Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
„Die sechs Monate nutzen“. Das forderte der Deutsche Tierschutzbund, als Deutschland am 1. Juli des Vorjahres den Vorsitz des Rates der Europäischen Union übernahm. Der Verband warb dafür, den Tierschutz voranzutreiben. Ist dies gelungen? Nach Ablauf der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fällt das Fazit durchwachsen aus. „Auch wenn – wie zu erwarten – Corona weiterhin viele der wichtigen Diskussionen überlagerte, wurde die große Chance für Deutschland, Tierschutzthemen in der EU wesentlich voranzubringen, vertan. Es wurde viel geredet, aber zu wenig aktiv angegangen“, sagt Jürgen Plinz, Schatzmeister des Deutschen Tierschutzbundes. Als Präsidiumsmitglied vertritt er den Verband auch im Vorstand der europäischen Tierschutz-Dachorganisation Eurogroup for Animals.
Die Tierschützer hatten im Vorfeld der Rats-Präsidentschaft gefordert, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) so umzugestalten, dass zukünftig verstärkt jene Landwirte Subventionen erhalten, deren Tierschutz-, Klima- und Umweltleistungen über dem gesetzlichen Standard liegen. Durch die Ende Oktober verabschiedeten Ratsbeschlüsse zur GAP soll die EU tatsächlich erstmalig auch höhere Tierschutzmaßnahmen finanziell durch Direktzahlungen fördern. Doch auch in Zukunft werden vor allem Landwirte, die viel Fläche besitzen, von den Agrarsubventionen profitieren – unabhängig von ihrem Einsatz für die Tiere, die Umwelt oder das Klima. Dies deckt sich aus Tierschutzsicht nicht mit den ambitionierten Klimazielen der EU. Dafür benötigt es einen umfassenderen Systemwandel der Agrarpolitik.
Die europäischen Agrarminister haben in den letzten sechs Monaten auch über strengere Regeln für Tiertransporte in Drittstaaten diskutiert. Im Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zu Tiertransporten setzte sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in ihrer Funktion als Vorsitzende des EU-Agrarrates dafür ein, die Transport-Verordnung zu überarbeiten. Diese ist laut der Farm-to-Fork-Strategie (F2f), die auch dazu beitragen soll, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird, für 2023 angesetzt. Für die Schlacht-Verordnung, die laut F2F-Strategie ebenfalls zu überarbeiten ist, scheint dies aus ihrer Sicht offenbar jedoch nicht notwendig zu sein. Sie war kein Thema.
Sehr wohl beschäftigt hat sich der Rat mit einem EU-weiten Tierwohlkennzeichen. Und hat dieses sogar im Dezember befürwortet. Dennoch können Tierschützer keineswegs voreilig jubilieren. „Die Entscheidung des Rats war ein wichtiger Schritt“, erklärt Plinz. Allerdings bestehe Grund zur Sorge, dass die EU die Kriterien zu niedrig ansetzen wird, damit alle Mitgliedstaaten teilnehmen können. „Wir hoffen sehr, dass am Ende der Prüfung durch die EU-Kommission ein verpflichtendes Kennzeichen steht, welches flächendeckend das Tierwohl in der EU erhöhen kann. Nur so ist auch der Ursprung aller tierischen Produkte für die Verbraucher ersichtlich, die seit Langem mehr Tierschutz einfordern.“
Obwohl sich das SARS-CoV-2 Virus auf europäischen Pelzfarmen ausgebreitet hat und insgesamt bereits über 18 Millionen Nerze getötet werden mussten, sind die Politiker in den vergangenen Wochen und Monaten noch immer eine einheitliche und abgestimmte EU-weite Vorgehensweise schuldig geblieben. Von einer Strategie zum Ausstieg aus der Pelztierzucht ganz zu schweigen. Der Deutsche Tierschutzbund hatte Bundesministerin Klöckner – gemeinsam mit der Stiftung Vier Pfoten – zweimal schriftlich zum Handeln aufgefordert. Die Ministerin hatte zwar auch eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft der Pelztierhaltung in Europa angestoßen, sich aber nach Einschätzung des Verbandes nicht deutlich genug positioniert. So gibt es auf EU-Ebene bis heute keine Ambitionen für ein klares EU-weites Verbot von Pelzfarmen.