Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
Unterkühlt und ohnmächtig lag der kleine schwarze Kater auf der Straße. Als Passanten ihn entdeckten, riefen sie sofort im Tierschutz- und Kastrationszentrum des Deutschen Tierschutzbundes in Odessa an und baten um Hilfe. Das Team machte sich umgehend mit dem Tierrettungsauto auf den Weg und brachte das verletzte Tier in die Tierklinik des Zentrums.
„Das rechte Auge des Katers war aus der Augenhöhle hervorgetreten und sein Kiefer war gebrochen. Wir vermuten, dass er von einem Auto angefahren wurde“, erzählt Irina Naumova, Leiterin des Tierschutzzentrums in Odessa. Der Kampf ums Überleben begann.
Cheftierarzt Denis Serogin und sein Kollege Vadim Bidny operierten den Kater eine Stunde lang. Mit Erfolg: Das Auge hat der Kleine zwar verloren, aber er lebt. „Wir können den Lebensmut des Katers nur bewundern. Unsere Tierärzte haben ihm den Namen Kutusow gegeben. Kutusow war ein Feldmarschall, der in einem Kampf ein Auge verloren hatte, was ihn aber nicht daran hinderte, die Armee von Napoleon zu besiegen“, erzählt Naumova. Die Geschichte von Kater Kutusow ist eine von unzähligen. Jeden Tag kämpfen die Mitarbeiter des Tierschutzzentrums für das Leben der Tiere.
In den letzten Monaten standen – zusätzlich zur täglichen Versorgung der Tiere im Zentrum, den Kastrationen von Hunden und den Einsätzen mit dem Tierrettungsauto – vor allem die Straßenkatzen im Fokus der Arbeit. Neben den Hunden sind es vor allem sie, die Hilfe benötigen. Leben und leiden sie doch oft versteckt und unsichtbar für das menschliche Auge.
Um dem Elend der Katzen in Odessa entgegenzuwirken, hat der Deutsche Tierschutzbund eine groß angelegte Kastrationsaktion gestartet. Von Anfang November bis Ende Januar hat der Verband Gutscheine an kooperierende Tierkliniken vor Ort ausgegeben, mit denen finanzschwächere Einwohner frei lebende Katzen zum Tierarzt bringen und dort bis Ende Februar kastrieren lassen konnten. Durch Infomaterial und große Plakate aufmerksam geworden, haben sogar mehrere Fernsehsender darüber berichtet.
Die Aktion war ein großer Erfolg. Insgesamt haben 32 Tierkliniken teilgenommen und die Tierärzte haben über 5.000 Katzen kastriert. Hochgerechnet hat der Deutsche Tierschutzbund dadurch die Geburt von etwa 77.000 Jungtieren verhindert. Diesen Katzen bleibt ein trauriges Leben auf der Straße erspart. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle den Tierkliniken, dem stellvertretenden Oberbürgermeister, dem Vorsitzenden des Umweltausschusses des Stadtparlaments sowie der Leiterin der ökologischen Abteilung für die Unterstützung seitens der Stadtleitung. Die Tierschützer hoffen nun, dass die Stadt die Aktion weiterhin fördert und sie dieses Jahr in das städtische Tierschutzprogramm aufnimmt. Nur so kann das Elend der Straßenkatzen endgültig beendet werden.
Neben dieser großen Aktion haben in den letzten Monaten vor allem Sturm und Schnee die Mitarbeiter im Tierschutzzentrum auf Trab gehalten. Auch wenn der Winter diesmal etwas milder war als sonst, waren Minustemperaturen an der Tagesordnung. Immer wieder hüllte die Natur das Tierschutzzentrum in Schneeberge. Die Mitarbeiter befreiten die Türen und Fenster täglich von Eis und Schnee und hielten die Wege mit Schneepflügen frei.
„Damit die Hunde bei der Eiseskälte genügend Energie bekommen, erhalten sie jeden Winter erhöhte Futterrationen. In den geschützten Innenbereichen haben die Tierschützer zudem Holzpaletten aufgestellt und warme Decken darüber ausgebreitet. So können sich die Tiere jederzeit zurückziehen und sind vor der Kälte geschützt“, erklärt Andrea Furler-Mihali, Referentin für Auslandstierschutz beim Deutschen Tierschutzbund. Was für die Mitarbeiter eine Menge Arbeit bedeutet, sorgt bei den Hunden im Tierschutzzentrum jedes Jahr für Begeisterung: Sie lieben es, im Schnee zu toben, sich darin zu wälzen und miteinander zu spielen.
Schnee und Eiseskälte waren in diesem Winter nicht die einzige Herausforderung in Odessa. Im späten Herbst zog ein starker Sturm über die Ukraine und forderte sogar Tote und Verletzte. Die Zwei- und Vierbeiner des Tierschutzzentrums blieben zum Glück unversehrt. Allerdings riss der Sturm das Dach der Tierklinik ab. Von der Notbesetzung informiert, machte sich Cheftierarzt Denis Serogin noch in der Nacht auf den Weg ins Zentrum. Mit gemeinsamen Kräften brachte das Team die Hunde aus der Tierklinik in unbeschädigte und trockene Räume anderer Gebäude.
Gleich am nächsten Morgen machte sich der Dachdecker ein Bild von der Lage. Inzwischen sind sowohl die Reparatur des Daches als auch die notwendigen Innenarbeiten in der Tierklinik beendet. Weitere Reparaturarbeiten am Verwaltungsgebäude mussten aufgrund des Wetters auf den Frühling verschoben werden.
So hart die Winter auch sein mögen und so schwierig die Arbeit manchmal auch ist: Es geht um das Leben der Tiere. Und wenn es den Mitarbeitern des Tierschutzzentrums gelingt, Hunden und Katzen wie dem kleinen Kutusow das Leben zu retten, stellt sich niemand von ihnen mehr die Frage, warum er morgens oder mitten in der Nacht aufsteht.