Besonders auffällig sind die größeren Wildtiere: Wildschwein, Marder, Waschbär, Fuchs, Kaninchen – die sogenannten big five in der Stadt. Das sind die auffälligsten Tiere, weshalb uns Bürger immer wieder kontaktieren und über die wir auch am meisten reden. Tatsächlich gibt es auch Tiere, die vorher nur im Wald auftraten und nun auch im Stadtgebiet auftauchen – in Berlin vornehmlich nur im Stadtgebiet.
Das hängt von der Tierart ab. Kaninchen empfinden viele Menschen als niedlich. Deswegen füttern sie diese auch gerne und stören sich nicht an ihnen. Denkt man an die Wohnungsbaugesellschaften und Landschaftsbaufirmen, die wegen der Kaninchen sowohl Bepflanzungen immer wieder neu vornehmen als auch die unterhöhlten Wege beheben müssen, dann sieht das schon wieder ganz anders aus. Die Beschwerden hängen auch von der Jahreszeit ab.
Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die meisten Stadtbewohner Wildtiere in der Stadt begrüßen. Wir bekommen weniger Anrufe von Menschen, die die Tiere beseitigt haben wollen. Die meisten freuen sich, sehen aber das Erscheinen eines Wildtieres mit einem Fragezeichen, weil sie damit nicht umzugehen wissen. Das heißt aber nicht, dass die Menschen Angst vor ihnen haben, vielmehr nehmen sie an, dass sich die Tiere in der Stadt verirrt hätten.
Natürlich melden sich die Menschen insbesondere dann, wenn sie ihrem Ärger Luft machen wollen, konkret Hilfe brauchen und nicht mehr weiter wissen. Bei den Wildschweinen ist es der zerwühlte Vorgarten und der vernichtete Rasen. Da werden schon die Beschwerden laut, diese Tiere abzuschießen und aus der Stadt zu vertreiben. Diese Leute informieren wir, wie sie ihr Grundstück besser schützen können, wie sie es tiergerecht einzäunen – nämlich so, dass der Zaun Wildschweine abhält auf das Grundstück zu kommen, aber weiterhin kleinere Säugetiere wie Igel und Mäuse Zugang haben.
Wir sagen den Leuten aber auch, dass sowohl das Töten der Tiere, als auch das Einfangen für das Thema Wildtiere in der Stadt keine Lösung ist. Zudem geben wir den Anrufern auch Informationen über Vergrämungsmaßnahmen, also Möglichkeiten, die Tiere von den Grundstücken abzuwehren. Dazu zählen zum Beispiel Geruchsstoffe. Wir klären auch darüber auf, warum Tiere überhaupt in die Stadt kommen. Warum es sie in die Gärten zieht, was sie da suchen und warum sie sich so angepasst haben.
Es geht vor allem um die Aufklärung der Bürger. In Berlin sind das immerhin 3,5 Millionen Menschen. Berlin ist schließlich eine 900 Quadratkilometer große Fläche –auf diesem großen Raum leben wir Menschen nun mal nicht alleine. Über 40 Prozent davon bestehen aus Grün-, Wasser, Sumpf-, und Waldflächen bis hin zu Grünanlagen, Parkanlagen und Kleingärten. Da gehören eben nicht nur Menschen und Pflanzen, sondern auch Tiere dazu.
Unangeleinte Hunde sind bei uns auch ein großes Thema, da Wildschweine und Hunde sich nicht wirklich grün sind. Wenn sie aufeinandertreffen, kann es schon zu Zwischenfällen kommen. Beißunfälle zwischen Wildschwein und Hund kommen in Berlin regelmäßig vor. Insbesondere wenn eine Bache Junge hat, reagiert sie empfindlicher. Es gibt auch Beißunfälle mit Wildschweinen und Menschen – fast immer im Zusammenhang mit Hunden. Sind die Hunde angeleint, kommt es gar nicht erst zu solchen Unfällen. Wildschweine greifen nicht an, wenn sie einen Hund in 100 Metern Entfernung sehen, sondern nur dann, wenn ihnen das Tier zu nah kommt oder ihre Jungen gefährdet.
Für die Menschen hat es den Vorteil, dass sie die Natur in der Stadt serviert bekommen und sie Naturerfahrung im weitesten Sinne vor Ort machen können. Sie können sich mit den Tieren und damit indirekt mit der Umwelt befassen, Tiere unmittelbar vor Ort erleben. Die Wildtiere in der Stadt zeigen uns, dass die Natur nicht nur weit weg stattfindet, sondern bei uns urban vor der Haustür.
Zudem hat es den Vorteil, dass Füchse und Marder nicht unwesentlich dazu beitragen, dass es im Stadtgebiet weniger Ratten und Mäuse gibt.
Eigentlich hält jeder Tag Kuriositäten bereit, das hängt natürlich mit unserem Job zusammen. Das ist der Fuchs der U-Bahn fährt, das Wildschwein, das an der Endhaltestelle des Busses steht und auf Futter hofft, bis hin zu Waschbären, die im großen Parkhaus am Alexanderplatz leben. Das Leben ist voller Kuriositäten und ich finde es immer wieder erstaunlich, dass wir Menschen völlig überrascht sind, wenn wir in einem für uns städtischen Bereich plötzlich die sogenannte Natur, zum Beispiel durch Waschbären in einem von uns geglaubten fremden Bereich vorfinden, an den sich die Tiere aber inzwischen angepasst haben. Dass ist für mich immer wieder lustig zu sehen, wie unaufmerksam wir durch die Landschaft laufen.
Natürlich können wir uns die Stadt teilen, sie ist auch groß genug, sie lässt Raum für alle. Man muss einfach darauf achten, dass man auch den Tieren einen Rückzugsraum lässt. Aber das besondere daran ist, dass Rückzugsräume für Füchse, Marder und Waschbären anders sind, als wie wir sie in Lehrbüchern kennengelernt haben. Der Fuchs von heute im Stadtgebiet braucht keinen Wald, sondern hat seinen Bau in ungenutzten Kellern oder Bauruinen oder unter Bau- und Wohncontainern, auf öffentlichen Spielplätzen, in Freibadanlagen und dergleichen mehr. Sie haben ihr Leben als Opportunisten/ Generalisten an uns angepasst. Deswegen dürfen wir aber nicht meinen, der Natur geht es viel besser und die Tierarten insgesamt erholen sich.
Es gibt unzählige Arten, die sich nicht anpassen können, denen wir permanent den Landschaftsraum nehmen und das ist kurioserweise nicht in der Stadt, sondern vor allem in der freien Landschaft der Fall. Es ist die intensive Agrarlandwirtschaft, die den meisten Tierarten zu schaffen macht. Es sieht zwar schön aus, wenn man durch die Landschaft läuft und der Raps blüht schön gelb, das ist aber für viele Tier- und Pflanzenarten ihr Todesurteil. Sie haben keine Überlebenschancen und man nimmt ihnen die gesamte Lebensgrundlage weg.
Eine Stadt als solches wie Berlin, Hamburg, München kann keine Arche Noah sei: Wir bieten ja auch nicht die Überlebenschancen wie eine Art Zoo für Tiere, die draußen nicht überleben können. Wir geben letztendlich nur den Arten Raum, die sich angepasst haben, die häufig vorkommen oder aber die bei uns einen Rückzugsraum gefunden haben.