Tiere sind keine Erfindungen

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Tiere sind keine Erfindungen

Ein Patent auf gentechnisch veränderte Schimpansen, Mäuse und andere Tierarten – immer wieder versuchen Forscher, Tiere, deren Erbgut sie manipuliert haben, als eigene Erfindung zu deklarieren. Eine Firma aus den USA ist nun aber nach jahrelangem Rechtsstreit mit solch einem Patent-Antrag gescheitert.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Einige Forschungsunternehmen sehen in Tierpatenten ein lukratives Geschäft, doch für die betroffenen Tiere ist damit enormes Leid verbunden: Seit den 1980er-Jahren nehmen Wissenschaftler genetische Veränderungen an Mäusen, Schimpansen und vielen anderen Tierarten vor und lassen sie dann patentieren – die Forscher beanspruchen die manipulierten Tiere also als eigene Erfindung. So können sie eine Nachahmung verhindern und mit den Nutzungsrechten viel Geld verdienen. Doch jetzt hat das Europäische Patentamt (EPA) aus ethischen Gründen zwei Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen für ungültig erklärt. Dabei ging es um Tierpatente der US-Firma Precigen, die früher Intrexon hieß. Hierbei haben Forscher Gene von Insekten in das Erbgut unter anderem von Schimpansen eingefügt. Mithilfe chemischer Substanzen, die sie den Tieren verabreichen, können sie Gene willkürlich aktivieren, also wie mit einem Schalter an- und ausschalten. Die genmanipulierten Affen sollten unter anderem bei der Erforschung von Krebstherapien zum Einsatz kommen. Nach langem Rechtsstreit hat die Technische Beschwerdekammer als höchste rechtliche Instanz des EPA nun aber entschieden, dass Ansprüche auf Schimpansen und andere Tiere nicht patentfähig sind. Somit gab sie einem breiten Bündnis von Tier- und Umweltorganisationen recht, dem auch der Deutsche Tierschutzbund und die berühmte Schimpansenforscherin Dr. Jane Goodall angehören. Das Bündnis hatte sich jahrelang gegen solche Patente eingesetzt und auf das europäische Patentrecht verwiesen – demnach sind Patente auf gentechnisch veränderte Tiere verboten, wenn daraus Tierleid ohne erheblichen medizinischen Nutzen entsteht. Nach Ansicht des EPA war dieser Nutzen nicht vorhanden.

Hoher Einsatz, wenig Nutzen

In Deutschland liegt die Zahl der genmanipulierten Versuchstiere bei etwa einer Million jährlich.

Es ist das erste Mal, dass das EPA diese Regel so genau auslegt und Ansprüche auf gentechnisch veränderte Tiere aus ethischen Gründen vollständig zurücknimmt. Der Deutsche Tierschutzbund und die anderen Organisationen des Bündnisses hoffen, dass die Entscheidung einen Wendepunkt bedeutet und in Zukunft auch für andere Fälle bindend sein wird. Dr. Stephanie Link, Referentin für Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund, ist überzeugt, dass Experimente an gentechnisch veränderten Tieren grundsätzlich keine nennenswerten Beiträge für die Biomedizin liefern. „Selbst Wissenschaftler, die mit genmanipulierten Tieren arbeiten, räumen ein, dass die von ihnen erschaffenen künstlichen Systeme oft nur wenig mit den sehr viel komplexeren Lebensumständen von uns Menschen zu tun haben, die wiederum zur Entstehung von Krankheiten beitragen.“ Ein Beispiel hierfür ist die „Harvard-Krebsmaus“, die 1988 in den USA patentiert wurde und an der Wissenschaftler Therapiemethoden gegen Krebs testen wollten. Erschaffen hatten sie diese Maus, indem sie ein menschliches Brustkrebsgen in Mäuseembryonen einschleusten. Diese vermeintliche „Erfindung“ brachte jedoch nicht den ersehnten Durchbruch. Denn es gibt bis zu 100 verschiedene Arten von Brustkrebs, die auch aus verschiedenen Genen und deren Zusammenspiel entstehen können. Da die Krebsmaus aber nur ein mutiertes Brustkrebsgen aufwies, brachte sie die Forschung nach effektiven Krebstherapien so gut wie nicht voran. Während der medizinische Nutzen solcher Patente höchst fragwürdig ist, stehe für viele Antragsteller das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund, kritisiert Link. „Genau dadurch setzen Patente falsche Anreize und tragen mit dazu bei, dass der Einsatz von Tieren in der Genforschung immer weiter steigt.“ Allein in Deutschland habe sich nach offiziellen Statistiken die Zahl der in Versuchen eingesetzten genmanipulierten Tiere innerhalb eines Jahrzehnts beinahe verdreifacht. Seit in Europa 1992 erstmals eine Krebsmaus als Erfindung deklariert wurde, erteilte das EPA über 1.500 weitere Tierpatente.

Tierpatente vollständig verbieten

Neben Mäusen und Menschenaffen sind auch Ratten, Fische, Schweine, Kühe, Pferde sowie Hunde und Katzen die Leidtragenden solcher Experimente. Berühmtestes Beispiel für ein patentiertes Tier ist Dolly, das geklonte Schaf. Für all diese Tiere seien solche Versuche eine ungeheure Qual, so Link. Das betreffe auch die „Spendertiere“, also die weiblichen Tiere, denen die Forscher Eizellen entnehmen, sowie die „Ammentiere“, die die genmanipulierten Tiere austragen. „Um überhaupt genetisch veränderte Tiere zu erschaffen, sind oft viele hundert Versuche notwendig, in denen Wissenschaftler sie künstlich krank machen. Tiere, die die gewünschten genetischen Veränderungen nicht aufweisen, werden getötet.“ Die Zahl der Tiere, die für diese Zwecke leiden und sterben, sei also sehr hoch – dazu gehören auch die zahlreichen Totgeburten und Tiere, die mit Schäden zur Welt kommen, so Link. „Wir fordern ein vollständiges Verbot der Patentierung von Tieren. Fühlende Lebewesen zu ‚Erfindungen‘ oder Objekten zu degradieren, derweil sie in der Forschung anstelle des Menschen leiden müssen, ist ethisch nicht akzeptabel.“ Tiere dürfen keinesfalls für profitable Geschäfte leiden und ihr Leben lassen. Vielmehr sollten Wissenschaftler sich darauf konzentrieren, bessere, tierleidfreie Methoden zu entwickeln, damit überholte, grausame Tierversuche so bald wie möglich der Vergangenheit angehören.

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