Antibiotika

Ohne Wenn und Aber

Hinter den Kulissen
Antibiotika

Ohne Wenn und Aber

Antibiotika gehören im System der Massentierhaltung in vielen Betrieben zum Alltag, egal ob die Tiere krank oder gesund sind. Die Industrie kämpft mit Medikamenten gegen selbstverursachte Symptome – statt die Gesundheit der Tiere mit verbesserten Bedingungen zu fördern.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Aber. Dieses Wort kann Stimmungen schlagartig ändern. Es kehrt das schönste Lob ins Gegenteil um. Vielfach wiederholt treibt es Eltern pubertierender Kinder zur Weißglut. Und oft erschüttert es Tierschützer – zum Beispiel, wenn der Zentralverband der Geflügelwirtschaft der Politik anbietet, weniger Reserveantibiotika in Ställen einzusetzen, aber dafür im Gegenzug fordert, andere Antibiotika länger verabreichen zu können. Die Lobbyisten möchten für bestimmte Wirkstoffe die Wartezeiten verkürzen oder gar abschaffen. Das sind Fristen, in denen Tiere, welche beispielsweise Antibiotika bekommen haben, nicht zu Lebensmitteln verarbeitet werden dürfen. „Das ist aus Verbrauchersicht unfassbar“, sagt Dr. Anna Kirchner, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. „Zudem fehlen in den Planungen Maßnahmen, die die gesundheitliche Situation der Tiere verbessern.“

Die Tiere brauchen Sie

Unterstützen Sie die Arbeit des Deutschen Tierschutzbundes: Werden Sie Mitglied oder schließen Sie ein Abo des Magazins DU UND DAS TIER ab. Wir informieren Sie über alle tierschutzrelevanten Entwicklungen mit Berichten, Reportagen und spannenden Hintergrundberichten und Sie helfen uns dabei, den Tieren zu helfen.

www.duunddastier.de/abomitgliedschaft

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Verbrauchsmengen von Antibiotika zwischen 2014 und 2017 erfasst. In diesem Zeitraum blieb der Verbrauch der Geflügelindustrie leider nahezu konstant – die Hälfte davon Reserveantibiotika, die unverzichtbar sind, um lebensbedrohliche Infektionen auch bei Menschen zu behandeln. „Resistenzen sind dementsprechend gefährlich. Damit sich resistente Keime nicht weiterentwickeln und Wirkstoffe für Mensch und Tier wirksam bleiben, ist es wichtig, sie nicht inflationär einzusetzen“, führt Kirchner aus. Positiver ist die Entwicklung bei Mastferkeln und -schweinen. Hier sanken die verbrauchten Antibiotika im gleichen Zeitraum immerhin um 46 beziehungsweise 43 Prozent, und weniger als zehn Prozent waren Reserveantibiotika. „Das ist ein Teilerfolg. Doch Millionen Tiere erhalten weiterhin Antibiotika, obwohl dies therapeutisch nicht immer erforderlich ist“, erklärt Kirchner. In Tierfabriken können sich Krankheiten schnell ausbreiten. „Diese Folge des Systems der Massenhaltung vertuscht die Industrie durch die symptomatische Behandlung und verabreicht oft allen Tieren Antibiotika, egal ob krank oder gesund.“

Natürlich soll das Krankheitsrisiko nicht steigen, wenn Antibiotika reduziert werden. „Darum müssen wir bei den Bedingungen in der konventionellen Haltung ansetzen“, so die Tierärztin. Die Tiere erkranken auf engem Raum unter ständigem Stress in schlechtem Klima und mit wenig Beschäftigung leichter. Darum fordert der Deutsche Tierschutzbund, robustere Rassen zu halten, mehr Platz in den Ställen zu schaffen, Beschäftigung zu bieten und Auslauf zu ermöglichen. Daneben ist es wichtig, die Hygiene zu sichern, und sinnvoll, die Tiere prophylaktisch zu impfen.

Bildrechte: Artikelheader: Pixabay