Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER
Eine traurige Zeit als „lebendiger Rasenmäher“ liegen hinter Rambo. Denn das Bretonische Zwergschaf durfte bei seinen früheren Besitzern nicht wie viele seiner Artgenossen auf idyllischen Weiden grasen. Sie zogen das Tier per Hand auf und hielten es sein gesamtes bisheriges Leben allein. Ohne Kontakt zu anderen Schafen, dafür festgebunden an einer kurzen Kette und angepflockt im Vorgarten. Dort sollte es den Rasen kurz halten. Ein dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossener Tierschutzverein hatte diese hochgradig tierschutzwidrige Haltung entdeckt und die Behörden verständigt. Gemeinsam konnten sie das Tier befreien und es Anfang des Jahres ins Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes bringen.
„Als wir Rambo aufgenommen haben, haben wir ihn, wie in solchen Fällen üblich, zunächst in Quarantäne gehalten“, erklärt Dr. Katrin Umlauf, Leiterin des Tierschutzzentrums Weidefeld. Dadurch stellt das Weidefelder Team nicht nur sicher, dass das Tier gesund ist. Es beobachtet in dieser Phase außerdem das Verhalten tierischer Neuzugänge, um sich ein genaues Bild zu verschaffen. „Da wir anfangs nicht wussten, dass es sich um eine Handaufzucht handelt, und er sich zu Beginn auch unauffällig verhalten hat, haben wir nach Abschluss der Quarantäne damit begonnen, Rambo in unsere bestehende Schafherde zu integrieren.“ Dieser Versuch endete jedoch schneller als gedacht: „Er zeigte sich äußerst irritiert und begann damit, seine Artgenossen in die Flanke zu boxen“, berichtet Umlauf. Weil das vor allem bei den älteren Tieren in der Herde, die sich nicht adäquat gegen solche Angriffe wehren können, zu ernsthaften Verletzungen führen kann, trennten die Tierpfleger die Schafe sofort wieder.
Es passiert in dem Tierschutzzentrum an der Ostsee immer wieder, dass sich Tiere unerwartet oder artuntypisch verhalten. Das Team kümmert sich dort häufig um Schützlinge aus schlechter Haltung, die traumatisiert oder fehlsozialisiert wurden, und daher nicht ohne weiteres mit Artgenossen leben können. „Dann ist es unsere Aufgabe, eine Lösung zu finden, um das jeweilige Tier möglichst artgemäß zu halten. Sehr häufig gelingt uns das durch bauliche Lösungen, die nicht unbedingt dem Standard entsprechen“, erläutert Umlauf. So auch im Falle von Rambo. Ihm baute das Team ein größeres Separee mit Unterstand. Von dort aus konnte er direkten Sichtkontakt zur Herde halten, ohne ihr zu schaden. Und sich dabei nach und nach an die Artgenossen gewöhnen. Bis zum Sommer.
Überraschend schnell fand sich nämlich kürzlich ein neues Zuhause für das Schaf. Dort lebt Rambo seitdem in einer reinen Bockherde. Solche Gruppen, die ausschließlich aus Böcken bestehen, kommen auch in der Natur vor. Die Schafe, mit denen Rambo nun lebt, sind im entsprechenden Alter, um sich gut zur Wehr zu setzen. „Widder kämpfen in freier Wildbahn häufig, um sich in der Rangordnung ‚nach oben‘ zu arbeiten. Dabei merkt Rambo auch direkt, dass er sich eben nicht immer mit seinem Dickkopf durchsetzen kann.“ Tatsächlich hat er sich in seinem durchweg männlichen Umfeld gut eingelebt. Laut seinen neuen Haltern ist er schon spürbar ruhiger geworden, genießt das Zusammenleben und kostet seinen Bewegungsradius, von dem er früher nur träumen konnte, voll aus. „Das ist genau das, was wir uns für ihn gewünscht haben“, sagt Umlauf. Ein solches Happy End erhofft sie sich auch für viele andere Bewohner des Tierschutzzentrums Weidefeld. Darum arbeitet sie mit dem Team vor Ort täglich daran, sie an neue geeignete Halter zu vermitteln. Und den Tieren, denen dies leider verwehrt bleibt und die dauerhaft dortbleiben werden, ein solches Leben anhand ihrer natürlichen Bedürfnisse zu ermöglichen.
Bildrechte: Artikelheader: Deutscher Tierschutzbund e.V. (Schaf); Fotos: Deutscher Tierschutzbund e.V. (Schaf und Tierpfleger mit Schaf)