Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Langsam erobern sich Wildkatzen die heimischen Wälder wieder zurück. Zum Beispiel in Regionen wie der Eifel, im Hunsrück, im Pfälzer Wald und im Taunus. Die Chancen, den braun getigerten Schönheiten zu begegnen, sind jedoch gering. Denn die Tiere sind ziemlich scheu und meiden den Menschen. Und wenn sie leise und geschmeidig auf ihren Samtpfoten durch ihre Reviere streifen, würden wir sie wohl auch dann kaum bemerken, wenn sie in unserer Nähe sind. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Wildkatze so stark bejagt, dass der Mensch sie fast ausgerottet hätte. So fiel sie Jägern zum Opfer, die es auf ihr Fell abgesehen hatten oder sie einfach aus „Spaß“ erlegten. Früher sollen manche Menschen die Wildkatze auch als Nahrungskonkurrenten gesehen haben. Zugleich ging ihr Lebensraum wegen der Zerstörung von Wäldern und der Ausbreitung von Wohnsiedlungen, Ackerflächen und stark befahrener Verkehrswege immer weiter zurück. Zuvor war sie in ganz Europa verbreitet und gilt als „Ureinwohner“ unserer Wälder – denn sie lebte dort schon bevor die Römer die ersten Hauskatzen über die Alpen zu uns brachten.
Dank verschiedener Schutzprojekte, die das Bundesamt für Naturschutz zum Teil fördert, konnten sich die Wildkatzen in Europa und auch hierzulande nach und nach wieder mehr verbreiten – auch wenn sie heute europaweit immer noch als gefährdet gelten. Schätzungen zufolge leben zurzeit etwa 6.000 bis 8.000 Wildkatzen in Deutschland. „Unter anderem haben Umweltschützer in bestimmten Regionen Tausende Bäume und Sträucher gepflanzt, um große Waldgebiete miteinander zu verbinden. So konnten sich Wildkatzen und andere Wildtiere neue Lebensräume erschließen“, erläutert Katrin Pichl, Referentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Außerdem haben viele Bundesländer Grünbrücken errichtet, die es Tieren ermöglichen, viel befahrene Straßen, Autobahnen und Bahnstrecken sicher zu überqueren. „Das ist auf jeden Fall eine wichtige Maßnahme, denn leider werden Wildkatzen häufig Opfer von Verkehrsunfällen“, so Pichl. Allein in Rheinland-Pfalz wurden laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) seit 2018 mehr als Hundert dieser Tiere überfahren.
Die Ähnlichkeit zwischen Haus- und Wildkatzen ist auf den ersten Blick zwar sehr groß, doch wer genauer hinsieht, kann die Unterschiede erkennen: Wildkatzen sind zum Beispiel größer und haben einen breiteren Kopf. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist ihr buschiger, von dunklen Ringen gezierter Schwanz und auch ihr weißes Schnurrhaar wirkt auffälliger. Durch ihr langes, dichtes Fell erscheinen Wildkatzen zudem kräftiger als die Katzen, mit denen wir unser Zuhause teilen und die von der Afrikanischen Falbkatze abstammen. So anhänglich und verschmust Hauskatzen auch sind, die wilden Artgenossen lassen sich nicht zähmen. „Wenn verlassene Jungtiere gefunden werden und erfahrene Tierpfleger sie aufwendig von Hand aufziehen, müssen sie wieder ausgewildert werden“, sagt Pichl. Auch wenn Wildkatzen Menschen möglichst aus dem Weg gehen, würde es im Frühjahr gelegentlich vorkommen, dass Spaziergänger auf Jungtiere treffen und sie für ausgesetzte Hauskatzen halten, schildert die Expertin. „Sie sollten die Tiere dann natürlich nicht mitnehmen. Im Zweifel ist es besser, den Förster oder Wildtierstationen zu kontaktieren.“
Nach der sogenannten Ranzzeit, wenn die Wildkatzen sich zwischen Januar und März paaren, bringen die weiblichen Tiere nach einer Tragzeit von 68 Tagen zwei bis sechs Junge zur Welt. Allerdings übersteht im Durchschnitt nur einer von vier Welpen die ersten Lebensjahre. „Oft fallen sie Füchsen, Mardern, Uhus und manchmal sogar Luchsen zum Opfer“, schildert Pichl. Außerdem geraten viele Jungtiere in Verkehrsunfälle, nachdem sie ihre Mutter nach sechs bis 10 Monaten verlassen haben und nach eigenen Streifgebieten suchen. Falls die Katzenmutter mehrere ihrer Jungen verliert, kann es sein, dass sie sich zu späteren Jahreszeiten bis in den September hinein erneut mit einem Kater paart. Unter optimalen Bedingungen können Wildkatzen zwischen zwölf und 14 Jahre alt werden.
Während die scheuen Einzelgänger tagsüber in Verstecken wie Felsspalten, Baumhöhlen oder verlassenen Fuchsbauten schlafen, begeben sie sich nachts auf die Jagd. Auf ihrem Speiseplan stehen vor allem kleine Säugetiere wie Wühlmäuse und Ratten, aber auch Vögel, Eidechsen und Frösche. Manchmal schnappen sie sich auch Fische und Insekten. „Wildkatzen sind hervorragende Jäger und haben einen sehr guten Geruchssinn“, so Pichl. Während der Ranzzeit oder auf der Suche nach Nahrung und einem geeigneten Revier, können sie in kurzen Zeiträumen mehr als 100 Kilometer zurücklegen. Insgesamt erstrecken sich ihre Streifgebiete über Flächen von 800 bis 3.000 Hektar.
Gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz zählt die Wildkatze zu den streng geschützten Tierarten und darf nicht bejagt werden. Damit ihre Population hierzulande stabil bleibt, und wir uns auch in Zukunft über ihre Anwesenheit in unseren Wäldern freuen können, spielen Wiederansiedlungs- und Schutzprojekte weiterhin eine wichtige Rolle, betont Pichl. „Damit die Wildkatze dauerhaft in unseren Wäldern eine Überlebenschance hat, müssen wir ihre Lebensräume respektieren, diese erhalten und großräumig über ‚grüne Korridore‘ miteinander verbinden.“