Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
„Wir wollen den Tieren doch nur helfen“, „So kommen die Kinder auch einmal in Berührung mit frei lebenden Tieren“ – viele Tierfreunde denken irrtümlicherweise so, wenn sie sich mit einer Tüte altem Brot auf den Weg machen. An Teichen, Seen oder Flüssen verbringen sie dann den Nachmittag damit, die örtlichen Enten oder Schwäne zu füttern – seit einigen Jahren kommen auch oftmals Nilgänse und Nutrias hinzu. Die Arten haben sich ähnlich wie Waschbären hierzulande etabliert. Weil sie ursprünglich nicht aus Europa stammen und als gefährlich für hiesige Tiere und Pflanzen gebrandmarkt werden, zählen sie zu den invasiven Arten (mehr dazu lesen Sie in der Printausgabe von DU UND DAS TIER 3/2022). Und wie die heimischen Tiere lassen sie sich locken, wenn Menschen jede Menge Brotreste an den Ufern der Gewässer verteilen. „Doch das schadet den Tieren eher, als es ihnen nützt“, warnt Denise Ritter, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Sie können anschließend etwa unter Verdauungsproblemen leiden, Futterreste belasten die Gewässer übermäßig und noch dazu verlieren Nilgänse, Nutrias und Co. ihre natürliche Scheu vor Menschen.
„Wenn diese Tiere sich an die Nähe zu uns gewöhnen, kommt es häufiger zu Konflikten“, berichtet Ritter. Regelmäßige Fütterungen locken zudem weitere Tiere an, die untereinander aggressiv werden können. Ihr Kot verschmutzt die Ufer und angrenzenden Park- oder Wiesenbereiche, was viele Menschen auf der Suche nach Entspannung stört. Darum ist es wichtig, sie nicht zu füttern und selbst Abstand zu halten. Die Expertin warnt davor, die Tiere streicheln zu wollen, sie einzuengen, in eine Ecke zu drängen oder sich zwischen Mutter– und Jungtier zu bewegen. „Auch Hundehalter sollten selbst friedliche und besonnene Tiere in der Nähe von Wildtieren immer anleinen. Sie können sich durch neugierige Hunde bedroht fühlen und sich schmerzhaft verteidigen.“
Egal, ob sie nun heimisch oder „gebietsfremd“ sind: Durch das richtige Verhalten gegenüber Tieren lassen sich Konflikte vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen. Das gilt auch für den Umgang mit Waschbären. „Ihnen bieten wir auf ihrer Futtersuche oft sehr leichte Beute und einfache Schlupflöcher, die erst dazu führen, dass die Tiere ins Haus gelangen und dort womöglich Schäden anrichten“, erläutert Ritter. Mietern und Hausbesitzern, die von Waschbären in der näheren Umgebung wissen, rät sie, Kompost und Küchenabfälle unzugänglich abzuschließen. „Sie können Mülltonnen beispielsweise durch Gestelle oder einen schweren Stein auf dem Deckel sichern.“ Ebenso sollten sie gelbe Säcke nicht bereits am Vorabend der Abholung an die Straße stellen.
Gartenbesitzer könnten Verlockungen beseitigen, indem sie Fallobst schnell einsammeln, reife Früchte frühzeitig ernten und Vogelfutter so anbieten, dass es wirklich nur für Vögel zu erreichen ist. Dazu eignet sich beispielsweise ein Futterhaus auf einem freistehenden, mindestens 1,5 Meter hohen Pfosten, den Gartenbesitzer mit einem Regenfallrohr umhüllen können, an dem Waschbären nicht hochklettern können. Und damit die erkundungsfreudigen Tiere draußen bleiben, wenn sie doch durch den Garten streifen, hilft es, eventuelle Katzenklappen per Chipsteuerung zu öffnen, den Schornstein oder Abfluss- und Fallrohre zu sichern und Übergänge von Bäumen auf Häuser oder Schuppen zurückzuschneiden. „Im Ernstfall können Hausbesitzer Regenrinnen und das Dach mit großen Blech- oder Acrylmanschetten ausstatten, damit die Tiere nicht hochklettern können“, sagt Ritter. Das ist zwar mit etwas Aufwand verbunden, hält die ungebetenen Gäste jedoch vor der Tür, verhindert größere Schäden und ermöglicht ein konfliktfreies Zusammenleben von Mensch und Tier.
Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – Karsten_VFXandEditing (Waschbär seitlich); Fotos: Pixabay – Helmut Stirnweis (Nilgans), Skala73 (Nutrias), Andrea Gibhardt (Waschbär frontal)