Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Anders als „langsam“, „gemütlich“ oder „entschleunigt“ ist der Begriff „lahm“ von vornherein negativ besetzt. In der Landwirtschaft ist er sogar mit starken Schmerzen und ernstzunehmenden Qualen verknüpft. Denn Rinder beispielsweise beginnen zu lahmen, wenn Landwirtinnen und Landwirte ihre Klauen nicht richtig pflegen und schneiden lassen oder auf Verletzungen und Schäden überprüfen. Dann verändert sich ihr Gang. Die Kühe entlasten die schmerzende Klaue, humpeln, trippeln oder krümmen ihren Rücken. Solche Lahmheiten sind in der Milchkuhhaltung noch immer allgegenwärtig. Die Milchkuhbetriebe, die nach den Richtlinien des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes zertifiziert sind, erfüllen jedoch nicht nur höhere Anforderungen für eine tiergerechtere Haltung als in konventionellen Betrieben. Sie erfassen auch regelmäßig sogenannte Tierbezogene Kriterien. Dazu zählt, wie verschmutzt Tiere sind, ob einige von ihnen Verletzungen oder haarlose Stellen haben oder eben unter Klauenproblemen leiden. „Indem die Halter*innen dies regelmäßig selbst erfassen, werden sie sensibilisiert für Aspekte der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere. Sie nehmen ihre Herde bewusster wahr“, berichtet Dr. Miriam Goldschalt, Beraterin für Rinderhaltung beim Tierschutzlabel. Das Labelteam und externe Expert*innen unterstützen sie dabei, etwa durch Klauenpflegekurse. Jüngst haben sie in Zusammenarbeit mit der Molkerei Gropper und auf Wunsch aus der Branche das Format „Klauenpflege – von der Frau für die Frau“ eigens für Landwirtinnen ins Leben gerufen.
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Aber natürlich lernen auch männliche Tierhalter in Schulungen, wie wichtig die richtige „Pediküre“ ist, wie sie sie optimieren – und durch regelmäßige Anwendung Problemen vorbeugen. „Kühe sind als Fluchttiere sogenannte Schmerzdulder und zeigen Schwäche und Schmerz erst im äußersten Fall. Außerdem können Kühe Schmerzen nicht so leicht zum Ausdruck bringen“, so Goldschalt. Lahme Tiere leiden daher in der Regel schon eine Zeit lang unter Schmerzen und haben es schwerer, sich in der Herde zu behaupten und an Futter zu kommen. Wenn sie weniger fressen, sind sie anfälliger für Stoffwechsel- und Folgeerkrankungen wie Euterentzündungen. „Daher ist es für den Tierschutz im Stall umso wichtiger, milde Anzeichen von Lahmheiten früh zu erkennen, die Tiere von der Herde zu trennen, auf Stroh zu betten und tierärztlich behandeln zu lassen“, so Goldschalt. Damit es möglichst gar nicht dazu kommt, sind gut gestaltete Liegeboxen mit Einstreu und weichen, trockenen Liegeflächen, in denen die Tiere ihre Gelenke und Klauen entlasten können, in den Betrieben des Tierschutzlabels für jedes einzelne Tier Pflicht – ebenso wie die Klauenpflege. Zertifizierte Höfe führen sie regelmäßig bei allen Kühen durch. Sollte bei Kontrollen auffallen, dass die Klauenpflege nicht ausreicht oder Tiere lahmen, müssen sie sie häufiger anwenden.