Durch die Krise lotsen

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Durch die Krise lotsen

Tierheimmitarbeiter leisten täglich großartige Arbeit. Um diese „Helden des Tierheimalltags“ vorzustellen, wirft DU UND DAS TIER in dieser Serie einen Blick hinter die Kulissen und widmet sich verschiedenen Schwerpunkten. Im ersten Teil zeigen wir, wie Mitgliedsvereine des Deutschen Tierschutzbundes mit der Corona-Krise umgehen. Denn Tierpfleger können nicht im Homeoffice arbeiten – schließlich sind Tausende Hunde, Katzen, Kleintiere und Co. darauf angewiesen, dass diese sie versorgen.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Die Tierheimmitarbeiter müssen die Kaninchen, Hunde, Katzen und Co. natürlich auch während der Corona-Krise versorgen.

Wenn es so weitergeht, wird es finanziell bedrohlich.“ Manuela Braunmüller, Vorsitzende des bayerischen Tierschutzvereins Pfaffenhofen und Umgebung, blickt mit Sorge auf die Auswirkungen, die die Corona-Pandemie auf die Tierherberge Pfaffenhofen an der Ilm haben könnte. Wichtige Einnahmequellen sind weggefallen – unter anderem musste der Tierschutzverein sämtliche Veranstaltungen absagen, bei denen dringend benötigte Spenden in die Vereinskasse geflossen wären. Nachdem die Vermittlungsquoten mit Beginn der Corona-Beschränkungen auf null fielen, können Interessenten Tiere inzwischen wieder adoptieren – dies geht jedoch nur nach Terminvereinbarung und mit Schutzvorkehrungen. Bayern war das erste Bundesland, das wegen der zunehmenden Infektionen strikte Ausgangsbeschränkungen eingeführt hatte. Der normale Alltag kam überall zum Erliegen, Schulen, Geschäfte und andere öffentliche Einrichtungen mussten ihre Pforten schließen. Das galt natürlich auch für die Tierherberge Pfaffenhofen. Doch auch wenn die Einrichtung weitestgehend keine Besucher mehr empfangen darf, müssen die tierischen Bewohner weiterhin versorgt werden. Also mussten die Tierheimmitarbeiter umdisponieren und Vorkehrungen treffen, um die Betreuung der Tiere aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig die nötigen Hygienevorschriften und Abstandsregeln einhalten. „Büroarbeiten können wir nur im Schichtdienst erledigen, und Hygienevorschriften werden peinlich genau eingehalten“, sagt Braunmüller. „Nur maximal fünf bis sechs Betreuer unseres ‚harten Kerns‘ befinden sich über den Tag verteilt im Haus. Wir verzichten zurzeit auf die ehrenamtlichen Helfer, die sonst unser Stammpersonal entlasten.“ Der Tierschutzverein und die Tierheimmitarbeiter wollen keinesfalls ein Risiko eingehen – zu groß ist die Sorge, dass sich das Virus in der Belegschaft ausbreitet und dann nicht genügend Mitarbeiter da sind, die sich um die Tiere kümmern können. „Wir können nur das tun, was für ganz viele andere Einrichtungen im Moment auch gilt: den Job machen und abwarten.“

Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, halten sie strenge Sicherheitsvorkehrungen ein. Zum Beispiel tragen sie einen Mundschutz und halten gebührenden Abstand zu ihren Kollegen.

Der Deutsche Tierschutzbund hilft

Seit Beginn der Corona-Krise erreichen den Deutschen Tierschutzbund Tag für Tag zahlreiche Anfragen von Mitgliedsvereinen und Tierheimen – viele von ihnen bangen sogar um ihre Existenz. „Tierheime helfen in dieser Krise, wo sie können, und stehen für die in Not geratenen Tiere und ihre Halter ein. Sie haben aber selbst mit den Folgen von Corona zu kämpfen“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Wir als Dachverband tun alles in unserer Macht Stehende, um die Tierheime auch in dieser Notlage bestmöglich zu unterstützen, und hoffen trotz der bedrückenden Lage auf die Unterstützung von Tierfreunden.“ Betroffen sind vor allem die Tierschutzvereine, die nicht genügend Rücklagen bilden konnten – zum Beispiel, weil Kommunen ihnen nur unzureichend Kosten für Fundtiere erstattet haben. Um seinen Mitgliedsvereinen finanziell unter die Arme zu greifen, hat der Verband verstärkt zu Spenden aufgerufen. Mit Zuschüssen aus seinem Feuerwehrhilfsfonds bietet der Deutsche Tierschutzbund zudem Tierheimen, die besonders in Not geraten sind, schnelle und unbürokratische Hilfe. So wird gewährleistet, dass jedes Tier Futter, Pflege und tierärztliche Versorgung bekommt.

Ein Blick auf eine Corona-Hochburg

Mehr als 600 Kilometer von Pfaffenhofen entfernt, im Tierheim für den Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, mussten die Mitarbeiter auch erst lernen, mit der Krise umzugehen. Obwohl Heinsberg zu den Corona-Hochburgen zählt, ist das Tierheim bislang verschont geblieben. „Seit der Landrat Ende Februar die ersten Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet hat, sind unsere Mitarbeiter äußerst vorsichtig, und glücklicherweise ist niemand von uns krank“, sagt Tierheimleiterin Sina Braun. „Von unseren 15 Festangestellten arbeiten nicht mehr alle gleichzeitig, sondern nur noch die, die wirklich vor Ort sein müssen.“ Im Büro wurde unter anderem eine Plexiglaswand aufgestellt, zudem habe die zuständige Tierärztin für ausreichend Desinfektionsmittel gesorgt. „Nette Sponsoren haben auch Stoffmasken für uns genäht“, so Braun. „Insgesamt hat sich unser Tierheimalltag gar nicht so stark verändert, außer dass wir für Besucher geschlossen haben.“

Reinhold Jost im Interview

Der Minister für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes schildert, wie wichtig Tierschutzvereine für unsere Gesellschaft sind und was sein Ministerium unternimmt, um sie zu unterstützen. Außerdem bezieht er Stellung zu agrarpolitischen Themen. Lesen.

Vermittlungen sind hier weiterhin möglich: „Wer zum Beispiel ein Tier bei sich aufnehmen oder eins abgeben möchte, muss zunächst telefonisch oder per E-Mail Kontakt zu uns aufnehmen – erst nach einem ausführlichen Telefonat machen wir einen Termin“, sagt die Tierheimleiterin. Positiv sei zudem, dass sie und ihre Kollegen jetzt mehr Zeit für die Interessenten hätten und noch individueller auf sie eingehen könnten. „Wir haben sogar den Eindruck, dass jetzt mehr Menschen ein Haustier adoptieren möchten – vielleicht liegt es daran, dass sie nun mehr Zeit haben. Natürlich ist es dann unsere Aufgabe genau zu prüfen, ob die Interessenten sich ihre Entscheidung gut überlegt haben.“ Abgabetiere seien in letzter Zeit hingegen kaum gekommen. Anders als in manchen anderen Einrichtungen hätten sich im Tierheim Heinsberg auch keine Halter gemeldet, die befürchten, ihr Tier könne das Virus übertragen und dass sie deshalb überlegen, ihren Schützling abzugeben. Eine Angst, die nach
aktuellem Wissensstand unbegründet ist. Doch auch wenn Braun und ihre Mitstreiter die Situation bislang gut gemeistert haben, stehen sie vor demselben Problem wie alle anderen Tierheime: Auch sie waren gezwungen, Veranstaltungen wie den Tag der offenen Tür abzusagen und ihr Café zu schließen, sodass sie ihren Betrieb nun mit deutlich weniger Einnahmen aufrechterhalten müssen. „Das ist ein Drama für alle Tierheime“, so Braun.

Tierheime sind systemrelevant

Der Deutsche Tierschutzbund erachtet Tierheime als systemrelevante Einrichtungen. Ob Tierpfleger oder ehrenamtliche Helfer, sie alle halten den Betrieb am Laufen. Doch obwohl sie überaus wichtig für unsere Gesellschaft sind, spiegelt sich das nicht immer in der kommunalen Unterstützung wider. So bieten noch nicht alle Bundesländer finanzielle Soforthilfen für Tierschutzvereine. Zudem sind die Förderbedingungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Tierheimberater, die Vereinsbetreuung und die zuständigen Landesverbände des Deutschen Tierschutzbundes stehen den Vereinen jedoch mit ihrem Fachwissen zur Seite und bieten ihnen unter anderem Infos zu den Fördermitteln, zur Versorgung der Tiere auch in Corona-Zeiten und zur Umsetzung der Hygienevorschriften.

Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz aller

Besondere Vorkehrungen zur Sicherheit der Tierpfleger hat auch der bayerische Tierschutzverein Feucht – Tierhilfe Nürnberg getroffen, zum Beispiel mithilfe räumlicher Trennungen: „Die Pfleger unserer drei Abteilungen für Hunde, Katzen und Kleintiere nutzen jeweils einen gesonderten Eingang, halten zwei Meter Abstand und tragen Mund- und Nasenschutz sowie Schutzanzüge“, schildert Ulrike Lang, Leiterin des Tierheims Feucht. „Außerdem wurden die Schichten so aufgeteilt, dass die Pfleger sich nicht über den Weg laufen.“ Die Mitarbeiter hatten zeitweise nachmittags die Gassirunden mit den Hunden übernommen, für die sonst immer ehrenamtliche Helfer zuständig sind. Ende April konnten diese Regeln aber gelockert werden: So wurde ein Wartebereich angelegt, in dem die Mitarbeiter die Hunde einzeln und möglichst kontaktlos ehrenamtlichen Gassigängern übergeben. Zur Sicherheit bringen diese auch eigene Hundeleinen mit, damit nicht mehrere Personen dieselbe Leine anfassen. Auch die Katzenstreichler durften wochenlang nicht ihre Samtpfoten besuchen. Seit Mitte Mai ist dies jedoch wieder möglich, sofern die ehrenamtlichen Helfer vorher einen Besuchstermin vereinbaren und bestimmte Sicherheitsvorkehrungen einhalten. „Die Katzen und Helfer haben sich vermisst“, sagt Lang. Sie weiß, dass sie und ihre Mitstreiter in dieser Krise nicht allein sind und es viele Menschen gibt, denen die tierischen Bewohner des Tierheims am Herzen liegen. „Wir freuen uns zum Beispiel über mehrere großzügige Futterspenden.“


CORONA-FOLGEN: Wie sich die Pandemie auf Tierheime auswirkt

  • Tierheime haben deutlich weniger Einnahmen, da Veranstaltungen, die ihnen viele Spenden eingebracht hätten, abgesagt werden mussten.
  • Vermittlungen bleiben in einigen Tierheimen nach Terminvereinbarung möglich.
  • Die Mitarbeiter müssen normal weiterarbeiten, da sie die Hunde, Katzen und Co. versorgen müssen.
  • Tierheime mussten wochenlang auf ehrenamtliche Helfer verzichten, aber dennoch dafür sorgen, dass die Hunde ihren Auslauf bekommen und Katzen beschäftigt werden.

TIERHEIME HELFEN

  • Wenn Sie besonders betroffene Tierschutzvereine in dieser Notsituation unterstützen möchten, können Sie unter dem Spendenzweck „Nothilfe für Tierheime“ spenden.
    www.tierheime-helfen.de/spenden-corona
  • Erfahren Sie mehr über die großartige Arbeit der Tierheime und unsere Kampagne „Tierheime helfen. Helft Tierheimen!“.
    www.tierheime-helfen.de