Titelthema

Ohne vernünftigen Grund – erbarmungslos gejagt

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Ohne vernünftigen Grund – erbarmungslos gejagt

Bis heute ist es in gewissen gesellschaftlichen Kreisen en vogue, auf die Jagd zu gehen. Dabei verkauft die Jägerschaft die Jagd nach wie vor als Lebenseinstellung, bei der die Liebe zur Natur an erster Stelle steht. Unter diesem Deckmantel tötet sie jedes Jahr über vier Millionen Wildtiere, in nicht unbeträchtlicher Zahl auf grausame Art und Weise. Auch geschützte Arten zählen zu ihren Opfern. Kann das Liebe sein? Jetzt soll das Bundesjagdgesetz novelliert werden.

  • Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER

Deutschlands Jäger töten jedes Jahr weit über vier Millionen Wildtiere.

Die kühle Nacht liegt noch in der Luft, leichter Nebel schwebt zwischen den Bäumen und der Boden riecht angenehm erdig. Während mit den ersten Sonnenstrahlen ein neuer Tag beginnt, kehren die Wildschweine satt von ihrer nächtlichen Erkundungstour zurück. Tagsüber halten sie sich meist in schützender Deckung unter Büschen und Sträuchern auf, während Füchse sich in ihrem Bau verstecken und Waschbären gerne in Baumhöhlen schlafen. Viele der heimischen Waldbewohner sind vor allem abends in der Dämmerung und nachts aktiv – und ihr Leben findet für uns meist im Verborgenen statt. Während die einen früh morgens schlafen gehen, erwachen die anderen. Mit der Morgendämmerung erfüllen Amseln, Meisen und Rotkehlchen den Wald mit ihrem Gesang, während Enten und Gänse im Wasser der nahegelegenen Seen nach schmackhaften Pflanzen stöbern. Auch die ersten Rehe und Hirsche wagen sich früh morgens aus ihrer Deckung und laufen auf der Suche nach Gräsern, Knospen und Kräutern leichtfüßig über den noch kühlen Waldboden oder springen über das nasse Gras der Lichtungen. Eine idyllische Szenerie. Doch dann erschallt lautes Gebell, Hunde scheuchen die Rehe auf, mehrere Schüsse ertönen – und die ersten von ihnen fallen nahezu lautlos zu Boden. Ihre Herzen bluten und ihr Leben erlischt. Die romantische Vorstellung von dem Leben wilder Tiere im Wald trügt. Denn Deutschlands Jäger töten jedes Jahr weit über vier Millionen von ihnen. Darunter mehr als 1.200.000 Rehe, über 880.000 Wildschweine, mehr als 450.000 Füchse, über 360.000 Wildtauben und über 200.000 Waschbären. Dazu kommen fast 300.000 Enten, mehr als 230.000 Feldhasen, über 100.000 Gänse, knapp 10.000 Waldschnepfen, über 4.600 Wiesel und viele Arten mehr.

Zahlreiche Gänse, Enten aber auch Höckerschwäne, Möwen und Blässhühner werden bei der Jagd mit Schrot nur verletzt und verstümmelt. Dann sterben sie entweder nach einem längeren Todeskampf oder leben verkrüppelt weiter.

Novelle mehr als überfällig

Bis heute räumt das Bundesjagdgesetz (BJagdG) einer Gruppe innerhalb unserer Gesellschaft, den sogenannten Jagdausübungsberechtigten, die entweder Eigentümer oder Pächter eines Jagdbezirks sind, spezielle Vorrechte ein. Mit dem Jagdrecht erhalten sie die Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, „zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen“. Das betrifft hierzulande etwa 100 Arten, darunter auch bedrohte Tiere. Für viele Jäger ist die Jagd ein Freizeitvergnügen. Oder sie betrachten es als besonderes Privileg, zu einer „Elite“ zu gehören. 2020 gingen über 397.000 Menschen auf die Jagd. Das sind fast 9.000 mehr als im Jahr zuvor. Während die Jägerschaft so seit Jahren kontinuierlich an Zuwachs gewinnt, stellt sich aus Tierschutzsicht längst grundsätzlich die Frage, ob das gängige Verständnis von Jagd überhaupt noch gerechtfertigt und mit dem Staatsziel Tierschutz vereinbar ist. „Aus unserer Sicht ist diese Frage klar mit Nein zu beantworten“, sagt James Brückner, Leiter der Abteilung Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Auch in der Gesamtgesellschaft hat sich die Einstellung zum Umgang mit Tieren in den letzten Jahrzehnten – zum Glück – verändert. „Wir sind davon überzeugt, dass viele Menschen die Jagd, wie sie heute statt findet, ebenfalls ablehnen würden, wenn sie wüssten, was in den Wäldern genau vor sich geht“, sagt Brückner. Doch das jagdliche Treiben findet weitestgehend unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit statt. So sind die letzten 45 Jahre ins Land gegangen, ohne dass sich grundlegend etwas verändert oder für die Tiere verbessert hat. Jetzt soll das Bundesjagdgesetz novelliert werden und die dafür zuständige Bundesministerin Julia Klöckner feiert sich schon für die erste größere und umfassende Novelle seit 1976. „Doch der Rückhalt der Jägerschaft in der Politik ist nach wie vor riesig und der Tierschutz kommt auch in dem neuen Entwurf viel zu kurz“, kritisiert Brückner. Darüber hinaus ist unklar, ob die geplante Novelle überhaupt kommt. Denn ihr Beschluss wird derzeit im Bundestag immer wieder aufs Neue vertagt. Da die aktuelle Legislaturperiode bald endet, ist fraglich, wie das Ganze ausgeht.

Waschbären werden in Deutschland mit Fallen gejagt. Im schlimmsten Fall sind sie mit zertrümmerten Gliedmaßen darin gefangen, bis sie von ihrem Leid erlöst werden.

Verletzt und verstümmelt

Doch unabhängig davon, ob das Gesetz novelliert wird oder nicht: Wirklich eklatante Tierschutzprobleme werden nach wie vor völlig ignoriert. So soll es laut dem aktuellen Entwurf zum Beispiel auch weiterhin erlaubt sein, Vögel mit Schrot zu schießen. Auf diese Art und Weise werden vor allem Enten und Gänse, aber auch Höckerschwäne, Möwen, Blässhühner und weitere Wasservögel bejagt. Dabei feuern oft mehrere Jäger gleichzeitig mit einer großen Menge Schrotkugeln auf eine vorbeifliegende Vogelgruppe. „Da sich die Kugeln mit der Entfernung trichterförmig zerstreuen, wird mitunter ein Teil der Tiere nicht tödlich getroffen, sondern nur verletzt und verstümmelt“, erklärt Brückner. Diese Vögel sterben dann entweder nach einem längeren Todeskampf oder leben verkrüppelt weiter. „Schätzungen gehen davon aus, dass auf ein erfolgreich abgeschossenes Tier bis zu zwei weitere kommen können, die angeschossen werden und später verenden.“ Aus Tierschutzsicht gibt es dafür nur eine Lösung: Die Jagd mit Schrot muss umgehend verboten werden. Denn abgesehen davon, dass sie in besonders schwerer Weise gegen das Gebot zur größtmöglichen Schmerzvermeidung verstößt, das im Tierschutzgesetz definiert ist, ist sie auch dafür verantwortlich, dass Familienverbände, zum Beispiel von Grau- oder Kanadagänsen, auseinandergerissen werden. Jungvögel, die sich auch nach der Aufzucht durchaus noch an ihren Eltern orientieren, verlieren so den für sie überlebenswichtigen Anschluss. Die pauschale Jagd auf Gänse, ganz gleich in welcher Form, ist grundsätzlich abzulehnen. Auch für die Jagd auf Enten, Höckerschwäne, Möwen, Säger, Schnepfen, Blässhühner und viele weitere Vogelarten wie Tauben oder Fasane gibt es einfach keinen vernünftigen Grund. „Vielmehr trägt Deutschland eine große Verantwortung und sollte sich für den Schutz dieser Tiere einsetzen, anstatt sie zu töten. Das gilt sowohl für die heimische Vogelwelt als auch für die Vogelschutz- und Rastgebiete, die zusätzlich zu den Gänsen vielen weiteren international wandernden Zugvögeln einen Lebensraum bieten. Gerade dort sollte die Jagd tabu sein“, sagt Brückner.

Die Jagd auf Füchse und andere Beutegreifer ist nicht nur grausam, sondern auch mehr als fraglich. Die Argumente der Jäger greifen zu kurz.

In der Falle

Während dieses sinnlose Sterben der Vögel aufgrund der Untätigkeit der Politik vermutlich auch in den nächsten Jahren weitergehen wird, ereilt Waschbären ein anderes, aber genauso schlimmes Schicksal, das bei der geplanten Novelle des Bundesjagdgesetzes ebenfalls hinten runterfällt. Und zwar werden sie – und das soll auch zukünftig so bleiben – entweder mit Lebendfallen gefangen und anschließend vom Jäger erschossen oder mit Totschlagfallen direkt getötet. Soweit die Theorie. „In der Praxis ist der unmittelbare Tod mit einer Totschlagfalle aber nicht in allen Situationen gewährleistet. Gerade bei Waschbären kommt es immer wieder vor, dass die Tiere nur verletzt werden.“ Sie sind dafür bekannt, alles mit ihren Pfoten zu ertasten, sodass sie im schlimmsten Fall mit zertrümmerten Gliedmaßen in der Falle hängen, bis sie von ihrem Leid erlöst werden – und das kann von zwölf bis zu 24 Stunden dauern. Denn Totschlagfallen müssen laut Vorschrift in den meisten Bundesländern zweimal, in einigen auch nur einmal am Tag kontrolliert werden, ebenso Lebendfallen. Auch wenn Letztere auf den ersten Blick besser klingen, sind auch diese problematisch, weil die gefangenen Tiere darin unter großem Stress leiden können. „Immer wieder gibt es Fälle von in Lebendfallen verendeten Tieren, gerade Wiesel sind hier extrem anfällig“, berichtet Brückner. Darüber hinaus landen Waschbären, aber auch Dachse, Marderhunde, Steinmarder und Hauskatzen immer wieder in Fallen, die zum Beispiel für Füchse aufgestellt wurden. Dann werden die Tiere, die zu groß für die aufgestellte Falle sind, zu weit vorn erfasst, langsam erwürgt und erstickt. Die Tiere, die zu klein für die betreff ende Falle sind, werden zu weit hinten getroffen und schwer verletzt. Die Vorstellung von den Schmerzen, die all diese Tiere in Todesangst ertragen müssen, ist kaum auszuhalten. Die Fallenjagd gehört daher grundsätzlich verboten. Hinzu kommt, dass eine Jagd auf Füchse und andere Beutegreifer generell mehr als fraglich ist. Denn das gern genutzte Argument der Jäger, dass deren Bejagung anderen, bedrohten Arten helfen könne, greift zu kurz. „Der Rückgang gefährdeter Bodenbrüter wie Rebhühner oder Kiebitze ist beispielsweise vor allem auf die Intensivierung der Landwirtschaft zurückzuführen“, so Brückner.

Obwohl Tiere wie Iltis, Baummarder oder Feldhase gefährdet sind, unterliegen sie in Deutschland dem Jagdrecht.

Bedroht und trotzdem gejagt

Doch die Novelle geht diese tierschutzwidrigen Methoden genauso wenig an wie das sinnlose Töten. Auch die Jagd auf bedrohte Arten soll zukünftig erlaubt bleiben. Obwohl Tiere wie Baummarder, Iltis, Feldhase oder Rebhuhn gefährdet sind, unterliegen sie in Deutschland dem Jagdrecht. „Jedes Jahr werden somit zigtausende Tiere getötet, deren Art offiziell bereits als gefährdet gilt oder auf einer Vorwarnstufe der Roten Liste steht“, kritisiert Brückner. „Zumindest auf die Bejagung des Iltisses sollte beispielsweise vor dem Hintergrund seiner Gefährdung ausdrücklich verzichtet werden.“ Zudem entbehrt das von der Jägerschaft genutzte Argument, dass auch diese Tiere andere Arten bedrohen, ebenfalls jeglicher Grundlage. Zumal sie – wie Waschbären – mit Fallen gefangen werden, was so oder so tierschutzwidrig ist. Ebenso irrsinnig ist die Jagd auf Feldhasen. Auch wenn der Rückgang dieser Tiere noch nicht in allen Bundesländern spürbar ist, gelten sie laut Roter Liste als gefährdet, weil ihnen die industrielle Landwirtschaft zu schaffen macht. Das Gleiche gilt für Rebhühner, deren Bestände in den letzten Jahren massiv eingebrochen sind. In einigen Bundesländern wird zwar inzwischen auf die Bejagung der Vögel verzichtet, dennoch weist die Jagdstatistik im Jahr immer noch knapp 2.000 Tiere auf, auch wenn hier verunfallte und tot aufgefundene Individuen mitgezählt werden. „Zumindest alle gefährdeten sowie streng geschützten Arten sollten aus dem Jagdrecht entlassen werden“, fordert Brückner.

Immer mehr Rehe, Hirsche und Wildschweine werden in Bewegung gejagt. Regelmäßig flüchten angeschossene und schwer verletzte Tiere in Panik und verenden anschließend elendig.

Noch mehr Rehe dem Tod geweiht

All diese Beispiele zeigen: Die Liste der unangetasteten Missstände, die auch durch das geplante neue Bundesjagdgesetz weiter legitimiert werden, ist lang – und das sind nur einige von vielen. Zusätzlich enthält der aktuelle Entwurf eine Ergänzung, die die Lage von Rehen, Hirschen und Wildschweinen in Bezug auf den Tierschutz sogar noch verschlechtern könnte. So soll zukünftig „eine Verjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen“ ermöglicht werden. Im Klartext bedeutet das, dass so viele Rehe getötet werden sollen, dass junge Bäume ohne den Schutz aus Plastikhüllen oder Einzäunungen aufwachsen können. Also ohne dass die Tiere sie fressen. „Wenn die Ergänzung beschlossen wird, rechnen wir mit noch längeren Jagdzeiten, aufgehobenen Schonzeiten sowie dem tolerierten Abschuss von Elterntieren, was bedeutet, dass Kitze und Hirschkälber elend verhungern würden“, sagt Brückner. „Hier kommt der seit vielen Jahren schwelende ‚Wald vor Wild‘-Konflikt zum Tragen, bei dem jagdliche Interessen auf forstwirtschaftliches Profitdenken stoßen und Umweltschutzbelange zumindest teilweise dem Tierschutz gegenüberstehen.“ Es besteht kein Zweifel daran, dass die durch den Klimawandel stark geschädigten Wälder mehr Schutz brauchen. Dazu gehört auch, dafür zu sorgen, dass Rehe und Hirsche nicht zu viele junge Bäume fressen. „Auch wir Tierschützer sind auf gesunde, naturnahe Mischwälder angewiesen, da diese vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. Doch der Tierschutz darf bei der Jagd trotzdem nicht in den Hintergrund treten“, so Brückner.

Fehlende Schießfertigkeit

Die Problematik der geschädigten Wälder ist vielfältig und muss über verschiedene Maßnahmen verbessert werden. Der alleinige Abschuss von unzähligen Tieren kann nicht die Lösung sein. Darüber hinaus könnte dieser eine Entwicklung noch verschlimmern, die Tierschützern schon lange Sorgen bereitet. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich in Teilen der Forstwirtschaft und Jägerschaft zunehmend die Meinung durchgesetzt, dass man mit der üblichen Ansitzjagd, bei dem ein oder mehrere Jäger von einem Hochsitz auf stehende oder langsam ziehende Rehe schießen, alleine nicht mehr auskommt. So werden Rehe, Hirsche, aber auch Wildschweine zunehmend bei sogenannten Bewegungsjagden erschossen. Dabei werden die Tiere, wie der Name schon sagt, gezielt mobilisiert und dann auf der Flucht durch mehrere, an speziellen Standplätzen abgestellte Jäger getötet. „Je mehr sich ein Tier bewegt, desto höher sind jedoch die Ansprüche an den Schützen“, so Brückner. Doch die nötige Schießfertigkeit kann bei weitem nicht immer gewährleistet werden. „Daher kommt es regelmäßig vor, dass die Jäger Tiere bei diesen Bewegungsjagden lediglich anschießen und schwer verletzen.“ Wenn diese dann in Panik flüchten, verenden sie oft elendig. Denn die Nachsuche der Jäger dauert meist Stunden – manche Tiere werden gar nicht gefunden. „Wenn es sich bei den angeschossenen Tieren um Muttertiere handelt, ist zusätzlich der Nachwuchs auf sich allein gestellt und so ebenfalls dem Tod geweiht.“ Hinzu kommt, dass der durch diese Jagden verursachte Lärm Stress für alle Waldbewohner bedeutet. „Insofern sollten sie auf wenige Gelegenheiten im Herbst beschränkt werden. Zudem ist es eine absolute Voraussetzung, dass die Schützen besonders gut schießen können.“ Laut der Novelle soll künftig zumindest ein Schießübungsnachweis für die Teilnahme an Bewegungsjagden vorgeschrieben werden. „Das ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, beweist die tatsächliche Schießfertigkeit aber noch lange nicht“, so Brückner. „Denn trotz verstärkten Übungsaufwandes wird es weiterhin Personen geben, die auch nach reichlicher Übung auf dem Schießstand nicht in der Lage sind, ein befriedigendes Ergebnis auf bewegte Ziele zu erreichen.“ Als Lösung schlägt der Deutsche Tierschutzbund eine Mindesttrefferquote bei den Schießübungen vor. „Nur dann kann eine einigermaßen tierschutzgerechte Tötung, gerade bei flüchtenden Tieren, gewährleistet werden.“ Alle Personen, die diese Quote nicht auf Anhieb erreichen, müssen ausgeschlossen werden.

Chance vertan

Einzig positiv im aktuellen Entwurf ist das Vorhaben, dass zukünftig keine Greifvogel-Fangkörbe mehr mitgeführt und Tellereisen verkauft werden dürfen. „Damit wird die illegale Verfolgung von Greifvögeln und anderen Wildtieren langfristig zumindest erschwert“, so Brückner. Bisher sind sowohl Tellereisen als auch Fangkörbe ohne Weiteres im Handel erhältlich. Immer wieder werden Greifvögel und andere geschützte Tiere damit illegal gefangen oder verenden darin elendig. „Aber das war es auch schon mit den Verbesserungen in puncto Tierschutz.“ Denn neben zahlreichen weiteren Aspekten bleibt auch die Blei-Problematik unangetastet. „Es ist absolut unverständlich, dass kein totales Verbot giftiger Bleimunition vorgesehen ist“, kritisiert Brückner. Dabei ist längst bekannt, dass Seeadler und andere Greifvögel, die Reste von mit Bleimunition erlegten Tieren fressen, elend an Bleivergiftungen zugrunde gehen. Ebenso sterben Schätzungen zufolge in der EU mehr als eine Million Wasservögel, welche die winzigen Bleischrote beim Gründeln aufnehmen. Und das, obwohl bereits seit vielen Jahren bleifreie Geschosse existieren, welche dieselbe Tötungswirkung bei der Schussabgabe entfalten und keine negativen Umweltauswirkungen aufweisen. Immerhin: Trotz erheblichem Widerstand, vor allem aus Deutschland und dem Bundeslandwirtschaftsministerium, hat die EU im letzten Jahr ein Verbot für die Jagd mit bleihaltiger Munition zumindest in Feuchtgebieten beschlossen.

Die Novelle des Bundesjagdgesetzes lässt nicht nur die Jagd auf geschützte Arten wie das Rebhuhn weiterhin zu, sondern legitimiert auch verschiedenste tierschutzwidrige Jagdmethoden.

Grundlegende Reform nötig

Doch im Großen und Ganzen bleibt das Gesetz von 1976 unverändert. „Und die Jägerschaft kann im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen bezüglich Tierschutz weiterhin fast ungestört tun, was sie will“, so Brückner. Dass das kein Zustand ist, den der Deutsche Tierschutzbund einfach so hinnimmt, versteht sich von selbst. „Wir haben bereits mehrere Stellungnahmen verfasst beziehungsweise mitverfasst, uns gemeinsam mit zahlreichen Verbänden in einem offenen Brief an Bundesministerin Klöckner gewendet und machen die Öffentlichkeit regelmäßig auf die Missstände und das politische Versagen aufmerksam.“ Dabei fordert der Verband vor allem eins: Das Bundesjagdgesetz muss grundlegend reformiert werden. „Wenn die Jagd weiter durchgeführt werden soll, bedarf sie einer zeitgemäßen Form, die auf den neuesten wildbiologischen Erkenntnissen basiert und tierschutzkonform ausgeübt wird“, so Brückner. Dabei sollte in Anlehnung an das Tierschutzgesetz auch der „vernünftige Grund“ für das Töten in das Bundesjagdgesetz aufgenommen werden. Als ‚vernünftig‘ ist ein Grund anzusehen, der einem schutzwürdigen menschlichen Interesse dient, das unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tieres. So mag die Verwertung von Tieren als Nahrungsmittel für viele Menschen gerechtfertigt sein, wenngleich eine Notwendigkeit der Jagd auf freilebende Tiere aus Gründen der Ernährungssicherung heutzutage eigentlich ausgeschlossen werden kann. Solange die Forderung nach einem vernünftigen Grund nicht umgesetzt wird, appelliert der Deutsche Tierschutzbund an die ethische Verantwortung aller Jäger. „Wer diese Verantwortung für die Mitgeschöpfe wirklich ernst nimmt, kann die Jagd im Grunde nur noch dann rechtfertigen, wenn sie für den unmittelbaren Schutz des Menschen unvermeidbar ist oder wenn es sich bei den getöteten Tieren um schwer kranke oder verletzte Tiere handelt, die auf eine andere Art und Weise nicht mehr zu retten waren.“

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