Dollys Erben

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Dollys Erben

Klonen. Das klingt nach Jurassic Park und Star Wars, ist aber in Tierversuchslaboren längst trauriger Alltag. Nun investieren sogar immer mehr Heimtierhalter und Pferdesportler viel Geld in eine Kopie ihrer Lieblinge und Erfolgsgaranten. Dabei scheren sie sich nicht um das große Tierleid dahinter.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Jetzt mal ehrlich. Ob Hunde-, Katzen- oder Pferdefan: Ist nicht jeder unsterblich verliebt in seinen treuen Begleiter? Kein Tier ist so süß wie das eigene. Der herzerweichende Blick, die tapsigen Pfötchen oder die enge Verbundenheit, die die tierischen Weggefährten uns juchzend, schnurrend oder sanft schnaubend vermitteln – das gibt es nur einmal. Und umso schrecklicher ist der Abschied, wenn das vierbeinige Familienmitglied stirbt. Der Wunsch, die gemeinsame Zeit möge nie enden, ist verständlich. Aber darf er auch Grund dafür sein, Science Fiction wahr zu machen und den Tierschutz sowie ethische Bedenken außer Acht zu lassen?

Immer mehr vermögende Tierhalter sehen das leider so. Mithilfe von Biotechnologie-Firmen in Südkorea, den USA oder Südamerika klonen sie ihre Haustiere. Die Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand gehört zu den prominentesten Anhängerinnen dieses gruseligen Trends. Auch deutsche, arabische und chinesische Familien lassen es sich laut Medienberichten gern bis zu 100.000 US-Dollar kosten, ihren Liebling zu reproduzieren.

Illusion einer Wiedergeburt

Allein die Firma Sooam Biotech in Südkorea klont demnach jeden Monat bis zu 20 Tiere. Doch ihre Kunden geben dafür nicht nur extrem viel Geld aus, sondern sich selbst auch der Illusion hin, ihr Tier erneut zum Leben erwecken zu können. „Auch wenn sich geklonte Tiere sehr ähnlich sehen können, handelt es sich um Kopien, die nie zu einhundert Prozent mit ihrem ‚Original‘ übereinstimmen“, erklärt Dr. Anna Szczepanek, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. Die Färbung des Fells könne sich ebenso unterscheiden wie der Charakter.

Dolly erlangte 1996 als erstes geklontes Säugetier Berühmtheit. Das Schaf überlebte als einziges von 277 Klonversuchen, wurde aber nach sechs Jahren eingeschläfert.

Dolly erlangte 1996 als erstes geklontes Säugetier Berühmtheit. Das Schaf überlebte als einziges von 277 Klonversuchen, wurde aber nach sechs Jahren eingeschläfert.

Dolly war nur der Anfang

Ein Rückblick: 1996 ging der Name Dolly um die Welt. Dieses berühmte Schaf schaffte es als erstes geklontes Säugetier in die Gazetten. Dass bei 277 Klonversuchen nur ein Schaf überlebte, ging in den Schlagzeilen unter. „Streng genommen bedeutet Klonen, ein Lebewesen mit identischem Erbgut künstlich zu erzeugen“, erklärt Dr. Szczepanek. Damals entnahmen die Wissenschaftler einem Schaf einen Zellkern mit Erbinformationen aus dem Euter. Sie setzten ihn in die entkernte Eizelle eines zweiten Schafes ein, und ein drittes trug Dolly dann als Leihmutter aus. „Wenn Tierhalter heute ihren Hund klonen lassen, funktioniert dies ähnlich“, so Dr. Szczepanek. Der Zellkern werde meist aus einem Stück Haut des Haustieres entnommen und mit einer Eizelle eines zweiten Tieres, einem sogenannten Spendertier, verschmolzen. Da die Eizelle vorab entkernt werde, enthalte sie keinerlei Erbinformationen mehr (siehe Grafik auf Seite 24).

„Materialschlacht“ im Labor

Dieses Verfahren wenden Wissenschaftler heute bei vielen Tierarten an – mit zweifelhaftem Nutzen. Sie haben unter anderem Schweine, Kühe, Kamele, Katzen, Mäuse und sogar Affen geklont. Etwas hat sich dabei seit den Anfängen der Forschung kaum verändert: Hunderte Tiere sterben, bis ein Klon erfolgreich lebend geboren wird. Labore betreiben eine wahre „Materialschlacht“, um Eizellen zu gewinnen, Zellkerne zu transferieren und Klonembryonen zu erzeugen. „Die meisten sterben schon in der Petrischale, viele dann, nachdem sie sogenannten Ammentieren in die Gebärmutter implantiert wurden, in späteren Entwicklungsstadien, in denen die Föten bereits Schmerzen empfinden können“, so Dr. Szczepanek. Diese Fehlgeburten quälen die Leihmütter ebenso wie die Hormonbehandlungen. „Es gibt Hinweise darauf, dass Klontiere schneller altern“, berichtet Dr. Szczepanek. Auch Dolly musste – im Alter von sechs Jahren erkrankt und mit Alterserscheinungen – eingeschläfert werden. Die Lebenserwartung von Schafen beträgt sonst bis zu 15 Jahre.

HUNDERTE TIERE STERBEN, BIS EIN KLON
ERFOLGREICH LEBEND ZUR WELT KOMMT.

Krankheiten und hohe Verluste von Embryonen, Föten und Leihmüttern nehmen die Unternehmen und Tierhalter, die Klone produzieren, bewusst in Kauf – erst recht, wenn neben Geld auch Erfolg und Ruhm winken. Darum ist der Pferdesport das Eldorado der gewerblichen Klonindustrie. Dem ersten geklonten Pferd Prometea, das 2003 als einziger von 841 Embryonen zur Welt kam, folgten trotz Kosten von jeweils bis zu 250.000 US-Dollar Hunderte weitere. Tausende benötigte Eizellen gewinnen die Labore in der Regel aus den Eierstöcken toter Schlachtpferde, teilweise aber auch von lebenden Stuten.

Wettkampf der Klone

Im Springsport sind Klone besonders erfolgreicher Tiere reine Zuchtobjekte. Beim Polo stehen sogar ganze Teams aus Klonpferden auf dem Platz. Der beste Polospieler der Welt, Adolfo Cambiaso aus Argentinien, ist an einer eigenen Klon-Firma beteiligt. 2013 ritt er erstmals einen Klon im Wettkampf. Die Proteste von Konkurrenten änderten daran nichts. Der Internationale Pferdesportverband FEI gestattete noch im selben Jahr Klone in allen Disziplinen. „Ethische Bedenken oder ein Zeichen für den Tierschutz waren dem Verband offensichtlich egal“, kritisiert Dr. Szczepanek. Die Folgen sind wahnwitzig: 2016 gewann Cambiaso erstmals ein Turnier ausschließlich mit Tieren, die alle den Namen ihres Vorbilds Cuartetera trugen und die er einfach durchnummerierte. „Wie viele geklonte Pferde oder deren Nachkommen auch in deutschen Ställen stehen, lässt sich nicht sagen. Denn die Firmen im Ausland veröffentlichen keine Zahlen und Kundenlisten“, merkt Dr. Szczepanek an. Dass deutsche Labore jedoch legal Pferde für Pokalgewinne oder geliebte Haustiere zum Privatvergnügen klonen, ist immerhin auszuschließen. „Das Klonen mittels Kerntransfer gilt in Deutschland als Tierversuch, den Behörden einzeln genehmigen müssen. Es ist daher nicht erlaubt, wenn kommerzielle Anbieter auf diese Weise Haustiere oder Tiere in der Landwirtschaft produzieren wollen.“

Das Verfahren, mit dem bereits Dutzende Tierarten geklont wurden, am Beispiel der Affen. Klicken Sie auf das Bild für eine größere Ansicht.

Das Verfahren, mit dem bereits Dutzende Tierarten geklont wurden, am Beispiel der Affen. Klicken Sie auf das Bild für eine größere Ansicht.

Für die Tiere, die unter dem Deckmantel der Forschung in Tierversuchen geklont werden, bleibt dies ein schwacher Trost. Gerade das Beispiel geklonter Primaten in China, das nach aktueller Rechtslage auch in Deutschland erlaubt wäre, entsetzt Tierschützer. Anfang 2018 waren die beiden Langschwanzmakaken Zhong Zhong und Hua Hua die ersten geklonten Affen weltweit. Nur ein Jahr später stellte das gleiche Institut in Shanghai genveränderte Klon-Makaken vor. „Dieser Versuch aus China stößt ein Tor auf zu einem Wettlauf für noch mehr Tierversuche an Primaten“, befürchtet Kristina Wagner, Leiterin der Abteilung Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund. Dies zeige, dass Affen, aber auch andere Tierarten, für weite Teile der Wissenschaft nicht mehr seien als Experimentierobjekte.

Zum einen waren auch hier 300 Embryonen und Dutzende Leihmütter von Nöten, damit fünf Äffchen lebend zur Welt kamen. Zum anderen wurde mittels der sogenannten Genschere CRISPR/Cas9 ein Gen aus der Erbinformation der Tiere entfernt, das ihre innere Uhr steuert. „Beim Menschen wird dieses Gen mit der Entstehung von Schlafstörungen, Depressionen, Alzheimer und Krebs in Verbindung gebracht“, kritisiert Wagner. Auf diese Weise wollen die chinesischen Forscher Versuchstiere entwickeln, die alle gleichermaßen leicht erkranken, um an ihnen, stellvertretend für den Menschen, Therapien zu erforschen.

Stoppt das Klonen

„Das Klonen von Versuchstieren muss ein Ende haben, damit die Tiere nicht mehr leiden“, fordert Wagner. Statt Tiere zu klonen und sie in Versuchslaboren zu quälen muss die Politik endlich eine Strategie zum Ausstieg aus Tierversuchen erarbeiten. Diese sollte dann auch Maßnahmen enthalten, wie tierversuchsfreie Methoden verstärkt gefördert und angewendet werden können. „Diese wären dann auch viel aussagekräftiger für uns Menschen“, fügt Wagner hinzu. Denn die Ergebnisse von Experimenten an Tieren lassen sich aufgrund der Unterschiede bei Lebensdauer, Körperbau, Stoffwechsel, Erbgut und weiterer Faktoren ohnehin nur schwer auf Menschen übertragen. Auch die Angebote zum Klonen von Heimtieren, im Sport und in der Landwirtschaft lehnt der Deutsche Tierschutzbund strikt ab. Um den Anreiz zu mindern, Klontiere herzustellen, braucht es ein europaweites Einfuhrverbot von ihnen, ihren Nachkommen, deren Samen und allen aus ihnen erzeugten Lebensmitteln. Dr. Szczepanek ergänzt: „So könnten wir gleichzeitig verhindern, da s die Klontierzucht schleichend ihren Weg nach Europa findet.“

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