Hinter den Kulissen
Bullenmast

Tiergerecht? Fehlanzeige

Hinter den Kulissen
Bullenmast

Tiergerecht? Fehlanzeige

Die Bullenmast in der konventionellen Landwirtschaft führt zu enormen Tierschutzproblemen.

  • Autor: Bernd Pieper, Geschäftsführer Kommunikation beim Deutschen Tierschutzbund

Rund eine Million Mastbullen werden in Deutschland gehalten. Für deren Haltung gibt es genauso wenig eine gesetzliche Vorschrift wie für die von Milchkühen oder anderen Rindern aus der konventionellen Landwirtschaft. Lediglich für Kälber bis zum Alter von sechs Monaten existieren verbindliche Vorgaben. Diese sind in Deutschland immerhin etwas strenger als in anderen EU-Ländern, aber aus Tierschutzsicht immer noch völlig unzureichend. Die Haltung älterer Rinder ist nur über die allgemeinen Bestimmungen der Nutztierhaltungs-Verordnung und des Tierschutzgesetzes geregelt. Lediglich in Niedersachsen gibt es eine verbindliche „Tierschutzleitlinie zur Haltung von Mastrindern“, deren Bestimmungen „aus unserer Sicht jedoch nicht die Bezeichnung ,Tierschutz‘ verdienen“, sagt Frigga Wirths, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund.

An den Bedürfnissen vorbei

Die Kälber werden meistens direkt nach der Geburt oder nach wenigen Tagen von ihren Müttern getrennt. Bereits ab einem Alter von 14 Tagen dürfen sie transportiert werden. Betroffen davon sind alle männlichen Tiere sowie die weiblichen, die der Betrieb nicht als zukünftige Milchkühe benötigt. Hunderttausende von ihnen werden zur Mast ins Ausland verkauft, vor allem in die Niederlande oder nach Spanien. Aber auch die Tiere, die in Deutschland verbleiben, erwartet ein trauriges Leben. Kommen die wenige Wochen alten Kälber – häufig aus verschiedensten Herkunftsbetrieben – in einem Mastbetrieb zusammen, erhalten sie dort die notwendige Milchnahrung über ein spezielles Milchpulvergemisch. Auch ein wenig Raufutter müssen sie laut Kälberhaltungs-Verordnung erhalten. Sie leben von nun an ausschließlich im Stall auf einem Spaltenboden. „Sie sind durch den Transport geschwächt und daher sehr anfällig für Krankheiten. Entsprechend hoch kann der Einsatz von Antibiotika sein“, so Wirths. An diesen Haltungsbedingungen, die an den elementaren Bedürfnissen der Tiere vorbeigehen, ändert sich bis zu ihrem Lebensende nichts. Es gibt meistens viel zu wenig Platz – je älter die Tiere werden, umso weniger. Nicht alle Tiere können dann gleichzeitig entspannt liegen, sie behindern sich gegenseitig oder treten aufeinander. Sie können nicht umherspringen oder spielen, was ihrem natürlichen Verhalten entspräche. Ebenso ist es schwierig, wenn Tiere einander ausweichen wollen. Am Ende der Mastperiode stehen einem Bullen von etwa 700 Kilogramm Körpergewicht oft nur zwei bis zweieinhalb Quadratmeter zur Verfügung, er ist dann etwa 18 Monate alt.

Rutschiger und feuchter Untergrund

Der Untergrund besteht meistens aus Vollspaltenboden aus Beton. Es gibt keine Liegefläche, die eingestreut, weich oder trocken ist. Durch die Spalten gelangen Urin und Kot in den darunterliegenden Güllekeller. Je mehr Mastbullen auf engem Raum leben, desto besser funktioniert das Durchtreten des Kots durch die Spalten und umso sauberer ist der Boden – ein Argument, das gerne benutzt wird, um das geringe Platzangebot zu rechtfertigen. Bei rutschigem und feuchtem Untergrund sind die Tiere zusätzlich in ihrer Bewegung beeinträchtigt. Ruhen sie auf dem harten, dreckigen und feuchten Untergrund, führt dies zu Verschmutzungen ihres Fells sowie zu Schwellungen und Hautabschürfungen an den Gelenken.

Eine typische Erkrankung der Mastbullen ist zudem die schmerzhafte Schwanzspitzennekrose. Sie wird dadurch begünstigt, dass der Schwanz ständig auf dem feuchten Untergrund liegt. Aus diesem Grund gibt es heute immer noch Mastbullen, denen der Schwanz kupiert wurde. Dadurch wird zwar die schmerzhafte Entzündung vermieden, aber auch diese Amputation ist mit Schmerzen verbunden und die Tiere können den Schwanz nicht mehr zur Abwehr von Fliegen nutzen.

Keine frische Luft

„Da die Rinder auf den Spaltenböden ruhen müssen, atmen sie die aus dem Güllekeller aufsteigenden Schadgase ein. Das ist unangenehm und kann zu Entzündungen der Atemwege und Bindehäute führen“, berichtet die Expertin. Zugang zu frischer Luft haben die wenigsten Bullen. In den engen Stallabteilen haben die Tiere keinerlei Abwechslung, nicht einmal das Futter bietet viel Beschäftigung. Damit die Tiere in kurzer Zeit viel Gewicht zulegen, besteht es größtenteils aus energiereicher Maissilage und Kraftfutter. Diese Fütterung entspricht kaum noch den Bedürfnissen der Rinder als Wiederkäuer. Durch die rasante Gewichtszunahme bei gleichzeitiger Bewegungsarmut verlieren die Tiere an Kraft und Beweglichkeit und stehen oft nur noch zum Fressen auf. Dass man Rinder auch anders mästen kann, zeigen die Bauern, die ökologisch wirtschaften oder unter NEULAND vermarkten. Bei den dort praktizierten Haltungsverfahren haben die Tiere mehr Platz zur Verfügung. Trockene Einstreu bietet ihnen eine weiche Liegefläche, sie haben einen Offenfrontstall oder einen Auslauf, sodass sie Kontakt zum Außenklima und etwas mehr Abwechslung haben. Auch erhalten die Rinder wiederkäuergerechtes Futter.

DIE TIERE BRAUCHEN SIE

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