Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Den funkelnden Kinderaugen beim Wunsch nach einem eigenen Tier können nur wenige Eltern widerstehen. Etwas zum Kuscheln für die Familie, und für den Käfig ist auch noch Platz – leider vergessen viele dabei die Bedürfnisse der Tiere.
Auf den ersten Blick scheinbar anspruchslos, stellen sie große Anforderungen an ihre Halter: „Kaninchen haben einen starken Bewegungsdrang. Müssen sie in einem handelsüblichen kleinen Käfig leben, verkümmert ihre Muskulatur – selbst wenn sie gelegentlich Auslauf bekommen. Eine solche eintönige Haltung kann zu Verhaltensstörungen führen“, erklärt Dr. Henriette Mackensen, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund.
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Bei unüberlegten Spontankäufen verfliegt die Euphorie schnell und das Tier im Käfig ist oft schon nach nur wenigen Tagen vergessen. In einer Kulisse aus Schränken und Regalen fristet es dann ein trauriges Leben als Teil des Inventars. Allzu oft landet es nach nur kurzer Zeit im Tierheim. Der Deutsche Tierschutzbund rät den Eltern daher, die Anschaffung eines tierischen Familienmitgliedes gut zu planen und sich im Vorhinein ausreichend über das Tier und seine Bedürfnisse zu informieren.
So ist zum Beispiel die immer noch beliebte Haltung von einem Kaninchen zusammen mit einem Meerschweinchen nicht tiergerecht. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Verhaltensweisen können sie dem anderen nicht die Artgenossen ersetzen.
Zwergkaninchen stammen ursprünglich vom europäischen Wildkaninchen ab. Diese leben in großen Kolonien in selbst gegrabenen Erdhöhlen. Die Vorliebe, Gänge zu graben, haben die Tiere von ihren Vorfahren geerbt. Aus diesem Grund ist ein artgerechtes Leben in der Wohnung kaum möglich. „Die beste Art, Kaninchen ein naturnahes Leben zu ermöglichen, ist, sie ganzjährig in einem großen und abwechslungsreich gestalteten Außengehege zu halten.
Da Kaninchen sehr gesellig und soziale Kontakte für sie sehr wichtig sind, sollten sie dort mindestens zu zweit, besser zu dritt oder zu viert zusammenleben“, so Dr. Mackensen. Am besten eignet sich dafür eine Gruppe aus einem kastrierten Bock und ein bis drei Weibchen.
Auch die Haltung von mehreren kastrierten Böcken ist möglich, eine reine Weibchengruppe ist hingegen nicht zu empfehlen. Die Tiere verhalten sich untereinander häufig aggressiv. Die männlichen Tiere sollten grundsätzlich kastriert sein; einerseits, um Rangordnungs- und Revierkämpfe zu vermeiden, und andererseits, um zu verhindern, dass die Tiere sich ungebremst fortpflanzen.
Auch die Vorfahren der heutigen Hausmeerschweinchen leben in kleinen Gruppen in Höhlen und Erdbauten. Ihre Heimat sind die Hochebenen und Buschsteppen der Anden in Südamerika. Meerschweinchen haben, ähnlich wie Zwergkaninchen, ihre ursprünglichen Instinkte behalten. Sie sind gesellige Tiere und bilden soziale, stabile und friedliche Gruppen. Anders als bei Zwergkaninchen leben mehrere Männchen und Weibchen oder auch mehrere Weibchen friedlich miteinander.
„Es ist möglich, den Bedürfnissen eines Meerschweinchens auch in einer Wohnung gerecht zu werden, wenn ihre Unterkunft großzügig bemessen ist und ihnen täglich Auslauf gewährt wird. Sie fühlen sich aber auch ganzjährig in einem großen Freigehege im Garten wohl“, sagt Dr. Mackensen. Zusätzlich zur richtigen Haltung ist es wichtig, die Tiere gesund und abwechslungsreich zu ernähren. Gutes Heu und frisches Wasser sollten jederzeit vorhanden sein. Zusätzlich benötigen sie täglich mehrere Portionen Grünfutter, Gemüse, Kräuter und gelegentlich Obst.
Leben die Tiere glücklich in ihrer Gruppe, hat der Tierhalter schon viel gewonnen. Im nächsten Schritt kann er versuchen, vorsichtig eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Dafür ist es wichtig, sich über die Verhaltensweisen der Tiere zu informieren und diese richtig zu deuten. Kinder sollten den behutsamen Umgang von Anfang an von ihren Eltern lernen. Generell sollten sie ihre Kinder auch bei der Pflege der Tiere unterstützen. Kein Kind kann die Verantwortung für ein Tier alleine tragen.
So niedlich Kaninchen und Meerschweinchen für den Betrachter auch sein mögen – es sind keine Kuscheltiere. „Zwergkaninchen sind sehr schreckhaft. Werden sie gereizt oder fühlen sie sich bedroht, wehren sie sich mit Kratzen und Beißen. Wenn ein Kaninchen mit den Hinterläufen auf den Boden klopft, ist es aufgeregt oder hat Angst“, erklärt Dr. Mackensen.
Auch Meerschweinchen sind empfindliche Tiere. Sie genießen Streicheleinheiten auf dem Arm nicht, sondern halten meist nur deswegen so still, weil sie sich in einer Art Schreckstarre befinden. Es ist wichtig, die Tiere behutsam und geduldig an den Menschen zu gewöhnen.
Entwickelt der Halter ein Verständnis für die Tiere, achtet er auf ihre Signale und richtet sein eigenes Verhalten danach aus, werden Kaninchen und Meerschweinchen mit der Zeit zutraulich und lassen sich gerne aus der Hand füttern. Kinder bekommen mit der Pflege des neuen Familienmitgliedes nicht nur eine Aufgabe und lernen Verantwortung, sie werden auch kreativ gefordert. Alleine das Beobachten und Beschäftigen der Tiere macht viel Spaß.
So können sie sich zum Beispiel Futtersuchspiele ausdenken, Buddelkisten basteln oder neues Inventar für das Gehege im Wald sammeln. Auch gemeinsame Bauaktionen mit der ganzen Familie können ein tolles Erlebnis sein. Ist die Anschaffung gut überlegt und geplant, steht einer schönen Zeit nichts im Wege.
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