Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Allein mit vier Katzen. Kein ideales Szenario für einen Kakadu. Doch genau so wurde Niko in der Wohnung einer verstorbenen Seniorin gefunden. Da sich aus dem Umfeld der allein lebenden Dame niemand fand, der sich um das Tier kümmern konnte, und auch das lokale Tierheim nicht für Papageien ausgestattet ist, hat das Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes den mindestens 40 Jahre alten Vogel aufgenommen.
„Uns ist zuerst der Geruch des Kakadus aufgefallen“, berichtet Patrick Boncourt, Referent und stellvertretender Leiter des Tierschutzzentrums, „denn offenbar war die Verstorbene starke Raucherin und auch er roch darum stark nach Nikotin“. Das nahmen die Tierpfleger in Weidefeld zum Anlass, ihm den Namen Niko zu geben. Denn wie das Tier heißt, konnte ihnen niemand sagen. „Das ist das kleinste Problem, das wir und die dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossenen Tierheime haben, wenn ein Tier seine Besitzer überlebt, was gerade bei Papageien und Schildkröten oft passiert“, sagt Boncourt. Denn oftmals fehlen auch sonstige Infos zum Alter der Tiere, eventuellen Krankheiten, besonderen Bedürfnissen oder zur bisherigen Haltung sowie teils dringend erforderliche Artenschutzpapiere. Wenn die Halter vor ihrem Tod nicht festlegen, wer sich um die Tiere kümmern soll – beispielsweise durch eine Haustierbetreuungsvollmacht oder eine Nachlassregelung –, bleiben die Einrichtungen zudem meist auf den Kosten für die Pflege sitzen. „Das ist vor allem der Fall, wenn die Erben keinen Bezug zu dem Tier haben und nicht bereit sind, sich an den Folgekosten zu beteiligen, oder wenn es andauernde Erbstreitigkeiten gibt“, erklärt er.
Im Falle von Niko konnte das Team ohne die Auskunft von Angehörigen nur mutmaßen, dass der Vogel wahrscheinlich die meiste Zeit seines Lebens, wenn nicht sogar sein ganzes allein ohne Artgenossen gelebt hat. Dabei schließen sich die Vögel normalerweise in großen Gruppen zusammen und sollten auch in privater Haltung immer zu mehreren gehalten werden. „Ansonsten wissen wir nur noch, dass der Kakadu überwiegend mit Brötchen gefüttert wurde, was natürlich keine artgemäße Ernährung für einen so anspruchsvollen Exoten darstellt.“ Die Experten in dem Tierschutzzentrum an der Ostsee boten Niko umgehend abwechslungsreiches und artgerechtes Futter an, neben spezieller Vogelnahrung auch frisches Obst und Sämereien. Der Erfolg stellte sich schnell ein. Schon nach kurzer Zeit entwickelte Niko ein deutlich glänzenderes und dichteres Gefieder, das bei seiner Aufnahme etwas verwahrlost gewirkt hatte.
Nicht nur körperlich erholte Niko sich schnell. Mit jedem Tag fasste das Menschen gegenüber ohnehin sehr aufgeschlossene Tier mehr Vertrauen zu seiner Pflegerin. Und sie verlor umgekehrt ihr Herz an ihn, sodass sie Niko kurzerhand adoptierte. Die Vogelexpertin möchte ganz vorsichtig probieren, dem Kakadu das Leben mit Artgenossen zu ermöglichen. Dazu braucht es nach Jahrzehnten der Isolation jede Menge Fingerspitzengefühl, Geduld und das Bewusstsein, mit dem Vorhaben scheitern zu können. Denn aufgrund seiner Vorgeschichte ist es gut möglich, dass Niko möglicherweise für den Rest seines Lebens alleine oder mit Menschen leben will und keine Artgenossen akzeptieren wird. „Aber so oder so ist er jetzt in besten und äußerst kompetenten Händen“, so Boncourt, der sich freut, dass der Vogel so schnell ein neues Zuhause gefunden hat. Und wünscht sich dies auch für die anderen Papageienvögel in Weidefeld: Rund zwei Dutzend von ihnen warten derzeit im Tierschutzzentrum auf eine zweite Chance bei liebevollen neuen Besitzern.
Bildrechte: Artikelheader: Deutscher Tierschutzbund e.V. (Papageienhaus); Fotos: Deutscher Tierschutzbund e.V. (Kakadu)