Immer mit der Ruhe

Hinter den Kulissen

Immer mit der Ruhe

Seit Jahrtausenden sind Esel treue Begleiter des Menschen. Auch wenn sie als stur gelten, hat dieses Verhalten weitaus mehr zu bedeuten als reine Dickköpfigkeit – wir müssen nur lernen, die Sprache dieser klugen und sensiblen Tiere richtig zu deuten.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

In manchen Regionen dieser Welt müssen Esel als Tourismusattraktionen herhalten und oft zu schwere Personen transportieren.

Sie haben den Ruf, störrisch zu sein, dabei sind sie so viel mehr: intelligent, einfühlsam, aufmerksam und einfach liebenswert. Esel begleiten uns Menschen seit Jahrtausenden – schon 4.000 vor Christus wurden in Nordafrika Wildesel domestiziert. Von da an sind die Tiere für Menschen eine große Unterstützung gewesen, da sie vor allem als Packesel und Lastentiere schwere Arbeiten verrichteten, seit jeher als sehr genügsam gelten und auch unwegsame Gelände gut überwinden können. Auch heute noch kommen sie insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern als Arbeits- und Tragtiere zum Einsatz. In Deutschland hingegen werden Esel meistens für Freizeitaktivitäten gehalten, zum Beispiel als Streichel-, Wander- oder Beistelltiere, etwa für Pferde. Wer diesen Tieren begegnet, muss sie einfach mögen und sich in ihre langen Ohren, ihr flauschiges Fell und ihre großen Augen verlieben. Doch wo Esel gehalten werden, entstehen leider oft auch Tierschutzprobleme – und das überall auf der Welt.

Große Unterschiede zwischen Eseln und Pferden

„Kommen Esel als Transport-, Zug- und Reittiere zum Einsatz, werden sie sehr häufig tierschutzwidrig gehalten und behandelt – entweder weil das Wissen beim Besitzer oder aber die Mittel für geeignetes Futter, Wasser, eine passende Ausrüstung und die medizinische Versorgung fehlen“, schildert Andrea Mihali, Leiterin der Abteilung für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. So fristen viele von ihnen in vielen Teilen dieser Welt immer noch ein elendes Dasein und ertragen stumm ihre Last. In manchen Regionen müssen Esel zudem als Tourismusattraktion herhalten und oft zu schwere Personen transportieren, obwohl ihr Rücken nicht dafür gebaut ist. Für die Tiere ist das eine Tortur. Doch wir müssen gar nicht weit schauen, um Probleme im Umgang mit Eseln zu entdecken: „Hierzulande werden die Tiere beispielsweise meistens wie Pferde gehalten und behandelt, obwohl es zahlreiche Unterschiede zwischen diesen Tierarten gibt“, so Mihali. Das fängt damit an, dass sie eine ganz andere Sprache sprechen – während Pferde wiehern, geben Esel ihre unverkennbaren „I-Ah“-Schreie von sich. „Wenn ein Zusammenleben dieser Tiere funktionieren soll, brauchen sowohl Pferde als auch Esel jeweils mindestens einen Artgenossen als Sozialpartner.“

Der großgewachsene Poitou-Esel ist eine alte Zuchtrasse, die nach einem französischen Gebiet benannt ist und zotteliges, langes Fell hat.

Anderes Futter

Außerdem benötigen Esel neben einer intensiveren Hufpflege und -kontrolle auch anderes Futter als Pferde. Da sie ihre rohfaserreiche Nahrung ausgezeichnet verwerten können, benötigen sie allgemein weniger Energie und sind somit perfekt an trockene Regionen angepasst. Zurückzuführen ist das auf das ursprüngliche Verbreitungsgebiet von Hauseseln, die von dem Afrikanischen Wildesel abstammen – ein kleiner Bestand von ihnen lebt auch heute noch in den kargen Steinwüsten von Äthiopien, Eritrea und Somalia. „Esel brauchen deshalb im Vergleich zum Pferd unbedingt Stroh als Basis ihrer Ernährung, damit sie ihren Bedarf an Rohfasern decken können“, sagt Mihali. „Bei Pferden würde das eine Verstopfungskolik auslösen. Wenn Esel das gleiche Futter bekommen wie in der konventionellen Pferdehaltung üblich, also vorwiegend Heu und Kraftfutter fressen, werden sie übergewichtig. Auch die Weiden sind hierzulande oft zu nährstoffreich, um sie als Futtergrundlage nutzen zu können.“ Deshalb ist es besser, wenn sich Esel nicht dauerhaft auf üppig bewachsenen Weiden aufhalten, sondern auf Flächen, die zum Beispiel vorher schon andere Weidetiere abgegrast haben oder die befestigt sind.

Auch wenn Esel grundsätzlich
als widerstandsfähig gelten,
reagieren sie sehr empfindlich
auf Veränderungen.

Während die Tiere mit all ihren Fähigkeiten wunderbar für eine trockene Umwelt gewappnet sind, bereitet ihnen das Wetter in unseren Breitengraden Probleme. So reagieren sie sehr sensibel auf Regen, Wind und Schnee und frieren schneller. Denn ihr Fell ist weniger wasserabweisend – die Nässe kann dann bis auf die Haut dringen, sodass die Tiere auch anfälliger für Parasiten und Hautpilze sind. Ihre Hufe sind ebenfalls sehr empfindlich auf können, wenn es ihnen zu ungemütlich wird, sollten Halter ihnen unbedingt einen geschützten, trockenen Unterstand zur Verfügung stellen. Neben diesem Schutz brauchen sie zudem genügend Platz, um sich viel frei bewegen zu können. In der Natur legen Esel täglich etwa 20 Kilometer zurück, um nach Nahrung wie Gras, Laub und Ästen zu suchen. Selbst wenn sie genügend Futter finden, bleibt dieses angeborene Bedürfnis nach ständiger Fortbewegung bestehen und ist für ihre psychische und physische Gesundheit sehr wichtig. „Daher sollten Esel in menschlicher Obhut am besten in Offenställen mit angeschlossenem Auslauf leben“, so Mihali.

Die Eselsprache richtig deuten

Normalerweise leben Esel nicht in großen Herden, sondern in kleinen Familiengruppen bestehend aus Eselpaaren oder einer Eselmutter mit ihren Töchtern. Eselhengste verhalten sich hingegen sehr territorial und verteidigen ihr Revier vehement. In Herden kann das zu Konflikten führen – aus gutem Grund verlassen sie in freier Wildbahn ihre Familie, sobald sie geschlechtsreif sind, und leben als Einzelgänger. Der Umgang untereinander ist bei Eseln jedoch kein angeborener Instinkt – sie müssen erst lernen, wie sie sich gegenüber Artgenossen verhalten und mit ihnen kommunizieren. „Wächst ein Esel isoliert auf, hat er große Schwierigkeiten, sich in eine Haltung mit mehreren Artgenossen einzufinden, da er die ‚Eselsprache‘ nie erlernt hat“, erläutert Mihali. Auch wir Menschen müssen erst lernen, die Sprache der Tiere richtig zu deuten. Allgemein gilt: Wenn Halter möchten, dass die Esel mit ihnen kooperieren, erreichen sie mit Geduld und Belohnung deutlich mehr bei den überaus einfühlsamen und intelligenten Tieren. Wer sie hingegen zu etwas zwingen oder dressieren will, kommt nicht weit und baut ganz sicher kein Vertrauen auf. Denn sie haben ihren eigenen Kopf und lassen sich nicht unter Druck setzen – daher auch der besagte Ruf, sie seien störrisch. Wenn Esel wie angewurzelt stehen bleiben, ist das jedoch kein Zeichen von Sturheit, wie viele fälschlicherweise denken. Vielmehr ist das die eseltypische Antwort auf etwas, was sie als potenzielle Gefahr sehen. Denn anders als Pferde, die in solchen Situationen eher flüchten, bleiben Esel stehen, wägen ab und beobachten scheinbar gelassen die Lage. Sie können aber auch aggressiv angreifen und zum Beispiel beißen oder mit den Vorderhufen treten, etwa wenn fremde Tiere in ihr Territorium eindringen.

„Über 500 Tieren konnten wir in 15 Jahren Vereinsarbeit helfen“

Lesen Sie ein Interview mit dem Verein Noteselhilfe, der es sich zur
Aufgabe gemacht hat, schnelle Hilfe für Esel und Mulis in Not zu leisten. Mehr.

Widerstandsfähig und sensibel zugleich

Generell kann dieses stoische Verhalten auch ein Zeichen für Stress, Schmerzen oder Krankheiten sein und auf schlechte Haltungsbedingungen hinweisen. „In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ist das ihre ursprüngliche Überlebensstrategie: Esel wollen bis zum bitteren Ende keinesfalls zeigen, dass sie schwach oder krank sind, damit mögliche Beutegreifer sie nicht aus ihrer Gruppe heraustreiben und angreifen“, sagt Mihali. Dabei sind sie meist so überzeugend, dass auch ihre Halter oft erst sehr spät feststellen, wenn es ihren Tieren nicht gut geht. Und obwohl Esel grundsätzlich als widerstandsfähig gelten, reagieren sie zugleich sehr sensibel auf Veränderungen, etwa wenn sie von ihrem Partnertier getrennt werden, sie transportiert oder tierärztlich untersucht werden. „Eine Folge kann sein, dass die Tiere weniger fressen, sodass es zu Stoffwechselproblemen und somit sogar bis zu einem Organversagen kommen kann“, so Mihali. Wenn die Tiere also subtile, scheinbar harmlose Symptome zeigen und zum Beispiel weder Appetit haben noch Lust, sich zu bewegen, sollten Halter dies unbedingt als Notfall werten und direkt einen Tierarzt rufen. Wenn Besitzer aber die Bedürfnisse ihrer eigenwilligen und zugleich liebenswerten Tiere im Blick behalten und ihnen möglichst artgerechte Haltungsbedingungen bieten, können Esel ein langes Leben genießen und bis zu 45 Jahren alt werden.

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