Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
In den meisten Ställen sind die Rinder mit Ketten angebunden. Es gibt aber auch zahlreiche Betriebe, in denen sie in starren Halsrahmen fixiert sind.
Sie stehen tagein, tagaus auf einem Platz. Nach rechts und links hin ist kaum Raum, sich umdrehen, sich frei bewegen – Fehlanzeige. Nicht einmal am Rücken können sie sich kratzen, geschweige denn sich wälzen, laufen oder engen Kontakt zu ihrer Herde aufnehmen. Fressen, sich hinlegen und aufstehen ist das einzige, was den angebundenen Tieren bleibt. Und selbst das ist oft ein Problem. „Häufig ist die den Tieren zugesprochene Fläche so gering, dass nicht alle von ihnen gleichzeitig liegen können, ohne sich gegenseitig zu behindern oder zu verletzen“, sagt Frigga Wirths, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund. Das heißt selbst dieser klitzekleine „Freiraum“ ist oft kaum existent. Etwa 1,1 Millionen Rinder vegetieren auf diese Art und Weise in Deutschland vor sich hin. Knapp die Hälfte von ihnen sind Milchkühe, die anderen sind Jungtiere in einem Alter ab sechs Monaten, Bullen, Färsen und Mutterkühe. „In der Zeit, in der sie angebunden sind, werden das arteigene Verhalten und die Grundbedürfnisse dieser Tiere nahezu vollständig eingeschränkt“, kritisiert Wirths.
In den meisten Ställen sind die Rinder mit Ketten angebunden. Es gibt aber auch zahlreiche Betriebe, in denen sie in starren Halsrahmen fixiert sind. „Dann sind die Einschränkungen noch wesentlich massiver als bei einer Anbindung an Ketten, die wenigstens ein wenig seitlichen Spielraum lassen“, so Wirths. Hinzu kommt, dass die meisten Anbindeställe alt sind, was zahlreiche zusätzliche Probleme mit sich bringt. So sind die Standflächen für die durch die Zucht extrem gewachsenen Kühe nicht mehr geeignet. Die Flächen sind nicht nur zu schmal, was dazu führt, dass die Rinder nicht in natürlicher, entspannter Position liegen können, sondern oft auch zu kurz. „So liegen oder stehen die Kühe teilweise auf dem Gitterrost, der eigentlich hinter ihnen Kot und Urin auffangen soll.“ In der Folge leiden sie an verschiedenen haltungsbedingten Schäden wie Schwellungen an den Gelenken und Entzündungen ihrer Euter. Zudem sind die Liegeflächen häufig nur unzureichend eingestreut, was zu weiteren Verletzungen und Abschürfungen führt, und die alten Ställe aufgrund fehlender Fenster meist sehr dunkel. „Durch die mangelnde Belüftung herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Hohe Temperaturen im Sommer und eine starke Belastung mit Schadgasen beeinträchtigen die Gesundheit der Tiere zusätzlich“, erklärt die Expertin. Dabei kommt es auch vor, dass die Kühe so angebunden sind, dass sie nicht auf ihre Artgenossen auf der gegenüberliegenden Seite des Futtertisches blicken, sondern Tag und Nacht auf eine Wand starren. „Die intelligenten und neugierigen Tiere leiden zu all dem Übel auch noch erheblich unter der Monotonie ihrer Umwelt und haben kaum Abwechslung durch äußere Reize.“
Zahlreiche Kühe sind 365 Tage im Jahr zu diesem jämmerlichen Leben gezwungen, jahrein, jahraus, ein Leben lang. Die anderen leben in der sogenannten saisonalen Anbindehaltung, was bedeutet, dass sie jeweils für ein halbes oder dreiviertel Jahr fixiert sind und in der übrigen Zeit etwas Auslauf erhalten. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es sich dabei immer um Weidegang handelt“, sagt Wirths. In Bayern und Baden-Württemberg haben sich Milchviehhalter, Molkereien und Politik darauf verständigt, dass die saisonale Anbindehaltung mindestens die Kriterien der sogenannten „Kombinationshaltung“ erfüllen soll. Ein schönes Wort, das allerdings mehr verspricht, als es hält. Denn den Vorgaben nach reicht es aus, wenn den Tieren für eine gewisse Zeit im Jahr ein Laufhof oder Buchten im Stall zur Verfügung stehen, in denen sie sich frei bewegen können – eine Weide ist genauso wenig vorgeschrieben wie konkrete Größenvorgaben für die Bewegungsflächen. „Zwar ist es eine Verbesserung, wenn die Kühe nicht 365 Tage im Jahr angebunden sind, sondern sich an 90 bis 120 Tagen im Jahr bewegen können, aber die Kombinationshaltung ist und bleibt ebenfalls ein tierschutzwidriges Haltungssystem.“
Ein Lichtblick: Die aktuelle Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Anbindehaltung in den nächsten zehn Jahren beenden zu wollen. Allerdings halten landwirtschaftliche Interessensvertreter und Politiker in Bayern und Baden-Württemberg die saisonale Form weiterhin für akzeptabel. „Die allgemeine Formulierung im Koalitionsvertrag impliziert die Anbindehaltung generell. Der Versuch daraus abzuleiten, es handele sich nur um die ganzjährige Anbindehaltung ist nicht gerechtfertigt“, sagt Wirths. Die Anbindehaltung – egal ob ganzjährig und saisonal – führt zu großem Leid und stellt zudem einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Der Deutsche Tierschutzbund fordert schon seit Jahren ein komplettes Verbot, unabhängig davon, in welcher Form, für welche Nutzungsart oder in welchem Alter die Tiere angebunden werden. Und das gilt sowohl für die konventionelle als auch die ökologische Landwirtschaft. Denn anders, als viele Menschen vielleicht denken, gibt es die saisonale Anbindehaltung sogar in Betrieben, die nach den Vorgaben der ökologischen Anbauverbände beziehungsweise der Öko-Verordnung arbeiten. Dabei zeigen längst zahlreiche Beispiele, dass es möglich ist, auch kleine Anbindeställe so umzubauen, dass dies für die Betriebe wirtschaftlich zu verkraften ist und gleichzeitig tiergerechte Lösungen zu finden. „Lediglich bei bestehender saisonaler Anbindehaltung ist eine Übergangsfrist bis spätestens Ende 2030 tolerabel, wenn die Betriebe Umbaupläne oder ein Ausstiegskonzept vorlegen. In den Übergangsfristen selbst muss den Tieren aber schon so viel Bewegung wie möglich zugestanden werden“, fordert Wirths. „Die Politik muss die Landwirte außerdem bei den Umbaumaßnahmen oder beim Ausstieg finanziell unterstützen.“ Aus der Sicht des Deutschen Tierschutzbundes gibt es schon lange keine Ausreden mehr. Das Tierleid muss beendet werden und das so schnell wie möglich.
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In den meisten Ställen sind die Rinder mit Ketten angebunden. Es gibt aber auch zahlreiche Betriebe, in denen sie in starren Halsrahmen fixiert sind. „Dann sind die Einschränkungen noch wesentlich massiver als bei einer Anbindung an Ketten, die wenigstens ein wenig seitlichen Spielraum lassen“, so Wirths. Hinzu kommt, dass die meisten Anbindeställe alt sind, was zahlreiche zusätzliche Probleme mit sich bringt. So sind die Standflächen für die durch die Zucht extrem gewachsenen Kühe nicht mehr geeignet. Die Flächen sind nicht nur zu schmal, was dazu führt, dass die Rinder nicht in natürlicher, entspannter Position liegen können, sondern oft auch zu kurz. „So liegen oder stehen die Kühe teilweise auf dem Gitterrost, der eigentlich hinter ihnen Kot und Urin auffangen soll.“ In der Folge leiden sie an verschiedenen haltungsbedingten Schäden wie Schwellungen an den Gelenken und Entzündungen ihrer Euter. Zudem sind die Liegeflächen häufig nur unzureichend eingestreut, was zu weiteren Verletzungen und Abschürfungen führt, und die alten Ställe aufgrund fehlender Fenster meist sehr dunkel. „Durch die mangelnde Belüftung herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Hohe Temperaturen im Sommer und eine starke Belastung mit Schadgasen beeinträchtigen die Gesundheit der Tiere zusätzlich“, erklärt die Expertin. Dabei kommt es auch vor, dass die Kühe so angebunden sind, dass sie nicht auf ihre Artgenossen auf der gegenüberliegenden Seite des Futtertisches blicken, sondern Tag und Nacht auf eine Wand starren. „Die intelligenten und neugierigen Tiere leiden zu all dem Übel auch noch erheblich unter der Monotonie ihrer Umwelt und haben kaum Abwechslung durch äußere Reize.“
– Frigga Wirths
Zahlreiche Kühe sind 365 Tage im Jahr zu diesem jämmerlichen Leben gezwungen, jahrein, jahraus, ein Leben lang. Die anderen leben in der sogenannten saisonalen Anbindehaltung, was bedeutet, dass sie jeweils für ein halbes oder dreiviertel Jahr fixiert sind und in der übrigen Zeit etwas Auslauf erhalten. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es sich dabei immer um Weidegang handelt“, sagt Wirths. In Bayern und Baden-Württemberg haben sich Milchviehhalter, Molkereien und Politik darauf verständigt, dass die saisonale Anbindehaltung mindestens die Kriterien der sogenannten „Kombinationshaltung“ erfüllen soll. Ein schönes Wort, das allerdings mehr verspricht, als es hält. Denn den Vorgaben nach reicht es aus, wenn den Tieren für eine gewisse Zeit im Jahr ein Laufhof oder Buchten im Stall zur Verfügung stehen, in denen sie sich frei bewegen können – eine Weide ist genauso wenig vorgeschrieben wie konkrete Größenvorgaben für die Bewegungsflächen. „Zwar ist es eine Verbesserung, wenn die Kühe nicht 365 Tage im Jahr angebunden sind, sondern sich an 90 bis 120 Tagen im Jahr bewegen können, aber die Kombinationshaltung ist und bleibt ebenfalls ein tierschutzwidriges Haltungssystem.“
Ein Lichtblick: Die aktuelle Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Anbindehaltung in den nächsten zehn Jahren beenden zu wollen. Allerdings halten landwirtschaftliche Interessensvertreter und Politiker in Bayern und Baden-Württemberg die saisonale Form weiterhin für akzeptabel. „Die allgemeine Formulierung im Koalitionsvertrag impliziert die Anbindehaltung generell. Der Versuch daraus abzuleiten, es handele sich nur um die ganzjährige Anbindehaltung ist nicht gerechtfertigt“, sagt Wirths. Die Anbindehaltung – egal ob ganzjährig und saisonal – führt zu großem Leid und stellt zudem einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Der Deutsche Tierschutzbund fordert schon seit Jahren ein komplettes Verbot, unabhängig davon, in welcher Form, für welche Nutzungsart oder in welchem Alter die Tiere angebunden werden. Und das gilt sowohl für die konventionelle als auch die ökologische Landwirtschaft. Denn anders, als viele Menschen vielleicht denken, gibt es die saisonale Anbindehaltung sogar in Betrieben, die nach den Vorgaben der ökologischen Anbauverbände beziehungsweise der Öko-Verordnung arbeiten. Dabei zeigen längst zahlreiche Beispiele, dass es möglich ist, auch kleine Anbindeställe so umzubauen, dass dies für die Betriebe wirtschaftlich zu verkraften ist und gleichzeitig tiergerechte Lösungen zu finden. „Lediglich bei bestehender saisonaler Anbindehaltung ist eine Übergangsfrist bis spätestens Ende 2030 tolerabel, wenn die Betriebe Umbaupläne oder ein Ausstiegskonzept vorlegen. In den Übergangsfristen selbst muss den Tieren aber schon so viel Bewegung wie möglich zugestanden werden“, fordert Wirths. „Die Politik muss die Landwirte außerdem bei den Umbaumaßnahmen oder beim Ausstieg finanziell unterstützen.“ Aus der Sicht des Deutschen Tierschutzbundes gibt es schon lange keine Ausreden mehr. Das Tierleid muss beendet werden und das so schnell wie möglich.
Bildrechte: Artikelheader: stock.adobe.com – photos_adil (Kühe im Stall in Anbindehaltung); Foto: stock.adobe.com – Nadtochiy (einzelne Kuh in Anbindehaltung)