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EU-Behörde lässt Lebensmittel in tödlichen Tierversuchen testen

Nutzloser Tod für kommerzielle Zwecke

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EU-Behörde lässt Lebensmittel in tödlichen Tierversuchen testen

Nutzloser Tod für kommerzielle Zwecke

Bevor die EU neuartige Lebensmittel wie beispielsweise Insekten zulässt, verlangt sie ausgiebige Testreihen an Mäusen und Ratten. Für eine noch größere und exotischere Bandbreite in unseren Supermarktregalen sterben darum unzählige Tiere. Mit geringem Erkenntnisgewinn.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Sie ist alles andere als erstrebenswert. Doch der Mehlwurm hat sie. Die europäische Wanderheuschrecke hat sie. Und inzwischen haben die Hausgrille und die die Larven des Buffalowurms sie ebenfalls. Die Zulassung als Lebensmittel für den menschlichen Verzehr. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erteilt sie gemäß der Novel-Food-Verordnung. Und die drei Insektenarten sind somit die ersten, die auch in der EU vermehrt auf unseren Speiseplänen stehen sollen, wenn es nach den Plänen der Industrie geht (Über das Tierleid und die fragwürdigen Öko- und Nährstoffbilanzen der aufstrebenden Branche lesen Sie in der Titelstrecke von DU UND DAS TIER 1/2022).

Tiere werden oft zwangsernährt

Doch wie kommt die Behörde überhaupt zu ihren Erkenntnissen, um sogenannte Novel Foods zuzulassen, also Lebensmittel, die wie eben jene Insekten in der EU als „neuartig“ gelten? „Sie verlangt von den Herstellern unter anderem 90-tägige Fütterungsstudien an Tieren, um zu bewerten, ob sie schädlich für den Menschen sind“, erklärt Tilo Weber, Referent für Alternativmethoden beim Deutschen Tierschutzbund. Das gilt für alle Lebensmittel, die vor dem 15.  Mai 1997 in der EU noch nicht in nennenswertem Umfang auf unseren Tellern, in unseren Gläsern oder unseren Snackboxen gelandet sind. Dafür mischen die Labormitarbeiter den zu testenden Stoff ins Futter oder Trinkwasser von Mäusen und Ratten. „Oft flößen sie ihn den Tieren sogar schmerzvoll unter Zwang per Schlundsonde ein“, ergänzt Weber. Anschließend töten sie die Nager, um ihre Organe auf eventuelle Veränderungen oder Schäden zu untersuchen. Die oft schmerzvollen Behandlungen und der Tod der Tiere dienen allein kommerziellen Zwecken. Die Industrie nimmt dies billigend in Kauf.

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Leid und Tod führen nicht einmal zu nennenswerten Erkenntnissen

Die EFSA kommt anhand solcher Tierversuche zu dem Schluss, ob Menschen Lebensmittel ohne gesundheitliche Bedenken verzehren können. Dies soll Verbraucher schützen. Und nachweisen, dass sie beispielsweise bedenkenlos zu neuartigen Produkten wie künstlich gezüchtetem Clean Meat, exotischen Samen oder solchen aus gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen greifen können. Oder eben zu Nahrung aus Insekten wie der europäischen Wanderheuschrecke. Diese hat die Behörde beispielsweise gefroren, getrocknet und gemahlen als Snack und Lebensmittelzutat freigegeben. Die Experimente an Ratten und Mäusen – selbst Schweine kamen bei den Untersuchungen von Insektenprodukten schon zum Einsatz – können für Weber jedoch nicht die erhoffte Sicherheit gewährleisten. „Die Versuche belegen letztlich nur, wie die Tiere auf diese Lebensmittel reagieren. Das beweist weder, dass Menschen sie genauso vertragen, noch, dass sie für unseren Verzehr unbedenklich sind.“ Besonders überflüssig erscheinen die voneinander unabhängigen Zulassungen von Hausgrillen und teilweise entöltem Pulver aus Hausgrillen – Letzteres sowie die Larven des Buffalowurms hat die EFSA nun im Januar als Lebensmittel genehmigt. Einen ersichtlichen Grund dafür, weshalb das gleiche Produkt in einer anderen Form für den Menschen schädlich sein sollte, gibt es nicht. Nichtsdestotrotz mussten dafür erneut unzählige Versuchstiere leiden und sterben.

Deutscher Tierschutzbund adressiert Bundeslandwirtschaftsministerium

„Wenn Politiker und Industrie die Sicherheit neuartiger Lebensmittel prüfen lassen wollen, darf dies nicht auch noch auf dem Rücken der Tiere geschehen“, sagt Weber. Es stehen noch weitere Insektenarten wie die Soldatenfliege oder die Westliche Honigbiene in der EU vor einer Zulassung als Novel Food. Darum hat sich Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, auf nationaler Ebene direkt an das Bundeslandwirtschaftsministerium gewandt. In einem Brief wies er auf die fraglichen Auswirkungen der Insektenaufzucht auf Ökosysteme und das Klima hin. Zudem forderte er das Ministerium auf, sich dafür einzusetzen, Fütterungsversuche unverzüglich aus dem Zulassungsverfahren zu streichen: „Anstatt ethisch und wissenschaftlich fragwürdige Tierversuche sollten tierversuchsfreie Methoden angewendet werden, die besser auf die Situation am Menschen übertragbar sind. Wo noch keine tierversuchsfreien Methoden vorhanden sind, sollten diese gezielt entwickelt und gefördert werden.“

Alternativen ohne Tierleid sind schon Realität

Tatsächlich gibt es bereits verschiedene wissenschaftliche Methoden, mit denen sich ganz ohne Tierleid die Sicherheit für die Verbraucher gewährleisten lässt. „Beispielsweise ist es gelungen, menschliche Leberzellen über 28 Tage auf Bio-Chips zu kultivieren und deren Stoffwechsel zu überwachen. Ein solches Verfahren könnte zukünftig Fütterungsstudien an Nagetieren ersetzen“, berichtet Weber. Im Zellkulturlabor der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes in Neubiberg bei München forschen Wissenschaftler zurzeit weiter daran.

Was Sie tun können

  • Neben den Insekten gibt es viele weitere Lebensmittel, die in der EU als neuartig gelten und in entsprechenden Zulassungsverfahren an Tieren getestet werden. Auch pflanzliche gehören dazu. Darum hat jeder es selbst in der Hand zu entscheiden, ob er Heuschreckenburger und Grillenpasta, aber auch exotische Lebensmittel aus anderen Ländern wie zum Beispiel Baobab-Fruchtfleisch oder Chia-Samen wirklich braucht. Denn auch Produkte, die von außerhalb Europas auf die hiesigen Märkte drängen, kann die EU als Novel Food klassifizieren und Tierversuche für ihre Zulassung verlangen. Gesunde Alternativen sind heimische Lebensmittel wie Wirsing, Sellerie, Lauch oder Pastinaken. Sie fördern ebenso die Gesundheit und landen bereits nach kurzen Transportwegen in unserem Einkaufskorb.
    Das kommt auch unserer Ökobilanz zugute.

Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – WikiImage (Grashüpfer); Fotos: Pixabay – katerinavulcova (Mehlwürmer), Daniel Wanke (Insekt auf Holz)