Hornissen, Biber und Waldameisen

Tierische Architekten

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Hornissen, Biber und Waldameisen

Tierische Architekten

Sie verwerten Pflanzenmaterialien, bauen natürliche Klimaanlagen ein und gestalten ganze Landschaften um. Tiere wie Hornissen, Biber oder auch Waldameisen sind äußerst einfallsreich bei der Errichtung ihrer Bauwerke.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Was architektonische Meisterwerke betrifft, steht die Tierwelt uns Menschen in nichts nach. Im Gegenteil – wir können uns sogar ein Beispiel an ihren oft raffinierten Bauwerken nehmen und uns von ihnen inspirieren lassen. Beeindruckend sind beispielsweise die filigranen Nester von Hornissen. Sie benötigen dafür nicht mehr als morsches Holz von toten Bäumen, das bereits durch Pilze zersetzt ist – somit betreiben sie zugleich eine Art Recycling. „Die Insekten zerkauen das Holz mit ihren Kieferzangen und vermischen es mit ihrem klebrigen Speichel – dadurch entsteht ein Holzbrei, ähnlich wie Pappmaché, aus dem sie die Nesthülle und die einzelnen Brutzellen bauen“, erläutert Denise Ritter, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund.

Hornissen zerkauen das Holz mit ihren Kieferzangen und vermischen es mit ihrem klebrigen Speichel – dadurch entsteht ein Holzbrei, ähnlich wie Pappmaché, aus dem sie die Nesthülle und einzelne Brutzellen bauen.

Hornissen bauen eine natürliche Klimaanlage in ihren Nestern ein

Den Startschuss für den Nestbau gibt die bereits im Herbst befruchtete Jungkönigin eines Hornissenstaates, der später im Jahr durchschnittlich 100 bis 700 Arbeiterinnen umfasst. „Im Frühjahr fliegt sie aus, gründet beispielsweise in Baumhöhlen oder anderen Hohlräumen ein Nest und baut die ersten Zellen, in die sie den ganzen Sommer über ihre Eier legt“, so Ritter. Wenn dann die Arbeiterinnen Anfang Juni geboren werden, entlasten sie die Königin, indem sie sowohl sie als auch die Larven und andere Arbeiterinnen mit Futter versorgen, Baumaterial sammeln, das Nest für zusätzliche Eier der Königin weiter ausbauen und es verteidigen. „Zum Schutz legen die Arbeiterinnen eine kugelartige Nesthülle an, die sie je nach Anzahl der Brutwaben kontinuierlich erweitern und anpassen“, sagt die Expertin. So könne ein Nest normalerweise etwa fünf bis acht Wabenetagen umfassen. Diese Hülle dient dank dieser Lufttaschen auch der Temperaturregelung – somit verfügt das Nest über eine Art natürliche Klimaanlage. „Die sechseckigen Zellen zu bauen ist nichts, was die Insekten erst erlernen müssen, vielmehr handelt es sich dabei um eine genetisch bedingte Verhaltensweise. Die Arbeiterinnen beherrschen diese Bauweise somit von Geburt an“, so Ritter. Im Herbst stirbt schließlich das gesamte Hornissenvolk bis auf die Jungköniginnen, die überwintern und im Frühjahr wieder ein neues Nest gründen. „Das alte Nest bleibt dann jedoch von Hornissen für immer unbewohnt“, sagt Ritter. Schade, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit die emsigen Hornissen in ihr Bauwerk gesteckt haben.

Biber verbauen für ihre Dämme tonnenweise Baumstämme, die sie mit ihren kräftigen Zähnen fällen, sowie Zweige, Schilf, Schlamm und Steine, mit denen sie ihr Gerüst befestigen.

Biber prägen mit ihren Dämmen ganze Auenlandschaften

Mit ebenso viel Fleiß und Tatkraft wie Hornissen gehen beispielsweise auch Biber ans Werk, wenn sie ihre 20 bis 30 Meter langen Dämme errichten. Die tierischen Landschaftsarchitekten verbauen dafür tonnenweise Baumstämme, die sie mit ihren kräftigen Zähnen fällen, sowie Zweige, Schilf, Schlamm und Steine, mit denen sie ihr Gerüst befestigen. Durch diese Dämme wird das Wasser eines Sees, Flusses oder Teiches gestaut, sodass der Grundwasserspiegel in Auen steigt. „Biber sorgen also dafür, dass der Pegel von Gewässern nicht zu stark sinkt und der unter Wasser liegende Eingang zu ihrem Bau nicht plötzlich trocken liegt“, erläutert Ritter. Zugleich halten sie unerwünschte Gäste davon ab, in die Biberbehausung einzudringen. „Umgekehrt können sie den Damm auch öffnen, um Hochwasser abfließen zu lassen.“ Somit prägen Biber mithilfe ihrer Bauwerke seit jeher unsere Auenlandschaften und tragen zu mehr Artenvielfalt bei. Denn die aufgestauten Gewässer und Feuchtwiesen bieten einen wichtigen Lebensraum für zahlreiche Tiere wie Amphibien, Libellen und Vögel. Um solch einen Staudamm zu bauen, benötigen Biber etwa eine Woche.

Bereits ein einzelner Ameisenhügel bildet ein Domizil für 200.000 bis zwei Millionen Ameisen und verfügt über ein komplexes System aus Gängen und Kammern.

Ameisenhügel – ein komplexes System aus Gängen und Kammern

Ob unter schattenspendenden Bäumen oder an sonnigen Waldhängen – ein Hingucker in unseren Landschaften sind auch die oft bis zu zwei Meter hohen Nesthügel von Waldameisen. Beim genauen Hinsehen scheint der ganze Bau in Bewegung zu sein angesichts der Masse an Ameisen, die sich darauf und darin befinden: Bereits ein einzelner Hügel bildet ein Domizil für 200.000 bis zwei Millionen Ameisen und verfügt über ein komplexes System aus Gängen und Kammern, das sich bis tief in die Erde erstreckt. Die Insekten legen darin ihre Eier ab, ziehen ihre Nachkommen auf und speichern ihre Vorräte. Als Baumaterial dient ihnen beispielsweise morsches Holz, Erde und andere Pflanzenmaterialien. Zudem sind diese Hügel im ständigen Wandel, da die Ameisen sie immer weiterbauen und Löcher oder andere Schäden schnell wieder schließen. Damit in ihrem Nest kein Pilzbefall entsteht, schichten die kleinen Waldbewohner zudem die Oberfläche regelmäßig um und befördern feuchtes Material aus dem Inneren ihres Nests nach draußen, wo es trocknen kann.

Als Baumaterial dient den Ameisen beispielsweise
morsches Holz, Erde und andere Pflanzenmaterialien.

Ein Ameisenhügel ist außerdem ein perfekter Wärmespeicher, der es den Insekten ermöglicht, die kalten Temperaturen im Winter, auch während ihrer Winterstarre, zu überstehen. Und wird es ihnen im Sommer in ihrer Behausung zu warm, öffnen sie ihren Bau an mehreren Stellen und lassen die warme Luft ganz einfach entweichen – somit bauen nicht nur die Hornissen, sondern auch die Ameisen eine Art Klimaanlage in ihr Nest ein. All diese Beispiele zeigen: Ob in Sachen Wärmedämmung, Recycling oder auch Kreativität können wir Menschen uns die architektonischen Kunstwerke der Tiere durchaus zum Vorbild nehmen.

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Bildrechte: Artikelheader: Pixabay – David Hablützel (Nahaufnahme Hornisse); Fotos: Pixabay – culen (Hornissennest), Ralf Schick (Biber), Ratfink1973 (Ameisenhügel)