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Leere Versprechen

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Leere Versprechen

Das alljährliche Parlamentarische Tierschutzfrühstück des Deutschen Tierschutzbundes ist mittlerweile eine feste Institution im Berliner Politikbetrieb. Dieses Jahr stand die Halbzeitbilanz der Großen Koalition im Fokus – aus Tierschutzsicht fällt diese ernüchternd aus.

  • Autor: Frank Meuser, Geschäftsführer Politik beim Deutschen Tierschutzbund

Renate Künast MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Hans-Joachim Fuchtel MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Amira Mohamed Ali MdB (DIE LINKE) und Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (v. l.).

Renate Künast MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Hans-Joachim Fuchtel MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Amira Mohamed Ali MdB (DIE LINKE) und Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (v. l.).

Über 100 Gäste aus Politik, Verbänden und Wirtschaft diskutierten auch dieses Jahr wieder im Hauptstadtbüro des Deutschen Tierschutzbundes bei veganem Frühstücksbuffet die aktuellen Themen des politischen Tierschutzes. Zentrales Thema war die Halbzeitbilanz der Großen Koalition. Diese hatte in ihrem Koalitionsvertrag zahlreiche Maßnahmen im Tierschutz vorgesehen, die zur Mitte der Legislaturperiode erledigt sein sollten – eigentlich. Denn aus Tierschutzsicht fällt die Bilanz ernüchternd aus: Kaum eines der im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigten Tierschutzversprechen wurde angegangen – geschweige denn umgesetzt. An vielen Stellen droht die Große Koalition die Lage der Tiere sogar noch zu verschlechtern.

Obwohl es dringend gesetzlicher Verbesserungen für den Tierschutz bedarf, setzt die Bundesregierung weiter vor allem auf freiwillige Vereinbarungen. Statt, wie versprochen, das Töten von Eintagsküken bis zur Mitte der Legislaturperiode zu beenden, hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Verantwortung an die Geflügelwirtschaft abgegeben. Auch das Schnabelkürzen bei Legehennen ist noch immer nicht per Gesetz verboten; es wird lediglich im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung der Geflügelwirtschaft darauf verzichtet. Klöckners freiwilliges Tierwohlkennzeichen, dessen Kriterien aus Tierschutzsicht viel zu niedrig angesetzt sind, wird sogar vom Bundesland Niedersachsen kritisiert. Ein Verbot von Wildtieren im Zirkus wird – entgegen Klöckners Ankündigungen, hier tätig zu werden, und der klaren Meinung von Experten – ebenfalls nicht umgesetzt. Stattdessen tauscht sich das Bundeslandwirtschaftsministerium hinter verschlossenen Türen mit der Zirkusbranche aus.

Jochen Dettmer, Vorstandssprecher von NEULAND, Dieter Ruhnke und Holger Sauerzweig-Strey, die Vorsitzenden der Landestierschutzverbände Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Jochen Dettmer (l.), Vorstandssprecher von NEULAND, Dieter Ruhnke (2. v. l.) und Holger Sauerzweig-Strey, die Vorsitzenden der Landestierschutzverbände Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Genug Diskussionsstoff

Dass die politischen Maßnahmen oder auch Nicht-Maßnahmen rund um die aktuellen Tierschutzthemen nicht nur Tierschützer bewegen, zeigte die außerordentlich lebendige Diskussion des Parlamentarischen Tierschutzfrühstücks, die sich aus den Grußworten der Ehrengäste ergab. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Hans-Joachim Fuchtel MdB, und die tierschutzpolitischen Sprecherinnen der Fraktion DIE LINKE, Amira Mohamed Ali MdB, sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast MdB, lieferten den Gästen eine Tierschutzdebatte, die so mancher im Bundestag um nichts nachstand. Ob es um die Frage der Verbindlichkeit des staatlichen Tierschutzlabels ging oder die Frage des Ausstiegs aus der Tötung männlicher Eintagsküken: Es wurde kontrovers debattiert – Zwischenrufe und spontane Reaktionen inklusive.

Auslöser dieser Diskussion war die Begrüßungsrede des Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder, in der er die Bundesregierung scharf kritisierte. Im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre sei das Vertrauen der Tierschützer in Deutschland schwer erschüttert worden. Er nannte den „Ferkelherbst“ 2018, in dessen Verlauf die Bundesregierung den bereits 2013 beschlossenen Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration im Hauruck-Verfahren wieder aufhob und auf Druck der Tiernutzer um zwei weitere Jahre verlängerte. Das Vorgehen der Bundesregierung bei der aktuellen Debatte um die Kastenstandhaltung von Sauen funktioniere wieder nach dem gleichen Muster: Wenn ein Gesetz den Tiernutzern nicht passt, wird es von der Großen Koalition passend gemacht. Schröder machte klar: „Das lassen wir Ihnen nicht mehr durchgehen!“ Sollten Legislative und Exekutive weiterhin diesen Weg der Politik wählen, werde der Deutsche Tierschutzbund entsprechend reagieren. „Dann muss die Judikative ran. Und ich sage: Wir können auch Recht!“

Tierschutz oder Wirtschaft?

Hans-Joachim Fuchtel zog eine positive Bilanz der Tierschutzpolitik der Großen Koalition. Ein Tierwohllabel sei auf den Weg gebracht worden, das zwar nicht verpflichtend sei, jedoch deutliche Verbesserungen für die Tiere in der Landwirtschaft bringen würde. Renate Künast erinnerte daran, dass das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz bald „volljährig“ werde, jedoch bis heute weitgehend ohne Folgen geblieben sei. Die staatlichen Organe nähmen den Artikel 20a des Grundgesetzes nicht ernst genug. Statt weitreichender Gesetze werde nach wie vor zu viel auf Freiwilligkeit gesetzt. Ihre Empfehlung an die Große Koalition: „Die Politik muss sich trauen dürfen.“ Auch Amira Mohamed Ali ging mit der Tierschutzpolitik der Großen Koalition hart ins Gericht. „Solange in der Nutztierhaltung das Tierwohl rigoros wirtschaftlichen Interessen unterworfen wird, widerspricht dies dem Staatsziel Tierschutz und dem Verständnis der Tiere als Mitgeschöpfe.“ Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Regierung ihre Versprechen in puncto Tierschutz doch noch einhält oder sie weiter den Interessen der Wirtschaft und Tiernutzer unterordnet. Was feststeht: Um den Tierschutz voranzubringen, „brauchen wir einen mutigen und klaren Gesetzgeber, der sich auch so versteht und sich nicht darauf zurückzieht, nur noch Prozesse zu moderieren“, sagte Schröder.

Der intensiven Debatte folgte ein angenehmer lockerer Austausch bei Kaffee und Buffet. Das Parlamentarische Tierschutzfrühstück 2019 hat einmal mehr gezeigt, dass der Deutsche Tierschutzbund politisch konsequent und entsprechend streitbar ist, gleichzeitig aber über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg den Dialog sucht und seine Expertise anbietet. Die große Teilnahme ist ein Beleg dafür, dass dieses Fachwissen im politischen Berlin sehr geschätzt wird.

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