Autor: Frank Meuser, Geschäftsführer Politik beim Deutschen Tierschutzbund
Selten war ein Koalitionsvertrag dermaßen umfangreich und detailliert – das gilt ausdrücklich auch für Fragen des Tierschutzes. So enthält der Vertrag durchaus Punkte, die aus Tierschutzsicht voll und ganz zu unterstützen sind. Das längst überfällige Ende der Tötung männlicher Eintagsküken etwa oder das Verbot von nicht-kurativen Eingriffen am Tier. Auch das Bekenntnis der Politiker, die grausamen Tiertransporte in Drittstaaten strenger zu regulieren, ist ganz im Sinne des Tierschutzes. Das ist ein Erfolg und das verdient Lob.
Manche Vereinbarungen vermitteln jedoch ein Déjà-vu-Gefühl. Zum wiederholten Mal versprechen Union und SPD einen Tierschutz-TÜV, ein Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen. Der Deutsche Tierschutzbund erhofft sich von einem solchen TÜV, dass sich der Stallbau nicht mehr allein an den ökonomischen Ansprüchen der Hersteller und Betreiber orientiert, sondern auch auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt wird. Ein solcher bereits vor langer Zeit angekündigter Tierschutz-TÜV ist längst ausgearbeitet und hätte in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht werden können und sollen. Es bleibt daher abzuwarten, ob aus der erneuten Ankündigung dieses Mal Realität wird.
Auch das vom Deutschen Tierschutzbund schon seit Langem geforderte staatliche Tierwohllabel soll nun endlich etabliert werden. Doch zu welchen Bedingungen? Bringt dieses Label wirklich mehr Tierschutz in die Ställe und mehr Transparenz für den Verbraucher? Laut dem ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt liegt das Label schon seit längerer Zeit in der Schublade – genaue Details sind aber nach wie vor unbekannt. Vollmundig verspricht die neue Regierung zudem eine Nutztierstrategie, nachdem derartige Strategien in der Vergangenheit schon unter den Namen „Charta für Landwirtschaft“ oder „Kompetenzkreis Tierwohl“ firmierten und bis heute praktisch keinen Einfluss auf mehr Tierschutz in der Landwirtschaft hatten. Auch das Bekenntnis zu Alternativmethoden für Tierversuche findet sich erneut unter den Zielen, jedoch ohne konkrete Maßnahmen zu nennen.
Lesen praktische Tierschützer den Koalitionsvertrag, die tagtäglich im Tierschutzverein und Tierheim mit den großen Tierschutzproblemen rund um Heimtiere konfrontiert sind, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln. So heißt es darin: „Wir haben in verschiedenen Bereichen Herausforderungen im Tierschutz (Wildtier- und Exotenhaltung, Qualzuchten, Tierbörsen, Internet- und Versandhandel von lebenden Heimtieren, illegaler Welpenhandel, Situation der Tierheime und Heimtierzubehör). Das für Tierschutzfragen zuständige Ministerium wird bis zur Mitte der Legislaturperiode Vorschläge für konkrete Maßnahmen bis hin zu Verboten zur Verbesserung des Tierschutzes in diesen Bereichen vorlegen.“ In diesem Abschnitt werden zentrale Probleme des praktischen Tierschutzes vor Ort einfach in einer Klammer zusammengeworfen. Der praktische Tierschutz ist aber keine Resterampe – die schwerwiegenden Probleme und Missstände sind nicht mit ein paar Worten gelöst. Die finanzielle Misere der bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit belasteten Tierheime gehört nicht in eine Klammer am Ende des Tierschutzkapitels im Koalitionsvertrag, sondern direkt an dessen Anfang. Das Leid der Welpen, die illegal gehandelt werden, darf ebenso wenig als Fußnote abgehandelt werden wie die Qualzucht von Heimtieren und Tieren in der Landwirtschaft.
Darüber hinaus kündigt die neu aufgelegte Große Koalition Vorschläge für konkrete Maßnahmen erst bis zur Mitte der Legislaturperiode an. Als lägen die konkreten Lösungen nicht längst auf dem Tisch. Die öffentliche Hand muss endlich Geld für die Tierheime zur Verfügung stellen, da sie öffentliche Aufgaben erfüllen. Zudem ist auch eine Positivliste von Tieren, die gehalten werden dürfen, verbunden mit einem Sachkundenachweis vor Anschaffung der Tiere, längst überfällig. Nur so ist es möglich, die unkontrollierte Haltung von Exoten und Wildtieren zu unterbinden. Der Internethandel mit lebenden Tieren ist zu verbieten und es müssen endlich politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, um dem illegalen Welpenhandel mit schärferen Kontrollen und harten Strafen entgegentreten zu können. All das und einige Punkte mehr müssen jetzt in Angriff genommen werden und nicht erst 2020.
Für den Deutschen Tierschutzbund und die ihm angeschlossenen Landesverbände und Tierschutzvereine bleibt auch unter der neuen Bundesregierung viel zu tun. In den kommenden Jahren wird es die Aufgabe der Tierschützer sein, die Koalitionäre in die Pflicht zu nehmen, damit es den Tieren in Deutschland in vier Jahren deutlich besser geht als heute. Der Deutsche Tierschutzbund wird nicht müde werden, die Politiker tagtäglich an ihre Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe zu erinnern.