Tierschutz leben

Schnelle Hilfe im Ernstfall

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Schnelle Hilfe im Ernstfall

Tritt ein medizinischer Notfall ein, zählt oft jede Sekunde – das gilt für Mensch und Tier. Damit Sie als Tierhalter gut vorbereitet sind, falls Ihr Hund oder Ihre Katze sich verletzen oder in Lebensgefahr schweben, zeigt DU UND DAS TIER, wie Sie Erste Hilfe leisten.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Wenn Haustierbesitzer im Ernstfall Erste-Hilfe-Maßnahmen anwenden und ihren Schützling schnell zum Tierarzt bringen, kann das vierbeinige Familienmitglied sich hoffentlich gut von den erlebten Strapazen erholen.

Was ist zu tun, wenn sich der eigene Hund oder die Katze eine größere Verletzung zuziehen, Atemnot zeigen oder sich vergiftet haben? Grundsätzlich gilt: In Notsituationen sollten Haustierbesitzer möglichst schnell einen Tierarzt aufsuchen. Aber es gibt auch Erste-Hilfe-Maßnahmen, die Tierhalter zunächst selbst im Ernstfall vornehmen können. Lisa Hoth und Dr. Moira Gerlach, Referentinnen für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, geben Tipps.

DAS ABCD-SCHEMA

„In Notfällen wie Atemlosigkeit, Herzstillstand oder Bewusstlosigkeit gilt: Ruhe bewahren“, erläutert Dr. Gerlach. „Damit Halter nicht hilflos reagieren, sollten sie das sogenannte ABCD-Schema verinnerlichen.“ Die Abkürzung steht für Atemwege freimachen, Beatmen, Compression (Kompression/Druck) und Drugs (Medikamente).

ATEMWEGE FREIHALTEN: Befindet sich im Maul der Katze oder des Hundes ein Fremdkörper, muss dieser vorsichtig entfernt werden. Das gilt ebenso für Schleim oder Erbrochenes. Damit die Atemwege frei bleiben, ziehen Helfer danach die Zunge nach vorne. Sie sollten aber unbedingt aufpassen, nicht selbst gebissen zu werden.

BEATMEN: Wenn das Haustier nicht mehr atmet, hilft nur, es über die Mund-zu-Nase-Technik zu beatmen. Ersthelfer ziehen hierfür die Zunge des Tieres zwischen die Zähne nach außen und halten die Schnauze geschlossen. Um den Kopf zu fixieren, legt der Tierhalter Daumen und Zeigefinger vorsichtig wie einen Ring um die Nasenöffnung. Dann wird achtbis zwölfmal pro Minute in die Nasenlöcher gepustet. Wer sich dabei vor Bakterien schützen will, kann auch ein leichtes Tuch über die Schnauze legen. Ob das Beatmen funktioniert, erkennen Besitzer daran, wie sich der Brustkorb hebt und senkt.

COMPRESSION: Ist das Herz stehen geblieben, müssen Helfer unverzüglich eine Herzdruckmassage anwenden. „Ideal ist ein Rhythmus von 60 bis 80 Kompressionen pro Minute“, erläutert Dr. Gerlach. Das Herz liegt zwischen der dritten und siebten Rippe. Die Tiere sollten hierbei auf der rechten Körperseite auf festem Untergrund liegen. Bei großen Hunden führen Helfer die Herzdruckmassage mit beiden Händen aus, bei Katzen und sehr kleinen Hunden reicht eine Hand aus. „Bei Katzen legen Halter die linke Hand flach auf den Brustkorb und drücken mit dem Daumen oder zwei Fingern der rechten Hand auf die flache linke Hand“, so Dr. Gerlach. Nach jeweils zehn bis 15 Kompressionen wird das Tier ein- bis zweimal beatmet.

DRUGS: Wenn sich das Tier stabilisieren lässt, sollten Besitzer schnellstmöglich einen Tierarzt aufsuchen. Dieser entscheidet dann, ob und welche Medikamente und weiteren Behandlungen nötig sind.

ALLGEMEINE ERSTE-HILFE-TIPPS

Wundreinigung: Große Wunden oder Hautabrisse sollten gründlich mit klarem Wasser oder Kochsalzlösung aus der Apotheke ausgespült werden. „Danach ist es wichtig, die Wunde sofort sauber abzudecken, beispielsweise mit einer Wundauflage aus der Apotheke, und sie vorsichtig zu verbinden“, sagt Hoth.

Druckverband: Wenn eine Wunde stark blutet, sollten Tierhalter sie mit einem Druckverband fest verbinden.

Bei einem Hitzschlag: „Erleidet ein Haustier einen Hitzschlag, sollte das Tier auf keinen Fall plötzlich mit kaltem Wasser abgeduscht werden – die Abkühlung muss vorsichtig geschehen“, betont Dr. Gerlach. Nasse Tücher können dabei helfen. Zudem können Halter das Tier mit lauwarmem bis leicht kühlem Wasser befeuchten: Zuerst an Pfoten und Beinen, danach geht es in Richtung Körpermitte weiter.

Bei Unterkühlung: Auf dem Weg zur Klinik können Halter ihren Schützling wärmen, indem sie ihn in Decken oder Kleidung einpacken und nah am Körper halten. Auch eine warme, nicht heiße Wärmflasche kann helfen. Wichtig: Die Atemwege dürfen nicht zugedeckt sein.

Stabilisieren: Während der Fahrt zur Klinik muss der tierische Patient möglichst ruhig und gesichert liegen. Die verletzten Körperpartien sollten geschützt und die Atemwege frei sein. Liegt das Tier auf der Seite, sollten Kopf und Hals leicht gestreckt sein. Liegt es auf der Brust, braucht es eine weiche Unterlage für den Kopf.

Transport zum Auto: Besitzer sollten darauf achten, dass bei Katzen oder kleineren Hunden Nacken und Wirbelsäule gestützt werden. „Schwerere Vierbeiner trägt man hingegen besser mithilfe einer oder mehrerer Personen in einer großen Decke“, so Hoth.

Bei Vergiftungen: Es ist wichtig, keine Maßnahmen zu ergreifen, die zum Erbrechen führen. Ätzende Stoffe können die Speiseröhre erneut schädigen, erbrochene Substanzen könnten eingeatmet werden. Ein wichtiger Hinweis für den Tierarzt kann die Verpackung der giftigen Substanz sein.

NOTFÄLLE ERKENNEN

„Ist das Tier bewusstlos, atmet es nicht mehr oder hat es einen Herzstillstand, schwebt es in Lebensgefahr“, sagt Hoth. „Zu erkennen ist solch ein Notfall zum Beispiel, wenn der Hund oder die Katze nicht ansprechbar sind, keine bewussten Körperbewegungen zeigen oder die Augen starr oder zur Seite gedreht sind.“ Wenn sich der Brustkorb nicht mehr hebt und senkt, atmet das Tier nicht mehr – dies kann, ebenso wie Bewusstlosigkeit, auf einen Herzstillstand hinweisen. Lieber nicht eingreifen sollten Halter hingegen, wenn sich das Tier unkontrolliert bewegt, sagt die Expertin. „Es kann sich um einen Krampfanfall handeln – da das Tier dann sich selbst oder den Helfer gefährden könnte, sollte es keinesfalls angefasst werden.“ Ist bekannt, dass der tierische Patient Epilepsie hat, können Halter ihm das Notfallmedikament als Zäpfchen geben. „Ist die Ursache aber ungewiss, sollten sie das Tier direkt zum Tierarzt bringen. Dauert der Krampfanfall länger, ist es am besten, das Tier in eine Decke einzuwickeln und im Auto zu transportieren.“


Sobald Tierhalter den Verdacht haben, dass ihr Hund oder ihre Katze mit etwas Schädlichem in Kontakt gekommen ist, sollten sie sofort einen Tierarzt aufsuchen.

Sobald Tierhalter den Verdacht haben, dass ihr Hund oder ihre Katze mit etwas Schädlichem in Kontakt gekommen ist, sollten sie sofort einen Tierarzt aufsuchen.

HILFE BEI VERGIFTUNGEN

Auch wenn Tierhalter den Verdacht haben, dass sich ihr Liebling vergiftet hat, müssen sie schnell handeln. Einen kurzen Moment nicht aufgepasst, kann es nämlich schnell passieren, dass der eigene Hund oder die Katze etwas fressen, was für sie giftig ist. Etwas dunkle Schokolade  kann zum Beispiel schon ausreichen, um bei Vierbeinern Erbrechen oder gar Herzrhythmusstörungen bis hin zum Tod auszulösen. Auch im Freien kann das geliebte Haustier giftige Substanzen wie Rattengift schlucken. Die Symptome können sich bei einer Vergiftung ganz unterschiedlich äußern – sobald Tierhalter den Verdacht haben, dass ihr Hund oder ihre Katze mit etwas Schädlichem in Kontakt gekommen ist, sollten sie sofort einen Tierarzt aufsuchen. Dr. Moira Gerlach und Lisa Hoth, Referentinnen für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, erläutern, was sonst noch zu tun ist.

„Damit der Tierarzt die richtige Behandlung einleiten kann, ist er auf die Unterstützung der Tierhalter angewiesen“, sagt Hoth. „Diese sollten daher die verdächtige Giftquelle in die Praxis mitnehmen, wenn möglich auch die Verpackung oder Produktbeschreibung – falls das Tier Medikamente verschluckt hat, auch den Beipackzettel.“ Ebenso sollten Tierbesitzer den Tierarzt sowohl über den Zeitpunkt und die Menge als auch über den Weg der Giftaufnahme informieren. Haben der Hund oder die Katze das Gift gefressen, über die Haut aufgenommen oder eingeatmet? Auch angefressenes oder erbrochenes Material, das Halter in einem Plastiksack verpackt mitbringen können, gibt dem Tierarzt Aufschluss, so Hoth.

JEDER HINWEIS HILFT

Ebenfalls hilfreich sind Angaben, was der Hund oder die Katze sonst noch gefressen haben, ob sie Zugang zu Haushaltsreinigern oder giftigen Pflanzen hatten und ob in der näheren Umgebung eine Schädlings- oder Unkrautbekämpfung, zum Beispiel mit Rattengift oder Schneckenkorn vorgenommen wurde, fügt Dr. Gerlach hinzu. „Außerdem sollten Tierhalter den Tierarzt darüber informieren, ob der Hund oder die Katze in letzter Zeit gegen Parasiten behandelt und ob ihnen bestimmte Medikamente verabreicht wurden. Könnte das Tier vielleicht auch Zugang zu Medikamenten gehabt haben, die eigentlich für den Menschen bestimmt waren?“ Wichtig sind laut der Expertin auch Angaben, ob sich in der Umgebung des Tieres etwas verändert hat. Fanden zum Beispiel Reinigungs- oder Malerarbeiten statt?

Einen kurzen Moment nicht aufgepasst, kann es passieren, dass der eigene Hund oder die Katze etwas fressen, was für sie giftig ist.

Einen kurzen Moment nicht aufgepasst, kann es passieren, dass der eigene Hund oder die Katze etwas fressen, was für sie giftig ist.

ERSTE-HILFE-MASSNAHMEN

Es gibt aber auch Erste-Hilfe-Maßnahmen, die Tierbesitzer zunächst selbst durchführen können, sagt Dr. Gerlach: „Wenn zum Beispiel der Hund oder die Katze unaufhörlich erbrechen, ist es wichtig, ihre Atemwege freizuhalten. Besitzer sollten hierbei vorsichtig die Maulhöhle ihres Schützlings von Schleim und Erbrochenen befreien, den Kopf möglichst nach unten halten und die Zunge herauslagern.“

Sollte das Tier nicht mehr atmen, benötigt es eine Herzdruckmassage gekoppelt mit einer Mund-zu-Nase-Beatmung. Halter sollten aber keinesfalls selbst bei ihrem Hund oder ihrer Katze Erbrechen auslösen, da dann das Risiko besteht, dass sie ersticken. Auch wenn das Tier bewusstlos ist, schwebt es in Lebensgefahr und muss sofort zum Tierarzt. Ebenso kann es passieren, dass der Hund oder die Katze einen Krampfanfall erleiden. In dem Fall sollten Tierhalter versuchen, ihren Liebling zu beruhigen und umherliegende Gegenstände zu entfernen, an denen das Tier sich verletzen könnte. Dabei ist es immer wichtig, dass Halter sich selbst vor Bissen und Kratzern schützen.

Grundsätzlich raten die beiden Expertinnen, keine giftigen Substanzen in der Umgebung des Tieres zu lagern oder auszulegen. So sollten Tierhalter zum Beispiel kein Schneckenkorn im Garten verteilen und Frostschutzmittel und Putzmittel immer fest verschlossen und unerreichbar für die Tiere lagern.

GIFTNOTRUFZENTRALEN UND GIFTINFORMATIONSZENTREN IN DEUTSCHLAND

In Deutschland befinden sich acht Giftinformationszentren (GIZ), die eine medizinische Notfallberatung zu Vergiftungen anbieten. Rein tiermedizinische Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren gibt es allerdings bislang nicht. Die Mitarbeiter in den genannten humanmedizinischen Zentren können aber in einigen Fällen auch die Gefahr der Vergiftung bei Tieren einschätzen und ihre Halter entsprechend beraten.

Berlin: Giftnotruf Berlin
Berliner Betrieb für Zentrale gesundheitliche Aufgaben, Institut für Toxikologie-Klinische Toxikologie und Giftnotruf Berlin
Telefon: 030/19240
Oranienburger Straße 285
13437 Berlin

Bonn: Informationszentrale gegen Vergiftungen
Zentrum für Kinderheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/19240 und 0228/28733211
Adenauerallee 119
53113 Bonn

Erfurt: Giftinformationszentrum
Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, c/o HELIOS Klinikum Erfurt
Telefon: 0361/730730
Nordhäuser Straße 74
99089 Erfurt

Freiburg: Vergiftungs-Informations-Zentrale
Telefon: 0761/19240
Hugstetter Strasse 49
79106 Freiburg

Göttingen: Giftinformationszentrum-Nord
Georg-August-Universität – Bereich Humanmedizin, Beratung durch ein Ärzteteam aus den Bereichen Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Psychiatrie/Suchtforschung, Pharmakologie/Toxikologie, public health, unterstützt durch zwei Chemiker
Telefon: 0551/19240
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen

Homburg/Saar: Informations- und Beratungszentrum
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gebäude 9
Telefon: 06841/19240
Kirrberger Straße
66421 Homburg/Saar

Mainz: Giftinformationszentrum Rheinland-Pfalz/Hessen
Johannes-Gutenberg-Universität, II. Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinische Toxikologie
Telefon: 06131/19240 und 06131/232466
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz

München: Giftnotruf und Abteilung für Klinische Toxikologie
Medizinische Klinik rechts der Isar der Technischen Universität München
Telefon: 089/19240
Ismaninger Straße 22
81675 München