Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER
Sie fühlt sich angenehm weich an, kratzt nicht, ist geruchsneutral, knitterfrei und wasserabweisend. Im Winter hält sie zudem warm, im Sommer kühlt sie. Merinowolle gilt dank ihrer praktischen Eigenschaften als lohnendes Geschäft für Kleidungshersteller. Schließlich wäre es doch überaus praktisch, wenn wir Menschen uns auch so ein weiches Fell zulegen könnten, das uns bei Wind und Wetter schützt – genau wie bei den Merinoschafen, von denen die Kuschelwolle stammt. Doch nur die wenigsten Käufer wissen, wie sehr die Schafe für Wollprodukte wie Pullover, Jacken und Mützen leiden. Fast 90 Prozent der feinen Naturfaser stammen aus Australien – dort ist das sogenannte Mulesing gängige Praxis.
Damit sie möglichst viel Wolle liefern, wurden die Schafe auf unnatürlich viele Hautfalten gezüchtet, was sie anfällig für den Befall von Fliegenmaden macht: „Fliegen legen ihre Eier in die von Kot und Urin verschmutzten Hautfalten der After- und Genitalregion ab“, erläutert Dr. Anna Kirchner, Referentin für Interdisziplinäre Themen beim Deutschen Tierschutzbund. „Die geschlüpften Fliegenmaden fressen sich dann in das Gewebe der Schafe – es kommt zu schweren Entzündungen und die Tiere können an den Folgen versterben.“ Um dem vorzubeugen, ist es in Australien üblich, bei Lämmern die Hautfalten um den After- und Vulvabereich mit einer speziellen Schere zu entfernen.
„Dieses Verfahren wurde 1927 von John Mules entwickelt, daher die Bezeichnung ‚Mulesing‘, und erfolgt in der Regel ohne Betäubung oder Schmerzmittel“, so Kirchner. Die großen Wunden werden normalerweise nicht weiter behandelt und vernarben schließlich. „Eine zweite Möglichkeit ist das ebenfalls schmerzhafte ‚Clip-Mulesing‘, bei dem Schafhalter Kunststoffklammern an den Hautfalten anbringen, die die Blutzufuhr abschneiden. Die Hautpartien sterben daraufhin und fallen ab.“ In Deutschland ist diese grausame Verstümmelungsmethode verboten. Der Import von Merinowolle ist jedoch weiterhin erlaubt.
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