Aus dem Print-Magazin
Biozyklisch-vegane Landwirtschaft

Äpfel der Zukunft

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Biozyklisch-vegane Landwirtschaft

Äpfel der Zukunft

Wer wünscht sie sich nicht, diese Welt ohne Tierleid? Um diese Utopie eines Tages erreichen zu können, braucht es neue Denkweisen und neue landwirtschaftliche Formen. Ein vielversprechender Ansatz ist der biozyklisch-vegane Anbau. Clemens Hund war der erste Landwirt in Deutschland, der auf diese Art der Landwirtschaft umgestellt hat, und ist damit hierzulande ein echter Vorreiter.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Um etwas zu verändern, braucht es ein Umdenken, neue Wege und Idealisten. Einer von ihnen ist Clemens Hund. Der Landwirt bewirtschaftet einen 18 Hektar großen Obsthof in der Nähe vom Bodensee und baut dort vorwiegend verschiedene Sorten Äpfel, aber auch Tafeltrauben, Wal- und Haselnüsse an. Auf seiner Plantage leben Fledermäuse, Dachse, Füchse und Rehe – sie alle bringen hier in der Nähe des angrenzenden Waldes ihren Nachwuchs zur Welt. „Dieses Jahr sind drei Bambis über die Plantage gesprungen – das sind wirklich sehr schöne Tiere. Und die Fuchsjungen haben immer oben auf dem Komposthaufen gesessen und mir zugeguckt, wenn ich vorbeigefahren bin. Die haben keine Angst vor mir, weil sie genau wissen: Der tut mir nichts“, erzählt Hund und berichtet darüber hinaus von Greifvögeln, Eulen, Schlangen, Fröschen und Kröten, die sich ebenfalls bei ihm auf dem Gelände tummeln. „Die ganzen Tiere kommen wieder und das ist schön.“

Clemens Hund gehört hierzulande zu den Vorreitern der biozyklisch-veganen Landwirtschaft.

Doch ihnen Unterschlupf zu bieten ist bei Weitem nicht das Einzige, was Hund für Tiere tut. Der Landwirt hat den bereits seit 100 Jahren existierenden Familienbetrieb von seinem Vater übernommen, ihn vor 22 Jahren auf bio und vor sechs Jahren auf biozyklisch-vegan umgestellt. Er ist der erste deutsche Landwirt, der diesen Weg gegangen ist, und damit Vorreiter einer Bewegung, die das Potenzial hat, eine Form der Landwirtschaft auf den Weg zu bringen, für die Hühner, Schweine, Rinder und Co. nicht weiter leiden müssen.

Anbau von Getreide, Obst und Gemüse eng mit tierhaltender Industrie verknüpft

Was viele Menschen nicht wissen, neben der Produktion von tierischen Lebensmitteln ist auch der Anbau von Getreide, Gemüse und Obst eng mit der tierhaltenden Industrie verknüpft. Denn sowohl in der konventionellen als auch ökologischen Landwirtschaft ist es Gang und Gäbe, mit verschiedensten tierischen Dünge- und Betriebsmitteln wie Gülle oder Mist und Schlachtabfällen zu arbeiten. Hund wollte genau das nicht weiter unterstützen. „Ich hatte immer das Gefühl, das Leid auf der ganzen Plantage zu verteilen.“

Obstanbau ganz ohne Tierleid

Es gab zwei Schlüsselerlebnisse, die den Landwirt zum Umdenken brachten. „Ich habe Hornspäne aus Indien bekommen, und da war noch ein halber Kuhkopf mit drin. Auch der Geruch von dem Zeug war ganz seltsam. Die trocknen die Hörner auf alten, brennenden Autoreifen. Die Späne ist dann behaftet von dem Rauch und riecht entsprechend“, so Hund. „Das zweite waren die Hühnerschnäbel. Sie müssen sich vorstellen, das ist so ein großer Sack mit 1.000 Kilogramm. Und wenn man den aufmacht, sieht man Millionen Hühnerschnäbel. Das hat mich schockiert, weil ich an jedes einzelne Huhn dachte, das seinen Schnabel hat lassen müssen. Und dann hat sich auch noch bewahrheitet, was ich befürchtet hatte: Die Schnäbel waren als biologisch und aus Italien stammend deklariert stammten aber tatsächlich aus Ungarn und Käfighaltung. Da habe ich gesagt: So, das geht nicht. Das darf einfach nicht sein. Ich will an diesem Tierleid nicht mehr mit schuld sein.“ Sein Düngemittellieferant musste sowohl die Hornspäne als auch die Hühnerschnäbel wieder abholen und bekam von Hund den Auftrag: „Such mir etwas Veganes, das funktioniert.“ Das Ergebnis waren unter anderem getrocknete Braunalgen aus Südfrankreich. „Wenn ich jetzt einen Sack aufmache, riecht es nicht mehr nach Autoreifen, sondern nach Meer. Das ist echt schön“, so Hund.

Es ist gar nicht schwierig, an vegane Düngemittel zu kommen

Darüber hinaus düngt der Landwirt heute mit pelletierten Resten von Bio-Brauereien. „Die sind nicht so gehaltvoll wie zum Beispiel Hühnerschnäbel, aber sehr natürlich und die Würmer lieben es. Sie schnappen sich sie regelrecht und sind ganz wild darauf.“ Interessanterweise war es gar nicht schwierig, an vegane Düngemittel zu kommen. „Das gibt es alles schon. Es ist nicht so, dass man das Rad neu erfinden muss. Aber man muss es halt machen.“ Gleichzeitig erzählt er, dass man mehr aufwenden und mehr rechnen muss, wenn man komplett auf pflanzlich umstellt. Statt einem Sack müsse er jetzt zwei Säcke Dünger auf gleicher Fläche verteilen, weil der Gehalt nicht so hoch sei. Zudem sei der pflanzliche Dünger etwa ein Drittel teurer. Aber das ist es Hund wert. „Jetzt habe ich ein besseres Gewissen.“ Am Ertrag ändere sich zudem nichts. „Es wird nicht schlechter, eher besser.“

Zurück zur Natur und zu altem Wissen

Darüber hinaus hat ihn die Umstellung automatisch dazu gebracht, auf altes Wissen zurückzugreifen. Vieles davon sei verloren gegangen, aber mit Engagement sei es möglich, wieder Methoden anzuwenden, die schon vor vielen Jahrzehnten funktioniert haben. „Ich arbeite zum Beispiel mit Grassilagen wie vor 100 Jahren. Das war schon damals üblich, denn da gab es noch keinen Kunstdünger. Die Menschen hatten keine Großtiereinheiten von 1.000 Kühen, sondern mussten Dünger aus dem machen, was da war“, so Hund. Der Vorteil: „Das Gras ist natürlich gewachsen, man braucht nicht viel Energie, um es herzustellen, und es ist optimal für den Boden. Der natürliche Kreislauf ist das Optimale. Es wird nirgends etwas weggenommen und du gibst es dem Boden direkt zurück. Da gibt es kein Ungleichgewicht und die Pflanzen lieben das.“ Gleichzeitig pflanzt er zum Beispiel weißen und roten Klee auf allen Jungplantagen an. Die zu den Leguminosen zählenden Pflanzen profitieren von der Symbiose mit Knöllchenbakterien, die Stickstoff aus der Luft binden und den Pflanzen in einer für sie nutzbaren Variante zur Verfügung stellen. Die Düngung muss also nicht zusätzlich künstlich zugeführt werden.

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Kampf gegen Windmühlen

Viele glauben, all das sei rückschrittlich. „Aber es ist eher andersherum. Mein Boden hat sich extrem erholt. Ich bin überall im optimalen Bereich“, sagt er. „Man geht ein bisschen zurück und wird manchmal ein bisschen belächelt, aber jetzt durch die höheren Düngerpreise lächeln manche nicht mehr. Sobald es ums Geld geht, ist es auch interessant für sie.“ Er erzählt, dass etwa die Hälfte seiner Berufskollegen es noch nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, was er macht. Auch die Banken seien eher dagegen. „Sie sagen: Wo bekommen Sie denn die Nährstoffe her, das ist ja noch ein größeres Risiko als bio, und Landwirtschaft ist schon ein Risiko. Lassen Sie das doch sein“, so Hund. „In der Diskussion mit Banken und Steuerberatern komme ich mir manchmal vor wie Don Quichote gegen Windmühlen. Die Windmühle dreht sich immer gleich. Und ich muss immer gleich erklären. Es ist nicht konform, wenn man nicht konform ist. Da muss etwas in den Köpfen passieren.“ Aber es gibt auch die anderen. „Die zweite Hälfte meiner Berufskollegen findet es gut, was ich mache, zwei Landwirte habe ich sogar vom biozyklisch-veganen Anbau überzeugt, sie wirtschaften bis heute auf diese Art und Weise.“ Er berichtet, dass die Dünger, die normalerweise verwendet werden, zu 90 Prozent mit Energie aus Öl, Gas oder Kohle verbunden sind. „Und wenn das wegfällt oder zu teuer wird, muss man sich etwas anderes überlegen. Es wird kommen, das Umdenken. Nicht aus Idealismus wie bei mir, sondern aus dem Geld heraus. Weil es irgendwann nicht mehr bezahlbar ist, wird das zwangsweise passieren.“

Investition in die Zukunft

Trotz mancher Widerstände ist Aufgeben für Hund keine Option. „Ich bereue die Umstellung überhaupt nicht. Es ist besser, es ist gut. Meinen Bäumen geht es gut und das ist die Hauptsache.“ Darüber hinaus sieht er sich auf Dauer im Vorteil, auch was den Klimawandel angeht. Allein, wenn man die Böden mit dem konventionellen Obstbau vergleiche. „Sie danken es dir auf Generationen. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht“, so Hund. „Wenn du es konventionell machst, haben die nächsten Generationen ein Problem. Wo das Herbizid die ganze Zeit draufgekommen ist, da wächst fast nichts mehr. Den Boden muss man dann tiefer bearbeiten und mit speziellem Dünger behandeln. Das finde ich traurig.“ Die Sichtweise der Konventionellen greift seiner Meinung nach zu kurz. „Sie sehen den geringen Vorteil jetzt, aber den großen Nachteil auf Dauer sehen sie nicht. Das ist schade, aber wahr.“ Hund hat im Gegensatz dazu nicht nur die Tiere in der Landwirtschaft im Blick, die er durch die Umstellung auf den biozyklisch-veganen Anbau schützt, sondern auch die Zukunft. Direkt auf der Plantage, auf der er jetzt schon zahlreiche Blühstreifen anlegt und diese in der Zukunft auf die gesamte Fläche ausweiten möchte, aber auch, was den daran angrenzenden Wald angeht. Er musste einen Hektar roden, weil die Bäume krank waren, und hat dann gemeinsam mit drei Familien 2.000 neue Bäume gepflanzt. „Da hat mein Steuerberater gesagt: Aber Herr Hund, das ist doch keine Investition, das kann man erst in 80 Jahren ernten. Da habe ich gesagt: Wenn alle so denken würden, wäre die Welt noch schlimmer. Ich habe sicher nichts davon, aber es ist trotzdem besser, wenn nicht alle nur daran denken, was für sie jetzt besser ist. Das ist falsch. Wir müssen noch länger von dem Boden leben. Und ich hoffe, dass die Generationen nach uns auch noch davon leben können.“

Weiterführende Informationen

  • Ein ausführliches Interview zu dieser Form der Landwirtschaft ohne Tierleid mit Alina Gieseke, Projektassistenz beim Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau, lesen Sie unter
    duunddastier.de/biozyklischvegan

Bildrechte: Artikelheader: Malchus Kern (Äpfel); Fotos: Malchus Kern (Porträt, Äpfel, Apfelsaft)