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Was Verbraucher zu Kennzeichnung und Herkunft von Gänsefleisch wissen sollten

Wo artgerecht draufsteht, ist längst nicht artgerecht drin

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Was Verbraucher zu Kennzeichnung und Herkunft von Gänsefleisch wissen sollten

Wo artgerecht draufsteht, ist längst nicht artgerecht drin

Noch immer ist der Gänsebraten für viele Menschen ein Festtagsschmaus. Wer Keule, Brust, Schenkel oder ein ganzes Tier einkauft, sollte sich jedoch bewusst machen, dass hinter den verwirrend gekennzeichneten Angeboten auch Fleisch aus qualvoller Stopfmast und elender Haltung stecken kann. Die Herkunft ist nur schwer auf den ersten Blick oder überhaupt erkennbar.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Die Werbeversprechen „artgerechte Haltung“, „bäuerliche Aufzucht“ oder „tiergerechte Haltung“ sind keine geschützten Angaben.

Es gibt so wundervolle Alternativen für ein Festtagsmenü, die Hobby- und Profiköche mit ganz viel Tierliebe zubereiten können. Wenn es unbedingt der Gänsebraten sein muss, haben Verbraucher aber zumindest die Chance, sich gegen Fleisch aus vollkommen tierschutzwidriger Haltung oder gar qualvollen Stopfmast zu entscheiden. Doch das ist gar nicht so leicht, wie es scheint. Denn die Industrie verschleiert Herkunftsnachweise bei Einzelteilen wie Keule, Brust und Schenkel gern – oder gibt sie gar nicht erst an. Auch bei ganzen Tieren ist es wichtig, sich vorher zu informieren, was hinter welcher Kennzeichnung steckt. Denn wo „artgerechte Haltung“, „bäuerliche Aufzucht“ oder „tiergerechte Haltung“ draufsteht und worauf Bilder von hübschen kleinen Bauernhöfen abgebildet sind, steckt noch lange keine ländlich-romantische Idylle drin, die die Bedürfnisse der Tiere wirklich erfüllt. „Diese Begriffe sind nicht geschützt und sagen daher nichts über die Haltungsbedingungen aus“, erklärt Dr. Stephanie Riederer, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund.

Diese Bezeichnungen geben beim Kauf von Gänsefleisch Auskunft über die Haltung

Der Preis ist ein wichtiges Indiz beim Kauf von Gänsefleisch. Wenn eine Freilandgans genügend Auslauf, gutes Futter und Zeit zum Heranwachsen bekommen hat, kostet es in der Regel zwischen 15 und 25 Euro pro Kilo. Das Fleisch von Gänsen aus Biohaltung ist oft noch etwas teurer. „Schnellmast- oder Hafermastgänse erkennt man in der Regel am deutlich günstigeren Preis“, sagt Riederer. Die Expertin warnt aber davor, sich allein anhand des höheren Preises auf gute Haltungsbedingungen zu verlassen. „Am besten überzeugen sich Verbraucher selbst von der Haltung, wenn sie beispielsweise in der Region einen Gänsehof haben.“ Ist dies nicht der Fall, verspricht das Bio-Siegel beispielsweise, dass die Tiere mehr Platz hatten als in konventionellen Betrieben. Auch die Bezeichnungen „Freilandhaltung“, „Bäuerliche Freilandhaltung“ und „Bäuerliche Freilandhaltung unbegrenzter Auslauf“ sind geschützt und gelten europaweit (Welche Kriterien Landwirte genau erfüllen müssen, um die Gänse so kennzeichnen zu dürfen, lesen Sie unten/im Kasten).

Auch die Bezeichnungen „Keine Stopfmast“ und „Kein Lebendrupf“ sind Angaben, die sich Hersteller selbst verleihen.

Bei der Herkunft von Gänsen müssen Kunden ganz genau hinschauen

„Zudem sollten Verbraucher stets auf die Herkunft des Gänsefleisches achten, denn die Produzenten sind nicht verpflichtet, auf die Verpackung zu schreiben, ob die Keule oder Brust einer Gans aus der Stopfleberproduktion stammt“, berichtet Riederer. „Bei den Bezeichnungen ‚Keine Stopfmast‘ und ‚Kein Lebendrupf‘ handelt es sich um selbst verliehene Hersteller-Angaben.“ Der Deutsche Tierschutzbund rät von nicht eindeutig gekennzeichneten Produkten aus Bulgarien, Belgien, China, Frankreich, Polen, Spanien und Ungarn dringend ab. Denn die Industrie lässt die Tiere in einigen Ländern immer noch für die Produktion der vermeintlichen Delikatesse Foie Gras stopfen oder die Tiere lebend rupfen. Mit dem Import gelangen die Gänse dann auch nach Deutschland. In deutschen Betrieben ist die qualvolle Mast verboten. Auf diese Weise unterstützen auch Konsumenten, die die Stopfleberproduktion selbst ablehnen, diese grausame Prozedur. Aufgrund der undurchsichtigen Kennzeichnung des Gänsefleischs ist der Kauf des vermeintlichen Festessens oft mit Zweifeln verbunden. „Allgemein sollten Verbraucher auf Gänsefleisch verzichten, erst recht, wenn sie weder die Produktionswege noch die Haltungsbedingungen nachvollziehen können.“


Das bedeuten die Bezeichnungen auf Gänsefleisch

Einige Begriffe, die die Haltung von Gänsen beschreiben, sind geschützt und europaweit gültig. Die Fleischindustrie darf sie nur verwenden, wenn die Tiere unter folgenden Haltungsbedingungen gelebt haben:

Freilandhaltung
Die Gänse hatten mindestens ihr halbes Leben lang tagsüber die Chance auf Auslauf an der frischen Luft. Pro Tier sind mindestens vier Quadratmeter Auslauffläche vorgeschrieben. Außerdem bestehen mindestens 70 Prozent ihres Futters aus Getreide und die Zahl der Tiere, die gemeinsam auf der Stallfläche gehalten werden dürfen, ist ebenfalls klar definiert.

Bäuerliche Freilandhaltung
Diese Kennzeichnung ist nur für Tiere einer langsam wachsenden Rasse gestattet. Zudem dürfen die Landwirte Regeln zur Stallgröße, Anzahl der Tiere und der Zahl der Tiere pro Fläche nicht unter- bzw. überschreiten. Ab dem Alter von acht Wochen haben die Gänse tagsüber Möglichkeiten zum Auslauf wie bei der Freilandhaltung. Dabei sind mindestens zehn Quadratmeter je Tier vorgeschrieben, die „bewachsen und strukturiert“ sein müssen. Das bedeutet, dass die Freifläche vorwiegend begrünt sein muss und nicht nur aus Erde, Steinen oder gar Beton bestehen darf. Das Gänsefutter setzt sich wie bei der Freilandhaltung zu mindestens 70 Prozent aus Getreide zusammen und die Tiere werden nicht geschlachtet, bevor sie 140 Tage alt sind. Frühmastgänse werden bereits nach 60 Tagen getötet.

Bäuerliche Freilandhaltung – Unbegrenzter Auslauf
Hier gelten die Mindestvorgaben der Bäuerlichen Freilandhaltung. Wie der Name verrät, erhalten die Tiere zusätzlich tagsüber Auslauf, der „flächenmäßig unbegrenzt“ ist.

Bio-Siegel
Gänse aus der Biohaltung werden mit Futter aus ökologischem Anbau gefüttert, dürfen täglich in den Auslauf, der pro Tier mindestens 15 Quadratmeter vorschreibt, und können stets an eine Wasserfläche. Das können ein Wasserbecken, aber auch ein Bach, See oder Teich sein. Das Wasser muss so tief sein, dass sie komplett eintauchen können. Vor ihrer Schlachtung leben Bio-Gänse mindestens 20 Wochen.

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Bildrechte: Artikelheader: Pixabay - Marjon Besteman (Gans); Fotos: Pixabay - Elsemargriet (Gänse am Wasser), Thomas (Gänse unter Baum)