Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Wenn sich die Startboxen öffnen, rennen die Windhunde los, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Welt rechts und links vergessend, verfolgen die großen, grazilen Greyhounds nur ein Ziel: den künstlichen Hasen vor ihnen. Von einer technischen Vorrichtung geschleppt, zielt diese Attrappe auf den Hetztrieb der Hunde ab. Da Windhunde primär auf Sicht und nicht mit der Nase jagen, besteht der Hase oft nur aus einem Bündel Flatterband. Mit einem Tempo von bis zu über 70 Stundenkilometern schießen sie durch die Kurven.
Auf Begeisterung stößt diese Art von Hundesport bei Tierschützer*innen trotz aller Faszination für die Schnelligkeit der Hunde dennoch nicht. Hinter der strahlenden Renn-Atmosphäre stecken Machenschaften, die einen fassungslos machen, denn die Hunde sind wertlos, wenn sie nicht gewinnen – es geht ausschließlich um Erfolg und Geld. Die Windhunderennen finden vor allem in Großbritannien, Irland, Australien und den USA statt. Aber auch in Spanien und Südasien sind die Wettkämpfe beliebt. Alleine in den USA liegt der Umsatz bei rund drei Milliarden Dollar jährlich. Millionen Menschen zieht es jedes Jahr an die Rennbahnen – noch weitaus mehr Zuschauer*innen verfolgen die Wettkämpfe am Fernsehbildschirm.
„Die Greyhound-Industrie ist in Irland noch florierender als die der Pferderennen“, erzählt Natascha Wothke, zweite Vorsitzende des Vereins Pro Animale für Tiere in Not. Der Mitgliedsverein des Deutschen Tierschutzbundes setzt sich unter anderem für Greyhounds in Irland ein. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind kommerzielle Windhundrennen verboten. Auch das Wetten auf die Rennen im Ausland ist hierzulande nicht erlaubt – und das aus sehr gutem Grund.
„Nicht nur die Rennen selbst enden für die Hunde oft mit Verletzungen und Knochenbrüchen“, erzählt Dr. Katrin Umlauf, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Pro Animale und zahlreiche weitere Tierschutzorganisationen berichten auch vom massenhaften Sterben aussortierter Hunde. „Normalerweise landen die Greyhounds, die in den Rennen zu ‚Loosern‘ werden oder sich in einer anderen Weise nicht eignen, im Dog Pound und werden dort oft nach nur wenigen Stunden getötet“, erzählt Wothke. Die sogenannten Dog Pounds gleichen in Irland eher Tötungsstationen als Tierheimen.
Darüber hinaus gibt es Berichte darüber, dass Hunde ausgesetzt, vergiftet, an Bäumen aufgehängt, totgeschlagen oder ertränkt werden. Andere aussortierte Hunde dürfen zwar vorerst leben, werden dafür aber schamlos weiterverkauft. So landen viele Greyhounds, die in Irland nicht erfolgreich waren, in Spanien. „Nach einem strapaziösen Transport warten die Hunde oft stundenlang in großer Hitze auf ihren Einsatz in der Arena. Kaum oder nur unzureichend auf Krankheiten oder Verletzungen kontrolliert, müssen sie bei hohen Temperaturen erneut rennen“, so Dr. Umlauf.
„Die Tiere werden auf schlimmste Art und Weise verschlissen. Sie kommen auf der Rennbahn zu Tode oder werden sonstwie auf schreckliche Weise umgebracht“, ergänzt Wothke. Wie so oft müssen Tiere die menschliche Profitgier mit ihrem Leben bezahlen.
Ursprünglich begleiteten Greyhounds den britischen Adel bei der Jagd – als Elite unter den Hunderassen galten sie als Statussymbol. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die modernen Hunderennen aufkamen, degradierten die Menschen sie schnell zum Sportgerät. „Im Großen und Ganzen ist der Greyhound in Irland kein Haustier, sondern hat den Status eines sogenannten Nutztiers“, so Wothke. Heute leben die Hunde in gewerbsmäßig betriebenen Rennställen. Dort vegetieren sie meist in kleinen Käfigen vor sich hin und müssen ständig Maulkörbe tragen.
„Die Hunde werden auf brutalste Art und Weise abgerichtet – das ist wirklich ganz dramatisch“, sagt Wothke. Von Erfolgsdruck und Gewinnsucht angetrieben, greifen viele Besitzer zu Dopingmitteln oder lassen die Tiere vor den Rennen hungern. Nichts bleibt unversucht, damit die Tiere noch ein bisschen schneller rennen. Auch in der Zucht sind die Hunde nichts anderes als Gebärmaschinen. Bis Juni 1998 subventionierte die EU sogar die Massenproduktion von Greyhounds in Irland. „Gemeinsam mit Pro Animale und anderen Tierschutzorganisationen ist es uns mit Protestaktionen und Unterschriftaktionen gelungen, die EU-Subventionen für die Greyhoundzucht abzuschaffen“, sagt Dr. Umlauf.
Doch nicht nur die Greyhounds leiden. In vielen Ländern ist es nach wie vor üblich, die Hunde mit Lebendködern zu trainieren. Australien ist aktuell ein Beispiel dafür, dass das nicht nur Tierschützer*innen an Herz und Nieren geht. Nachdem Reporter*innen eines australischen TV-Magazins mit versteckter Kamera schreiende Ferkel und Kaninchen gefilmt hatten, die als lebende Beute über die Rennbahn gezogen wurden, ging die Öffentlichkeit auf die Barrikaden. Eine Kommission einer australischen Behörde kam nach anschließender Ermittlungsarbeit zu dem Ergebnis, dass Tierquälerei in der Szene derart verbreitet sei, dass sie nicht mehr reguliert werden könne. Unter anderem sollen in zwölf Jahren 72.000 Welpen und erwachsene Hunde getötet worden sein.
Der Bundesstaat New South Wales hat die Zucht, das Training und die Rennen mit Windhunden daraufhin verboten – das Gesetz trat am 1. Juli 2017 in Kraft. Auch in den USA regt sich Widerstand: Arizona ist der 40. Bundesstaat, der die Rennen verboten hat. „Kritik gibt es auch in Irland. Aber ein Trend, dass die Rennen dort eingestellt werden, sehe ich leider nicht. Man muss natürlich immer weiter kämpfen, das ist fraglos“, so Wothke.
Tierschützer*innen retten zahlreiche ausgediente Greyhounds vor dem Tod und vermitteln sie in verantwortungsvolle Hände. Doch die Vermittlung ist nicht immer einfach. „Greyhounds haben in Irland einen anderen Status als andere Hunde. Das Bewusstsein hat sich schon ein bisschen verändert, aber ein Greyhound ist dort für Rennen gedacht“, so Wothke.
In Deutschland veranstalten Vereine Windhunderennen auf Amateurebene. Neben Greyhounds kommen hier auch Afghanen, Galgos, Podencos und Hunde anderer Rassen zum Einsatz. „Aus Sicht des Tierschutzes ist Sport mit Hunden dann vertretbar, wenn das Wohl der Tiere im Vordergrund steht“, sagt Dr. Umlauf. Generell entspricht das schnelle Laufen durchaus dem rassetypischen Bewegungsbedürfnis der Windhunde.
„Solange die Tiere nicht überfordert werden, sie die Leistung freiwillig erbringen und Haltung und Training tiergerecht sind, sind diese Veranstaltungen nicht grundsätzlich abzulehnen“, so Dr. Umlauf weiter. Kommen jedoch hohe Gewinnsummen hinzu und missbrauchen Menschen die Hunde ausschließlich als Rennmaschinen, ist die Grenze zur Tierqual eindeutig überschritten.