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„Über 500 Tieren konnten wir in 15 Jahren Vereinsarbeit helfen“

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„Über 500 Tieren konnten wir in 15 Jahren Vereinsarbeit helfen“

Wenn die Besitzer von Eseln und Mulis ihre Schützlinge aus privaten Notlagen oder aus Zeitmangel nicht mehr halten können, springt die Noteselhilfe aus Nechern in Sachsen ein. Seit 2006 nimmt der Verein in Not geratene Tiere über Pflegestellen auf und versorgt sie bis zu ihrer Vermittlung. DU UND DAS TIER hat mit der Vorsitzenden Heike Wulke gesprochen.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Heike Wulke, Vorsitzende des Vereins Noteselhilfe.

Frau Wulke, wie viele Esel und Mulis versorgen Sie derzeit?

Heike Wulke: Zurzeit werden 31 Esel und Maultiere in 19 Pflegestellen deutschlandweit versorgt. Insgesamt stehen uns für die Aufnahme und Pflege von Tieren 41 Pflegestellen zur Verfügung.

Aus welchen Gründen werden die Tiere zu Ihnen gebracht und was sind die häufigsten Abgabegründe?

Wulke: Viele der Tiere werden abgegeben, weil die Besitzer sie aus Gesundheits- oder Altersgründen nicht mehr versorgen können oder der Eselpartner verstorben ist und der verbliebene Esel nicht allein gehalten werden kann. Immer öfter nehmen wir jedoch auch kranke Tiere auf, deren Krankheitsursachen in der falschen Haltung und/oder Fütterung begründet sind. Einen Teil der Tiere haben Veterinärämter beschlagnahmt.

Wie helfen Sie den Eseln und Mulis und was gehört alles zu Ihrer Arbeit?

Wulke: Der größte Teil unserer Arbeit besteht in der Aufnahme und Pflege von Eseln und Mulis, um sie anschließend in artgerechte Haltungen vermitteln zu können. Über 500 Tieren konnten wir auf diese Weise in 15 Jahren Vereinsarbeit helfen.

Wir beraten Menschen, die sich für Esel interessieren, wie sie artgerechte Haltungsbedingungen schaffen und leisten auch bei speziellen Problemen vor Ort Hilfestellung. Jährlich erreichen uns bis zu 20 Anzeigen bezüglich nicht artgerechter Eselhaltung. In Gesprächen mit den betroffenen Haltern suchen wir dann gemeinsam nach Lösungen. Führen diese zu keinem Ergebnis, erstatten wir Anzeige bei den zuständigen Behörden und unterstützen die Veterinärämter fachlich bei ihrer Arbeit.

Bei allen Menschen, die sich für unsere Vermittlungstiere bewerben, führen wir zudem Vor-Ort-Besuche durch. Mit den Haltern unserer vermittelten Tiere bleiben wir ein Leben lang in Kontakt.

Wie viele Esel und Mulis werden denn hierzulande gehalten?

Wulke: Die Eselpopulation in Deutschland wird auf circa 12.000 geschätzt. Da aber nach wie vor ein großer Teil der Esel nicht registriert ist, gibt es keine genauen Zahlen. Über die Zahl der Maultiere können wir leider keine Aussagen treffen – sie dürfte aber nicht über 1.000 liegen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Esel- und Mulihaltung und welche Tierschutzprobleme treten am häufigsten auf?

Wulke: Esel sind Wüstentiere und stammen somit aus Gebieten mit sehr karger Nahrung und trockenen Böden. Derartige Haltungsbedingungen findet man kaum in Deutschland und so müssen Halter diese erst mit viel Aufwand schaffen. Generell brauchen die Tiere einen trockenen, möglichst grasfreien Auslauf, einen Stall, der immer zur Verfügung steht, kräuterreiches und zuckerarmes Heu und Stroh. Als Herdentiere müssen sie mindestens zu zweit gehalten werden.

Leider werden sehr viele Esel völlig allein oder einzeln in artfremden Herden wie zum Beispiel mit Schafen, Ziegen oder Pferden gehalten. Aufgrund eines völlig anderen Sozial- und Fressverhaltens kommt es somit sehr häufig zu massiven Erkrankungen und auch psychischen Schäden. Häufig sind die Ausläufe und Ställe viel zu klein, Ställe zum Teil gar nicht vorhanden. Circa 80 Prozent der Esel aus Tierschutzfällen sind viel zu fett und leiden unter verschiedenen Stoffwechselerkrankungen, wie zum Beispiel Hufrehe und dem Equinen Metabolischen Syndrom (EMS). Mangelnde medizinische Versorgung führt unter anderem zu starkem Parasitenbefall oder auch Zahnproblemen, sodass die Tiere nicht mehr in der Lage sind, überhaupt ausreichend Nahrung aufzunehmen.

Ein weiteres großes Problem ist der Einsatz von Eseln als Herdenschutztiere gegen die Wölfe. Meist werden sie allein in Schafherden auf viel zu nährstoffreichen Wiesen oder ohne Witterungsschutz gehalten. Die Esel sind dann oft physisch und psychisch so krank, dass die Pflege in aller Regel extrem zeit- und kostenaufwendig, aber auch sehr langwierig ist.

DIE TIERE BRAUCHEN SIE

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Gibt es auch viele unseriöse Züchter und Händler, auf die angehende Halter hereinfallen?

Wulke: Wie bei jeder Tierart gibt es auch unter den Eselzüchtern und -händlern „schwarze Schafe“. Viele Vermehrer achten bei ihrer „Zucht“ weder auf Anatomie noch Gesundheit und produzieren so die Tierschutzfälle von morgen. Zudem holen viele Händler Esel aus Süd- und Osteuropa, die mit einigen Vorerkrankungen belastet sind und zudem mit unseren klimatischen Bedingungen nicht zurechtkommen. Auf die Besitzer kommen oft extrem hohe Tierarztkosten zu, die kaum zu stemmen sind. Auch diese Tiere werden dann häufig an uns abgegeben.

Worauf achten Sie bei der Vermittlung? Welche Voraussetzungen sollten (angehende) Halterinnen und Halter erfüllen?

Wulke: Eine Voraussetzung, um Tiere von uns zu erhalten, sind entsprechende Haltungsbedingungen. Diese sind in den „Empfehlungen zur Haltung von Eseln“ des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgeführt. Die angehenden Halter sollten zumindest über Grundkenntnisse über die Haltung, die Fütterung und den Umgang mit Eseln verfügen. Wir führen vor einer möglichen Vermittlung Vor-Ort-Besuche durch sowie mehrere Gespräche, um zum einen die Eignung zu prüfen, zum anderen aber auch die passenden Tiere zu vermitteln. Auch ein eselerfahrener Tierarzt und Hufpfleger sollte in der Nähe sein.

Was macht Esel und Mulis Ihrer Meinung nach so liebenswert?

Wulke: Esel sind sehr sanftmütige Tiere, die bei entsprechender Ausbildung eine sehr enge Bindung mit Menschen eingehen. In vielen Situationen reagieren sie sehr ruhig und gelassen und sind daher insbesondere auch für Kinder geeignet und vermitteln emotionale Sicherheit. Sie genießen die Nähe der Menschen und besonders die Streicheleinheiten. Dabei strahlen sie nicht nur Ruhe aus, sondern übertragen diese auf die Menschen.

Mulis sind in der Regel noch sensibler als Esel. Ihre Ausbildung erfordert von den Menschen sehr viel Zeit, Liebe, Konsequenz und Selbstkontrolle. Mit einem gut ausgebildeten Muli hat der Mensch einen Freund fürs Leben.

Vielen Dank für das Gespräch.