Was für die Vögel eine schützende Hecke ist, ist für Eidechsen und Blindschleichen ein kleiner Steinhaufen an sonniger Stelle oder eine Trockenmauer“, sagt Denise Ade, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund.
Auch Insekten brauchen einen Unterschlupf. Sogenannte Insektenhotels und Nisthilfen lassen sich aus verschiedenen Hölzern leicht selbst herstellen. An einer Wand in Terrassennähe oder auf dem Balkon machen sie auch dekorativ etwas her. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Nistkästen für Vögel anzubringen. Vor allem dann, wenn Naturhöhlen fehlen, weil es in der Nähe keine alten und morschen Bäume gibt. „Die Nistkästen für Meisen, Finken und andere heimische Vögel sollten spätestens im März in den Bäumen hängen. Nur so können die Tiere noch rechtzeitig zur Nistzeit einziehen. Das Einstiegsloch sollte nach Südosten zeigen. Eichhörnchen freuen sich über Behausungen in Kobelform, die rund sechs Meter hoch im Baum hängen sollten. Darüber hinaus können Tierfreunde auch Fledermäuse mit Rückzugsmöglichkeiten unterstützen“, empfiehlt Ade.
Gartenspitzmäuse, Wühlmäuse und Maulwürfe gelten im Gegensatz zum Eichhörnchen oder Igel oft als „Gartenschreck“ – zu Unrecht. Diese Tiere sind bei uns heimisch und haben ihre Funktion im Ökosystem. Der Respekt vor jedem Lebewesen sollte über der Perfektion des Blumenbeetes oder Rasens stehen. Für welches Tier das Herz auch schlägt, wer auf heimische Pflanzen setzt und einen Teil des Gartens unberührt lässt, kann verschiedensten Arten einen Lebensraum schaffen. Summen, surren und Vogelgezwitscher – was ist schöner, als die Natur direkt vor der Tür zu haben?