Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Wenn es richtig ernst wird und alle Hilferufe an Kommunen, Bund und Länder nicht zu einer Lösung der Probleme führen, ist letztlich Bundeskanzler Olaf Scholz gefragt. Darum hat Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ihn direkt und persönlich im Namen der rund 780 angeschlossenen Tierschutzvereine mit 550 Tierheimen und Auffangstationen in einem Brief um Unterstützung ersucht. „Denn die Tierschützer*innen können nicht mehr“, erklärt Schröder den Ernst der Lage. Ihre Hingabe und ihr Engagement „wurden in den letzten Jahren zunehmend missbraucht und unterminiert.“ Die Zahl der Herausforderungen für die vielen leidenschaftlichen Helfer*innen wächst und wächst. Die Tierheime sind überfüllt mit Tieren, die ihre Halter*innen abgegeben oder ausgesetzt haben, etwa nachdem sie sie unüberlegt während der Coronapandemie angeschafft haben. „Auch exotische Tiere werden in Tierheimen abgegeben, weil der Handel und die Haltung dieser Tiere nicht reguliert wird. Illegal gezüchtete und transportierte Welpen gelangen in die Tierheime, der Handel selbst wird nicht bekämpft. Die zahlreichen Aufgaben der ehrenamtlichen Tierschützer*innen wachsen ihnen schlicht über den Kopf“, schildert Schröder in seinem Schreiben an Scholz. Seinen eindringlichen Appell richtete er auch an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Désirée Kari und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
– Thomas Schröder
Die Lage der Tierheime ist dramatisch: Zum einen kommt das Personal durch die vielen zu betreuenden Tiere an seine physischen und psychischen Grenzen. Zum anderen verschärft sich ihre finanzielle Situation. Explodierende Energiepreise schlagen sich in den oft maroden Gebäuden besonders nieder. Und auch höhere Kosten für Tierfutter und tierärztliche Behandlungen sowie der gestiegene Mindestlohn treiben sie in Existenzängste. Die Städte und Gemeinden lassen sie damit allein. „Öffentliche Aufgaben wie etwa die Betreuung von Fundtieren wurden zu Dumpingpreisen von den Kommunen entlohnt“, so Schröder. Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich darum konstant in Berlin für die Tierschutzvereine ein und leistet Lobbyarbeit. Das zeigt Wirkung. Sowohl die amtierende als auch deren Vorgängerregierung haben den Tierheimen jeweils fünf Millionen Euro für die Folgen der Pandemie sowie des Ukraine-Krieges zur Verfügung gestellt. „Dafür sind wir sehr dankbar. Aber gemessen an dem Investitionsstau und dem prekären Zustand der Tierheime in Deutschland waren diese Mittel leider schlicht ein Tropfen auf den heißen Stein“, wendet sich Schröder an den Bundeskanzler.
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Der Deutsche Tierschutzbund steht seinen Mitgliedsvereinen auch mit Spendenmitteln zur Seite und hilft bei Notfällen schnell und unbürokratisch. Mit insgesamt 562.797 Euro bezuschusste der Verband seine Tierheime in 2021, hinzu kamen 365.000 Euro Hochwasserhilfe nach der Flutkatastrophe. Im vorigen Jahr griff er ihnen mit 728.554 Euro unter die Arme. Zusätzliche 400.000 Euro stammten aus dem Sondertopf „Überlebensenergie“. Den hat er Ende 2022 mit einer Million Euro bereitgestellt, um den Tierheimen bei Mehrkosten für Strom, Gas und Öl zur Seite zu springen. Zudem hat der Verband 40 Vereinen in 2023 Tierhilfewagen übergeben. Und er hilft den Tierschutzvereinen beratend. Allein 2022 konnte seine Vereinsbetreuung mithilfe anderer Abteilungen in 1.930 Fällen durch E-Mail-Beratungen unterstützen und 590 telefonische Anfragen sachkundig beantworten. Auch die Tierheimberatung des Deutschen Tierschutzbundes stand in dieser Zeit mit 280 Mitgliedsvereinen in engem Austausch und war 97-mal in Tierheimen vor Ort.
„Die Kommunen haben die Tierheime wissentlich auf Verschleiß benutzt. Die Länder haben dabei zugeschaut, ebenso wissentlich und trotz aller Warnungen, und auch der Bund blieb bisher untätig“, mahnt Schröder und erinnert die Regierung an ihre Ziele. Im Koalitionsvertrag hat sie angekündigt, Tierheime durch eine Verbrauchsstiftung unterstützen zu wollen. „Dieser Satz hat bei den praktischen Tierschützer*innen in den Tierschutzvereinen und Tierheimen in Deutschland große Hoffnung geweckt.“ Leider hat es die Verbrauchsstiftung trotz der Bemühungen des Verbandes in vielen politischen Gesprächen nicht in den Bundeshaushalt des Jahres 2023 geschafft. Auch im Entwurf des Bundeshaushalts 2024 ist sie nicht vorgesehen. „Damit schwindet die Hoffnung, vor dem Jahr 2025 die dringend notwendige Hilfe vom Bund zu erhalten – und damit schlicht zu spät“, kritisiert Schröder. Er warnt Scholz, dass die Tierheimkrise zu einer Staatskrise werden kann, wenn die Veterinärämter ihre Aufgaben ohne Unterstützung der Tierheime nicht mehr wahrnehmen können. „Sämtliche Tierschützer*innen in Deutschland setzen darauf, dass diese Bundesregierung zumindest das eine ihrer Versprechen hält. Bitte enttäuschen Sie sie nicht.“
Bildrechte: Artikelheader: Tierheim Tübingen (Hund); Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. (Demo)