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Ein zweifelhafter Trend

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Ein zweifelhafter Trend

Die Privathaltung von Minischweinen ist ein Trend, der in den USA begonnen hat und auch in Europa verbreitet ist. Doch oft stellen Halter*innen fest, dass das vermeintliche Minischwein nicht so „mini“ bleibt, wie beim Kauf angenommen, oder es kein Leichtes ist, die mit der Haltung verbundenen Auflagen zu erfüllen – und so sind Schweine in Tierheimen und Lebenshöfen schon lange keine Einzelfälle mehr.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Ob Minnesota Minipig, Göttinger Minischwein oder Bergsträßer Knirps – kleinwüchsige Hausschweine werden als Heimtiere immer beliebter. „Zum einen wünschen sich einige Menschen Schweine als Haustiere, weil mittlerweile bekannt ist, wie intelligent und reinlich sie sind – außerdem sind sie als Ferkel natürlich besonders süß. Zum anderen mögen viele die Vorstellung, ein außergewöhnlicheres Haustier zu haben“, sagt Jennifer Semmler, stellvertretende Leiterin des Tierheims Peine in Niedersachsen. Die Einrichtung ist dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen und beherbergt seit 2015 Vietnamesische Hängebauchschweine – auch wenn diese zu den bekannten Minischweinrassen gehören, können sie ausgewachsen stattliche 70 Kilogramm auf die Waage bringen. In Peine handelt es sich jedoch nicht um Abgabetiere: „Vor acht Jahren nahmen wir Piggeldy und seinen Bruder Frederick aus einem Streichelzoo auf – dort sollten sie eigentlich geschlachtet werden“, berichtet Semmler. Tatsächlich ist das nicht ungewöhnlich: Viele Streichelzoos züchten Nachwuchs, um mit den süßen Tierkindern Publikum anzulocken – wachsen sie aus dieser Rolle heraus, werden sie jedoch oft getötet. Denn meist reicht der Platz nicht aus, um alle Tiere unterzubringen. Der Tierschutzverein Peine und Umgegend wollte das verhindern und kaufte dem Streichelzoo die nach dem bekannten Zeichentrick benannten Schweine Piggeldy und Frederick für 40 Euro ab. „Leider wurde Frederick ein paar Jahre später krank und verstarb. Damit Piggeldy nicht allein leben muss, nahmen wir 2018 Susi aus einer Privathaltung bei uns auf“, sagt Semmler. Schließlich sind Minischweine genau wie Hausschweine überaus soziale Tiere, die von Natur aus in Gruppen leben. „Die beiden sollen daher auch zu zweit vermittelt werden.“

ie Tierpfleger*innen und Auszubildenden des Tierheims Peine kümmern sich liebevoll um die beiden Minischweine Susi und Piggeldy, die schon lange in ihrer Obhut sind.

Viel Platz, Auslauf und Beschäftigung

Bislang hat das Team des Tierheims Peine jedoch keine passenden Interessent*innen für die geselligen Tiere gefunden: „Unsere Besucher*innen sind immer total entzückt, wenn sie Piggeldy und Susi sehen, schrecken dann aber vor den hohen gesetzlichen Auflagen zurück, die mit der Haltung verbunden sind“, so Semmler. Eine Grundvoraussetzung sei ausreichend Platz, betont sie. „Eine reine Wohnungshaltung ist tierschutzwidrig. Schweine brauchen vor allem einen großen Garten mit genügend Auslauf, einer Suhle und weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten wie Stroh und Heu zum Wühlen.“ Voraussetzungen wie diese sollten auch Tierheime erfüllen, um den neugierigen, agilen Tieren eine geeignete Unterkunft zu bieten. „Bei uns können sie Tag und Nacht in ihrem großzügigen Gehege herumlaufen und sie haben auch einen Stall mit Wärmelampen, in den sie sich zurückziehen können“, schildert die Tierschützerin. „Leider fehlt uns und den Tierpfleger*innen die Zeit, um uns intensiver mit ihnen zu beschäftigen – das fangen zum Glück unsere ehrenamtlichen Helfer*innen auf, indem sie ihnen zum Beispiel eine beliebte Bürstenmassage geben.“ Piggeldy gehe besonders gern auf Menschen zu und liebe es, sich die Nase kraulen zu lassen. Beide Tiere würden am liebsten den ganzen Tag über fressen, dabei achten die Tierpfleger*innen darauf, dass sie nicht zu dick werden.

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Einhaltung von Vorschriften

Was einige Interessent*innen ebenso nicht bedenken, ist der Umstand, dass auch privat gehaltene Minischweine gesetzlich zu den sogenannten lebensmittelliefernden Tieren zählen. Somit sind Halter*innen unter anderem dazu verpflichtet, sie bei den zuständigen Behörden, dem Veterinäramt und der Tierseuchenkasse, anzumelden und jährlich eine Bestandsmeldung abzugeben. „Erforderlich ist außerdem ein doppelter Zaun, um Wildschweine auf Abstand zu halten und die eigenen Tiere vor Krankheiten wie der Afrikanischen Schweinepest zu schützen“, erläutert Semmler. Viele Halter*innen erfüllen diese Auflagen nicht, und so müssen Tierheime häufig Schweine aufnehmen, nachdem Behörden sie aus schlechter Haltung beschlagnahmt haben. Auch im Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes lebt eine Rotte von Hängebauch-Minipig-Mix-Schweinen, die aus einer verwahrlosten Haltung aus Rheinland-Pfalz stammen, sowie mehrere Hängebauchschweine, die das zuständige Veterinäramt von Mietnomad*innen beschlagnahmt hatte. Der Tierschutzverein Peine und Umgegend und andere Mitgliedsvereine des Deutschen Tierschutzbundes prüfen natürlich eingehend, ob Interessent*innen alle Voraussetzungen erfüllen, um Schweinen ein schönes Zuhause zu bieten. „Wenn sich aber jemand ein Ferkel über das Internet anschafft, achten die Anbieter*innen meist nicht genau auf die gegebenen Haltungsbedingungen – einige Halter*innen umgehen dann auch die Kontrollen der Veterinärämter.“ Nach so vielen Jahren im Tierheim Peine sind Piggeldy und Susi dem gesamten Team ans Herz gewachsen. „Die beiden leben nun schon so lange bei uns. Wenn wir sie doch noch vermitteln, möchten wir auch sichergehen, dass sie in ein ‚Zuhause für immer‘ kommen“, so Semmler. „Für weitere Schweine haben wir keine Kapazitäten. Mithilfe von Patenschaften und Spenden können wir jedoch zumindest die Versorgung von Piggeldy und Susi finanzieren.“

Weiterführende Infos

  • Mit seiner Kampagne „Tierheime helfen. Helft Tierheimen!“ macht der Deutsche Tierschutzbund auf die Lage der Tierheime und deren wichtige Arbeit aufmerksam.
    tierheime-helfen.de