Autor: Nina Himmer, freie Autorin
In Deutschland gibt es keine Kojoten. Trotzdem trifft man hierzulande ständig auf die nordamerikanischen Präriewölfe. Oder besser gesagt: Auf ihre Überreste, die in Form von grau-braunem Fell an Kapuzen, Kragen, Jacken, Mützen, Schals oder Stiefeln prangen. Modeunternehmen verwenden ihr Fell gerne, um Winterkleidung aufzupeppen. Das ist kein neues Phänomen, denn trotz aller Proteste und Alternativen ist Pelz nie aus der Mode verschwunden.
„Neu ist aber, wie offensiv manche Hersteller Pelz mittlerweile bewerben“, sagt Dr. Henriette Mackensen, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Während sie lange Zeit eher versuchten, Pelz nicht an die große Glocke zu hängen und durch kryptische Bezeichnungen zu verschleiern, gehen Firmen wie Woolrich oder Canada Goose neue Wege. Sie werben ganz offen und argumentieren, nur Felle von Wildtieren zu verarbeiten und keine Pelztierfarmen zu unterstützen. Da Kojoten, Waschbären, Marder, Füchse oder Luchse aus Gründen der Bestandskontrolle ohnehin bejagt würden, sei die Nutzung ethisch unbedenklich. „Es wird also suggeriert, dass es so etwas wie ökologisch und ethisch unbedenklichen Pelz gibt“, kritisiert Dr. Mackensen.
In eine ähnliche Kerbe schlagen mittlerweile nationale Initiativen wie „Fellwechsel“, „FriendlyFur“ oder „WePreFur“, hinter denen der Deutsche Jagdverband, ein Designer und der Zentralverband des deutschen Kürschnerhandwerks stehen. Sie alle versuchen, Felle als umweltfreundliches Naturprodukt und Beitrag zum Artenschutz zu vermarkten – und so das Image der Felle zu verbessern. Tierschutzverbände auf der ganzen Welt sehen diese Entwicklung mit Sorge, denn die Argumentation ist Augenwischerei. „Es gibt keinen Pelz ohne Tierleid“, betont Dr. Mackensen. Tatsächlich sieht die Wahrheit hinter den Werbeversprechen bei genauer Betrachtung anders aus. Da wäre zum Beispiel die Sache mit der Überpopulation. Zwar breiten sich bestimmte Arten wie hierzulande der Waschbär oder in Nordamerika der Kojote tatsächlich aus. Doch dass eine Bejagung das Problem lösen könnte, ist ein Märchen. Durch Fallen und Flinte lässt sich das Problem nachweislich nicht in den Griff bekommen, im Gegenteil: „Von Füchsen und Wildschweinen etwa weiß man, dass der Eingriff ins Ökosystem die Nachwuchsrate sogar in die Höhe treibt“, sagt Dr. Mackensen. Entscheidend für die Bestandsgröße seien vielmehr Faktoren wie das Nahrungsangebot, Krankheiten oder Winterhärte.
Auch das Argument, die Jagd unterliege strengen Regeln, ist schwer nachzuvollziehen. Der Anteil von Wildtier-Fellen im weltweiten Handel beträgt rund 15 Prozent. Die meisten Tiere werden in Fallen gefangen und getötet. In den USA, Kanada und Russland kommt dabei das berüchtigte Tellereisen zum Einsatz. Löst die Falle aus, quetscht ein Stahlbügel die Pfote des Tieres ein, damit es nicht fliehen kann. In der EU ist die Verwendung von Tellereisen seit Beginn der 1990er-Jahre verboten. Auch Pelze von Tieren zu importieren, die mit Tellereisen gefangen wurden, ist grundsätzlich untersagt. Doch um einen Handelsstreit mit den drei Ländern zu vermeiden, wurden sogenannte „Abkommen zum humanen Fallenfang“ geschlossen, die nur unwesentliche Beschränkungen enthalten. Tellereisen werden bis heute verwendet, wenn auch leicht modifiziert.
Allerdings sind die in Europa legalen Methoden nicht besser. Zum einen, weil Fallen nie selektiv sind und immer wieder Haustiere oder geschützte Arten hineingeraten. Zum anderen, weil die gefangenen Tiere oft große Qualen leiden, bis sie sterben. Auch das Töten selbst ist problematisch: „Um den Wert des Fells nicht zu mindern, werden Tiere weltweit erdrosselt, erschlagen oder ertränkt“, sagt Dr. Mackensen. Zwar gibt es Regeln zur Kontrolle der Fallen und zum Töten – doch niemand kontrolliert sie. „Solche Methoden als human zu klassifizieren, ist ebenso perfide wie mit entsprechenden Siegeln Werbung zu machen“, sagt die Expertin. Sie hofft, dass Verbraucher auch das letzte Argument der Pelzbefürworter durchschauen: dass Echtpelz eine bessere Ökobilanz habe als Kunstpelz. „Pelze von Wildtieren müssen genauso gegerbt und gefärbt werden wie Felle aus Farmen. Der Wasserverbrauch ist enorm, der Einsatz von Chemikalien genauso“, so Dr. Mackensen. Natürlich sei auch Kunstfell nicht umweltschonend – doch im Vergleich schneide es besser ab. Aus tierschutzrechtlicher Sicht ist die Sache klar: „Der einzige Pelz, den man mit gutem Gewissen tragen kann, ist der eigene.“