Autor: Nadia Wattad, Redaktion DU UND DAS TIER
Nun ist es doch ungemütlich kalt und nass geworden, allzu lange möchten sich weder Mensch noch Haustier freiwillig draußen aufhalten. Trotzdem ist es auch im Winter an der Tagesordnung, dass Tiere ausgesetzt werden oder ausgebüxen. Ein Tierfreund findet es im besten Fall, bevor es erfroren, verhungert oder verdurstet ist, und bringt es ins Tierheim. Dort findet es ein warmes Plätzchen, genügend Futter und Menschen, die sich liebevoll um das Fundtier kümmern.
Doch wer kümmert sich eigentlich um die Tierheime? Der Staat schon mal nicht – zumindest nicht ausreichend, denn die mangelnde Fundtierfinanzierung treibt die meist von gemeinnützigen Tierschutzvereinen betriebenen Tierheime bis in den Ruin. Der Tierschutz ist abhängig von planbaren Einnahmen. Mit der Aufnahme von Fundtieren übernehmen die Tierheime kommunale Pflichtaufgaben und haben somit einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten. Darüber hinaus beraten und vermitteln sie bei Tierschutzproblemen. Leider nehmen das viele als völlig selbstverständlich hin. Der laufende Betrieb der Tierheime ist mit hohen Kosten verbunden. Dazu zählen vor allem Tierarztkosten, aber auch sonstige Personalkosten, die Kosten für Abfall, Strom, Heizung, Tierfutter und vieles mehr.
Wichtig wäre eine bundesweit einheitliche Regelung für die Erstattung der Kosten von Fundtieren. Die Kostenerstattung muss sich an dem tatsächlichen Aufwand ausrichten. Um ihre Existenz zu sichern, brauchen die Tierheime Planungssicherheit. Auch Sabina Gassner vom Tierheim Augsburg stellt konkrete Forderungen an die Politik: „Die Tierheime müssen als öffentliche Einrichtung anerkannt und kostendeckend finanziert werden. Die Tierschutzvereine bleiben auf vielen Problemen sitzen. Würden uns beispielsweise die Einnahmen aus der Hundesteuer zugutekommen, dann könnten wir kostendeckend arbeiten.“
Bianca Mai vom Tierschutzverein Heinsberg ist derzeit im Gespräch mit der zuständigen Kommune: „Wir möchten eine Jahrespauschale von 180.000 Euro. Die Tagesabrechnungen funktionieren schon lange nicht mehr.“ Bei einer tagesaktuellen Abrechnung erstellt das Tierheim für jedes einzelne Tier eine eigene Rechnung über zu übernehmende Leistungen. Das ist natürlich mit großem bürokratischen Aufwand verbunden, denn die Tierheime müssen jede einzelne Kommune unter Vorlage der konkreten Kosten anschreiben. Zudem versuchen viele Kommunen, die Zahlung auf vier Wochen zu begrenzen, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gibt.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) müssten die Kommunen bis zu sechs Monate für den Unterhalt der Tiere aufkommen – das passiert aber vielfach nicht. Praktisch sind damit viele Tiere länger im Tierheim, als der Zeitraum der vertraglich zugesagten Kostenübernahme. Laut Frau Mai hänge die Anzahl der Tiere auch ganz von den Stoßzeiten ab. Mal kämen mehr, mal weniger Tiere – das Tierheim muss jedoch immer den Betrieb sicherstellen, egal, wie viele Tiere zu versorgen sind. Bei Einzelabrechnungen wird jedoch in der Regel keine Vorab-Kostenübernahme für den laufenden Betrieb übernommen, das Tierheim muss in Vorleistung gehen. Daher sei eine gewisse Vorauszahlung sinnvoll. Häufig wird diese in Form einer Pauschale bezahlt, die auf Grundlage der zu erwartenden Fundtierzahlen erstellt wird und gegebenenfalls am Ende des Jahres an die genauen entstandenen Kosten anzupassen ist.
Die freie Verwendung der Mittel ist ein wichtiger Grundsatz für gemeinnützige Vereine. Insbesondere sollten die Tierheime Spendengelder und Erbschaften dafür einsetzen können, wofür sie vorgesehen sind – nämlich für Tierschutzaufgaben, für die keine staatliche Stelle zuständig ist. Dies ist aber nicht der Fall. Wenn aus der Aufnahme von Fundtieren Verluste entstehen, subventioniert das Tierheim sozusagen mit den von Tierfreunden eingeworbenen Mitteln die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe. Damit fehlt Geld für wichtige Investitionen.
Da noch nicht einmal die Kosten für den täglichen Betrieb sichergestellt sind, ist beispielsweise auch kein Geld mehr da, um alte Gebäudestrukturen zu verbessern oder zu sanieren. Darunter leidet der Tierschutzverein Heinsberg besonders. Die veralteten Gebäude erfüllen schon lange nicht mehr ihren Zweck. Am wichtigsten wäre ein neues Nebengebäude mit einer Quarantäne- und Krankenstation für alle Tierarten. Das Modell dafür steht bereits, die Finanzierung jedoch nicht. Mit dem Problem einer alten Bausubstanz, die den heutigen Anforderungen, Tiere tierschutzgerecht unterzubringen, nicht mehr gerecht wird, steht der Verein exemplarisch für viele Tierheime. Ohne finanzielle Unterstützung ist die Durchführung eines so kostenintensiven Projekts kaum möglich.
Hier sind auch die Kommunen und Landkreise gefordert – denn schließlich erbringen die Tierheime rund 80 Prozent der Leistungen im Auftrag der öffentlichen Hand. Die zuständigen Stellen übernehmen tatsächlich nur rund 20 Prozent der Kosten.
Tierheime müssen schnell reagieren können und brauchen für Notfälle auch finanzielle Rücklagen. Im Zuge von Tierschutzfällen, wie beispielsweise Animal Hoarding, müssen Tierheime häufig viele Tiere auf einmal aufnehmen. Zwar können die Vereine in solchen Fällen die Aufnahme der Tiere verweigern, etwa wenn die Aufnahmekapazität des Tierheims bereits überschritten ist oder Tiere wie beispielsweise Reptilien aufgenommen werden müssten, für die keine Sachkunde vorliegt.
Dennoch: Die meisten Tierschützer sehen es als ihre Pflicht an, diesen armen, hilflosen Wesen zu helfen und ihnen zumindest vorübergehend Obhut zu geben und sie zu versorgen. Auch die Tierheimleitung des Kreistierheims Donaueschingen erinnert sich an einen Fall von Animal Hoarding: „Diesmal waren es Farb- und Wüstenrennmäuse, Kaninchen und Ratten. Glücklicherweise konnten wir uns auf die 81 Tiere vorbereiten, da uns das Veterinäramt rechtzeitig informiert hat. Schlimmer ist es, wenn man nicht weiß, was auf einen zukommt“, so die Tierheimleitung des Kreistierheims Donaueschingen.
Ein größeres Problem seien Hunde oder Katzen, da diese mehr Platz in Anspruch nehmen und häufig auch Welpen unter den beschlagnahmten Tieren sind. „Diese müssen ja auch versorgt werden, das ist sehr zeitaufwendig. Außerdem ist es generell schwierig, viele Hunde aufnehmen zu müssen. Die Quarantäne und Beschäftigung ist ein Problem“, so die Tierheimleitung weiter. Doch nicht nur die investierte Zeit, sondern auch die damit verbundenen Kosten sind immens. Allein im Jahr 2014 gab es bundesweit mindestens 49 Fälle von Animal Hoarding. Für die Tierheime bedeutete das, mehr als 2.500 Tiere aus schlechter Haltung zusätzlich aufzunehmen.
Ein weiteres Problem für die Tierheime sind die frei lebenden unkastrierten Katzen. Bei diesen handelt es sich ursprünglich um Hauskatzen, die nicht mehr von Menschen gehalten wurden, und ihre Nachkommen, die in ihrer Prägephase nicht auf den Menschen sozialisiert wurden. Die Tiere schlagen sich mehr schlecht als recht selbstständig durch. Viele hungern oder sind krank. Immer wieder kommt es vor, dass besorgte Bürger Tierschützer auf solche Katzen aufmerksam machen.
Auch das Tierheim Donaueschingen ist eine Anlaufstelle für inzwischen sehr viele solcher frei lebenden Katzen geworden, die aufgrund ihres fehlenden Zutrauens zu Menschen nicht vermittelbar sind. Viele dieser Tiere sind allerdings krank. Damit ist eine sofortige Kastration nicht möglich, sondern die medizinische Versorgung steht hier an erster Stelle. Dies belastet die Kapazitäten des Tierheims weiter. Vor fast unlösbare Schwierigkeiten stellt die Tierheime jedoch die Betreuung von Katzenwelpen. „Eine flächendeckende Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht wäre sehr wichtig. Damit könnte man das Problem der unkontrollierten Vermehrung abmildern und es würden viel weniger Nachkommen frei lebender Katzen in den Tierheimen landen“, findet auch Ingrid Günkel, Pressesprecherin des Tierhilfevereins Keller-Ranch in Weiterstadt.
Der Deutsche Tierschutzbund kämpft schon seit vielen Jahren für flächendeckende Katzenkastrationen. Mit einem landesweiten Kastrationsprojekt in Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium konnte schon viel erreicht werden. Am Ende des letzten Aktionszeitraumes war das ursprüngliche Ziel, 5.000 Katzen zu kastrieren, zu chippen und im Deutschen Haustierregister zu registrieren mit fast 7.000 Katzen weit überschritten worden, was den Bedarf solcher Aktionen nur zu gut darstellt. Auch im Tierheim Augsburg wünscht man sich mehr Unterstützung vonseiten der Politik für eine Registrierungspflicht von Katzen. „Für die Tierheime stellt die Aufnahme der Katzen eine große Belastung dar. Mit einer Registrier- und Kennzeichnungspflicht würde der Tierhalter mehr in die Pflicht genommen“, so Sabina Gassner vom Tierschutzverein Augsburg.
Der Deutsche Tierschutzbund unterstützt Tierheime im Notfall mit Geldern aus dem Feuerwehrfonds. Wie Sie die Tierheime unterstützen können, lesen Sie im untenstehenden Link.
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