Flutkatastrophe jährt sich

„Aufgeben war keine Option“

Aus dem Print-Magazin
Flutkatastrophe jährt sich

„Aufgeben war keine Option“

Während der Flutkatastrophe vor einem Jahr kämpften Tierschützer ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit um die ihrer Tierheimtiere. Der Deutsche Tierschutzbund unterstützt sie seitdem nach Kräften. Die Einrichtungen müssen dringend nachrüsten, damit ihre Schützlinge künftig vor Starkregen, Stürmen und Fluten sicher sind. Doch vielerorts fehlt das Geld dafür.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

„Diese Geräuschkulisse war nicht zu überhören. Es war das Dröhnen von Wasser, welches rasend schnell und wuchtig den Fluss entlang schoss“, erinnert sich Ann-Katrin Kruska, Tierpflegerin im Tierheim Solingen, an den 14. Juli vergangenen Jahres. Eher zufällig hatte sie in den späten Abendstunden noch gearbeitet. Was sie in den folgenden Stunden erlebte, ist wie das Schicksal von Tausenden Betroffenen der damaligen Flutkatastrophe in West-und Süddeutschland für Außenstehende kaum zu begreifen. Tote Menschen und Tiere, Verletzte, zerstörte Orte, in Sekunden weggespülte Existenzen. Dieses Ausmaß des Hochwassers konnte Kruska nicht erahnen. Sie hatte nur ein Ziel: ihre Schützlinge in dem dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossenen Tierheim in Sicherheit zu bringen. „Ich wusste nicht, wie es mir gelingen sollte, alle Hunde in die erste Etage umzusiedeln, aber Aufgeben war keine Option.“

Helfer kommen aus dem ganzen Umland

Die Wupper stieg so hoch, dass die vom Tierschutzverein Bergisch Land betriebene Einrichtung von der Außenwelt abgeschnitten war. Gängige PKW konnten den Waldweg nicht mehr befahren. Die Behörden warnten Andrea Kleimt, Erste Vorsitzende des Vereins, zudem wiederholt vor einer drohenden lebensgefährlichen Flutwelle. „Trotzdem kamen Menschen mit SUV und Cruisern, um uns zu helfen“, berichtet sie. Sie fuhren durch das steigende Wasser, um die Tiere zu befreien. Viele Helfer von Mitgliedsvereinen des Deutschen Tierschutzbundes, die Kleimt in einer Chatgruppe über das Unglück informiert hatte, machten sich aus der ganzen Region umgehend auf den Weg.

Hündin Mara büxte in der Katastrophennacht unbemerkt aus. Niemand wusste, ob sie der Flut entkommen konnte. Am nächsten Tag entdeckten Tierschützer Mara in einem Nachbardorf und brachten sie völlig verdreckt ins Tierheim Solingen zurück. Wie sie sich retten konnte, bleibt ein Rätsel.

Alle Tiere mit vereinten Kräften gerettet

Währenddessen gaben die Retter im Heim alles, um die Hunde aus der Gefahrenzone zu bringen. Sie bewahrten auch viele wilde, panische und kratzende Kitten vor den Fluten – nicht ohne Schrammen. Mit vereinten Kräften, durch Menschenketten im tiefen Wasser, konnten sie alle Tiere retten oder in der sicheren ersten Etage des Tierheims unterbringen. Die hinzugeeilten Tierschutzvereine, Pflegestellen, Gassigänger und Freunde des Tierheims nahmen sie auf. „Wir sind durch die bedingungslose Solidarität, die uns zuteilwurde, mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Kleimt. Um die Folgen des Hochwassers zu beseitigen, erhielt der Verein 20.000 Euro vom Deutschen Tierschutzbund. Damit schafft er unter anderem wetterfeste Hundehütten an.

54 Vereine und Landesverbände erhalten Zuschüsse

Insgesamt 54 Tierschutzvereine und Landesverbände unterstützte der Deutsche Tierschutzbund in den Wochen nach der Flut mit jeweils bis zu 20.000 Euro. Darüber hinaus errichtete der Verband unmittelbar nach der Katastrophe eine Basisstation für die Tierretter an der Ahr (mehr dazu lesen Sie hier). Der Dachverband schaltete eine zentrale Hotline für Notfälle, informierte auf der Website tierheime-helfen.de über Hilfsangebote und finanzierte die Tierrettung zeitweise. Dabei arbeitete er auch eng mit dem Bundesverband der Gemeinschaft Deutscher Tierrettungsdienste zusammen. Die Kooperation soll intensiviert werden. Das Team von FINDEFIX, dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes, ließ nichts unversucht, Tiere und Halter wieder zusammenzubringen. „Die physische und auch psychische Belastung war enorm. Mein Dank gilt allen, die unermüdlich im Einsatz waren, genauso wie den vielen Tierfreunden, die es durch ihre Spende ermöglichen, dass wir den Tierrettern und Tierheimen zur Seite stehen konnten und können“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

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Schutz vor Unwettern für Tierheime kaum bezahlbar

Auch ein Jahr später steckt der Schreck allen Betroffenen noch in den Knochen. „Vielen Tierschutzvereinen bereiten die Expertenwarnungen vor immer häufigeren Unwettern im Zuge des Klimawandels große Sorgen. Denn sie müssen ihre Tierheime dringend gegen Katastrophen nachrüsten, indem sie beispielsweise Zäune durch staufeste Mauern ersetzen“, sagt Schröder. Mit ihren ohnehin schon knappen Mitteln können die Vereine solche Baumaßnahmen kaum stemmen. Mit seinem Bauhilfefonds bezuschusst der Deutsche Tierschutzbund daher Vereine, die ihre Tierheime für die Tiere renovieren, sanieren oder neu bauen müssen. Das Tierheim Solingen pflastert so beispielsweise Teile des Untergrundes und installiert eine Drainage für einen besseren Wasserabfluss. „Dass wir als Verband und damit die vielen Spender und Förderer die finanziellen Lücken auffüllen müssen, kann aber keine Dauerlösung sein“, erklärt Schröder. Darum fordert der Deutsche Tierschutzbund bundesweite Investitionshilfen, um die vielen sanierungsbedürftigen Tierheime, die Aufgaben der Kommunen übernehmen, instand zu setzen und den Katastrophenschutz zu ermöglichen. Damit beim nächsten Wetter niemand Leib und Leben riskieren muss und die Tiere sicher sind.

Bauhilfe ist Tierhilfe

Bildrechte: Artikelheader: Fortuna helping hearts Foundation e.V. (Vogelperspektive); Fotos: Tierheim Solingen (Hündin Mara); stock.adobe.com – Phoomin (Hund im Wasser)