Aus dem Print-Magazin

Rennen um jeden Preis

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Rennen um jeden Preis

Pferderennen ziehen nach wie vor zahlreiche Besucher*innen in ihren Bann. Doch die Veranstaltungen haben einen hohen Preis. Denn die Pferde bezahlen das Vergnügen und die Gier der Menschen mit Schmerzen, Leiden und immer wieder ihrem Leben, wie aktuelle Zahlen zeigen.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Wenn sich Menschen an der Rennbahn versammeln, ist dort richtig was los. Neben dem Who is Who der Szene und Menschen, die sich in sündhaft teure Outfits werfen, trifft man dort auf verschiedenste Interessierte und Familien – das Publikum ist bunt. Pferderennen üben seit jeher eine große Faszination aus. Die eleganten Tiere, die förmlich über den Boden fliegen, und die Spannung der Rennen vereinen die menschliche Lust auf Vergnügen und Abenteuer mit dem Traum vom großen Geld. Tierschützer*innen wird hingegen ganz anders, wenn sie die Szenen auf der Rennbahn sehen. Denn sie wissen, wie sehr die Pferde während eines Rennens leiden, und kennen auch weitere Schattenseiten der Rennindustrie nur zu gut, die vielen Zuschauer*innen verborgen bleiben. „Die Pferde müssen total grenzwertige Leistungen erbringen. Immer wieder brechen sich Tiere ihre Beine und ihre Lungen bluten – das sind sichtbare Anzeichen dafür, dass die Pferde ihre Kapazitäten überschritten haben. Wer zudem einmal ein pumpendes, also überaus stark atmendes Pferd nach dem Rennen gesehen hat, und beobachtet, wie lange es dauert, bis es sich wieder erholt hat, vergisst das nicht. Den Pferden steht die Panik in den Augen. So eine Leistung würden sie unter natürlichen Bedingungen nur vollbringen, wenn es um Leben und Tod ginge“, sagt Andrea Mihali, Leiterin der Abteilung für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund.

Das Leid in Zahlen

Pferde leiden während der Rennen, wie Zahlen aus 2023 zeigen. Offizielle Angaben der Verantwortlichen gibt es nicht. Die Dunkelziffer liegt daher vermutlich weitaus höher.

  • 18 Pferde hatten 2023 während eines Rennens Nasenbluten
  • 20 haben gelahmt
  • 8 haben sich verletzt
  • 1 ist gestürzt
  • Mindestens 6 mussten die Rennen mit ihrem Leben bezahlen
  • 40-mal wurde die Peitsche falsch oder zu oft eingesetzt

Rennpferde leiden enorm

Das Leid beginnt früh. Denn die Pferde werden bereits in einem Alter von etwa einem Jahr von der Weide genommen und über Auktionen an die Meistbietenden verkauft. Ab dann fristen sie in der Regel den Großteil des Tages in kleinen Boxen in Trainingsställen. „Und das, obwohl die Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport vorschreiben, dass Pferde bis zu einem Mindestalter von 30 Monaten in Gruppen zu halten sind“, so Mihali. Schon in der nächsten Saison werden viele von ihnen ihre ersten Rennen laufen. „In so jungen Jahren sind sie jedoch weder physisch noch psychisch dazu in der Lage, so grenzwertig hohe Leistungen zu vollbringen. Aus Tierschutzsicht sollte das Augenmerk stets darauf liegen, dass die Tiere gesund bleiben und ein langes Leben führen können, doch all das spielt in der Rennindustrie keine Rolle.“ Andere verletzen sich bereits im Training, halten dem immensen Druck nicht stand oder werden aus anderen Gründen aussortiert. Neben dem viel zu jungen Alter, in dem die Pferde bereits zu enormen Leistungen gezwungen werden, und der nicht tiergerechten Haltung, die die sozialen Tiere voneinander isoliert und ihnen viel zu wenig Sozialkontakte und freie Bewegung ermöglicht, sind die Trainings und Rennen mit zahlreichen Tierschutzproblemen verknüpft. „Allein 2023 hatten 18 Pferde während eines Rennens Nasenbluten, 20 haben gelahmt, acht haben sich verletzt, eins ist gestürzt und mindestens sechs mussten die Rennen mit ihrem Leben bezahlen“, so Mihali.

In den Rennen müssen Pferde grenzwertige Leistungen erbringen und oft steht ihnen dabei die Angst ins Gesicht geschrieben. Deutliche Anzeichen dafür sind wie hier im Bild weit aufgerissene Augen, gefletschte Zähne und nach hinten gerichtete Ohren.

Veranstalter*innen verschleiern konkrete Zahlen

Doch das sind nur die Zahlen, die der Deutsche Tierschutzbund in einer mühsamen Recherche selbst herausfinden konnte. Denn der Deutsche Galopp, der Verband, der für die Rennen in Deutschland zuständig ist, veröffentlicht keine transparenten Informationen mehr. Todesfälle konnten die Tierschützer*innen nur durch Presseberichte herausfinden, was die Vermutung nahelegt, dass die realen Zahlen höher liegen. „Sucht man verstorbene Pferde im Register auf, sind diese dort nicht als verstorben gekennzeichnet, sondern lediglich als inaktiv. Als inaktiv sind aber auch alle Pferde gelistet, die aus anderen Gründen kurz- oder langfristig, zum Beispiel krankheitsbedingt, nicht an Rennen teilnehmen. Hier fehlt also jegliche Form der Transparenz.“ Wie wenig die von den Verantwortlichen stets beteuerten Bemühungen in puncto Tierschutz wert sind, zeigt auch der Peitscheneinsatz.

Während sich die Rennreiter*innen, Pferdetrainer*innen und Pferdebesitzer*innen in der Schweiz Anfang des Jahres dazu entschieden haben, künftig auf den Einsatz der Peitsche in Rennen zu verzichten, hält der Deutsche Galopp daran fest.

Hierzulande sind immer noch drei Peitschenhiebe pro Rennen erlaubt – aus Tierschutzsicht sind das drei zu viel. „Hinzu kommt, dass die Peitsche 2023 laut unserer Auswertung während der Rennen 40 Mal falsch oder zu oft eingesetzt wurde.“ Da es nicht mit dem Tierschutzgesetz zu vereinbaren ist, dass Tiere mit Gewalt zu Höchstleistungen gezwungen werden, fordert der Deutsche Tierschutzbund ein sofortiges Verbot des Peitscheneinsatzes.

Pferderennen müssen enden

Darüber hinaus macht der Verband sich dafür stark, dass der Galopprennsport generell der Vergangenheit angehört. „Die Zahlen sprechen schon für sich – und dabei zeigen sie nur einen Bruchteil des Leids. Denn Pferde leiden stumm. All die Leiden, die sie zusätzlich zu den Rennen durch die Haltungsumstände erfahren, finden kaum Beachtung und sind für Lai*innen nicht sichtbar. Wir lehnen jede Form des Pferderennens ab“, sagt Mihali.

Solange es noch Rennen in Deutschland gibt, bittet der Deutsche Tierschutzbund alle Menschen, den Veranstaltungen fern zu bleiben.

Ein Lichtblick: 2023 fanden nur noch 951 und damit 78 Rennen weniger statt als noch 2022. Auch die Anzahl der Zuchtstuten und Fohlen sinkt, es werden also immer weniger Rennpferde gezüchtet. Ein Trend, der Hoffnung gibt.

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