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Geschlossenheit macht uns stark

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Geschlossenheit macht uns stark

Tierschützer aus ganz Deutschland und Europa nahmen an der Mitgliederversammlung des Deutschen Tierschutzbundes teil. Sie diskutierten über Entwicklungen in tierschutzrelevanten Fragen, die Ausrichtung sowie Zukunft des Verbandes und wählten zudem das Präsidium neu.

  • Autor: Nadine Carstens, Redakteurin DU UND DAS TIER

Das Präsidium des Deutschen Tierschutzbundes: Schatzmeister Jürgen Plinz (l.), Präsident Thomas Schröder und Vizepräsidentin Dr. Brigitte Rusche.

Das Präsidium des Deutschen Tierschutzbundes: Schatzmeister Jürgen Plinz (l.), Präsident Thomas Schröder und Vizepräsidentin Dr. Brigitte Rusche.

„Wir sind die Stimme der Tiere. Wer sonst, wenn nicht wir?“ Bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn machte Präsident Thomas Schröder deutlich, wofür sein Verband steht: für eine starke Gemeinschaft, die sich für jedes einzelne Tier einsetzt. Denn wer sonst kann sich so stark gegen Missstände im Umgang mit Tieren aussprechen wie der Deutsche Tierschutzbund, der als Europas größte Tier- und Naturschutzorganisation die Interessen von mehr als 800.000 Tierschützern vertritt? Die Delegierten der insgesamt rund 740 Mitgliedsvereine und 16 Landesverbände, die aus dem ganzen Bundesgebiet und Europa angereist waren, stehen für Tierschutz mit Herz und Verstand. Wie wichtig es für den Dachverband ist, dass die Tierschützer geschlossen auftreten, betonte Schröder gleich zu Beginn: „Als solidarische Gemeinschaft entwickeln wir eine Riesenkraft. Geschlossenheit macht uns stark.“

Die Stimme der Tiere

Um Druck auf die Politik auszuüben und einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, braucht es neben einer engagierten Basis starke Persönlichkeiten an der Spitze – die Delegierten machten deutlich, dass das Präsidium mit Thomas Schröder vorneweg die Interessen des Dachverbandes am besten vertritt. So wählten sie ihn, die beiden Vizepräsidentinnen Dr. Brigitte Rusche und Renate Seidel sowie Schatzmeister Jürgen Plinz für vier weitere Jahre.

Bei der Mitgliederversammlung wählten die Delegierten das Präsidium neu.

Bei der Mitgliederversammlung wählten die Delegierten das Präsidium neu.

„Die letzten acht Jahre haben mir viel Kraft gegeben. Haben mir viel Freude und viele förderliche Erkenntnisse gebracht. Ich freue mich daher extrem auf weitere vier Jahre“, so Schröder, der sein Amt bereits seit 2011 innehat. Um die Vizepräsidentschaft kandidiert hatten außerdem Kerstin Lenz, Vorsitzende des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, sowie Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen.

Themenforen und Diskussionsrunden

Die Themen, die die Mitgliederversammlung bestimmten, waren vielfältig. Schon am Abend vor der eigentlichen Veranstaltung hatten sich die bereits angereisten Tierschützer zu Themenforen und Diskussionsrunden getroffen. Während es im Forum Jugend um die Kinder- und Jugendtierschutzarbeit in Tierschutzvereinen ging, befasste sich ein weiteres Forum inhaltlich mit der Straßentierproblematik im Ausland – ein Herzensanliegen des Deutschen Tierschutzbundes. Zu dem Forum begrüßte Dr. Brigitte Rusche die Teilnehmer; die Grundlagen erläuterte Dr. Henriette Mackensen, Leiterin der Abteilung Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, auch am Beispiel des zum Verband gehörenden Tierschutzzentrums Odessa in der Ukraine. Dessen Leiterin Irina Naumova und ihre Mitstreiter waren als Ehrengäste nach Bonn eingeladen worden und berichteten von ihren Erfahrungen.

Simone Sombecki moderierte die Fishbowl, ein modernes Diskussionsformat.

Simone Sombecki moderierte die Fishbowl, ein modernes Diskussionsformat.

Wie sich der Deutsche Tierschutzbund künftig grundsätzlich ausrichten will, debattierten zahlreiche Angereiste im Rahmen einer sogenannten Fishbowl, einem modernen Diskussionsformat. Im Fokus stand hier vor allem das neu formulierte Leitbild, in dem die Vision, die Mission sowie die Säulen und Grundsätze der Arbeit des Verbandes zusammengefasst sind. Etwa anderthalb Stunden stellten sich das Präsidium und Vertreter des Länderrats den Fragen und Kritikpunkten der Delegierten – durch den Abend führte dabei Moderatorin Simone Sombecki. Am Ende waren sich alle einig, dass das neue Leitbild eine Weiterentwicklung bedeutet – der somit gestärkte Verband kann so auch die Politik noch mehr in die Pflicht nehmen.

Kritik an der aktuellen Politik

Am Tag selbst bildeten vor allem die grausamen Haltungsbedingungen von Tieren in der Landwirtschaft einen Schwerpunkt. Schröder sparte dabei nicht mit Kritik an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner: Sie schrecke vor ihrer Verantwortung zurück und regiere mit einer „Freiwilligeritis“ in der Agrar- und Tierschutzpolitik. „Wir erleben, dass die Politik Probleme und Lösungen immer kleinteiliger diskutiert. Großen Fragen wird ausgewichen.“ Insbesondere die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration und des Kükentötens sowie das auf Freiwilligkeit basierende staatliche Tierwohllabel gehören zu den jüngsten Entwicklungen, die das Vertrauen der Tierschützer in die Politik stark beschädigt haben. Auch die Haltung von Sauen in Kastenständen, Lebendtiertransporte und Billigpreise für Fleisch und tierische Produkte prangerten die Anwesenden bei der Mitgliederversammlung an.

Ob Ferkel, männliche Küken von Legehennen oder Milchkühe – letztendlich seien die Tiere in der Landwirtschaft Teil eines kaputten Systems, das von Effizienz und Leistungssteigerung geprägt sei und schon mit der Zucht beginne. Schröder mahnte daher in Richtung Bund und Länder, notwendige Strategien und Maßnahmen endlich anzugehen, und forderte eine konkrete Antwort, wie die Situation der Tiere in der Landwirtschaft in 20 oder 30 Jahren aussehen soll. „Die verantwortlichen Politiker sind dringend gefordert, dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierwohl und dem Staatsziel Tierschutz gerecht zu werden.“

Die Wahl des Präsidiums war einer der Hauptpunkte auf der Tagesordnung.

Missstände in Forschungs- und Versuchseinrichtungen

Ein weiteres Thema, das den Deutschen Tierschutzbund seit Jahren umtreibt, sind Tierversuche. So herrschen in Deutschlands Forschungs- und Versuchseinrichtungen nach wie vor häufig erhebliche Missstände, und so gut wie jeder Tierversuchsantrag wird genehmigt – nicht umsonst hat die Europäische Kommission die Bundesregierung gerügt und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil Deutschland die EU-Vorgaben zum Schutz von Versuchstieren nicht korrekt in deutsches Recht umgesetzt hat. Auch hier sei mehr Weitblick erforderlich, sagte Rusche. „Statt weiter Milliarden Fördergelder in die traditionelle Forschung mit Tieren zu investieren, braucht es endlich mehr Geld für moderne und zuverlässige tierversuchsfreie Methoden und eine Strategie zum Ausstieg aus Tierversuchen.“

Wie es indes hierzulande um den karitativen Tierschutz bestellt ist, erleben die Tierschützer in ihren Tierheimen und Auffangstationen Tag für Tag aus nächster Nähe. So müssen sie zum Beispiel vermehrt Welpen aus illegalem Handel, „problematische“ Hunde, Straßenkatzen und exotische Tiere versorgen. Nur dank des Engagements der Mitgliedsvereine können all diese Tiere gerettet werden. An Bund und Kommunen gerichtet kritisierten die Tierschützer geschlossen, dass diese ihre Verantwortung auf sie abwälzten und selbst untätig blieben. Um seine Mitstreiter an der Basis zu entlasten, hat der Deutsche Tierschutzbund die Themen Professionalisierung und Stärkung des Ehrenamtes weit oben auf seine Agenda gesetzt. „Unter anderem hat der Dachverband aktuell ehrenamtliche Finanzberater ausgebildet, die die Mitgliedsvereine bei den Verhandlungen der Fundtierkostenverträge mit den Kommunen unterstützen“, schilderte Schatzmeister Jürgen Plinz.

28 Mitgliedsvereine freuten sich über neue Tierhilfewagen.

28 Mitgliedsvereine freuten sich über neue Tierhilfewagen.

Direkte Hilfe vor Ort

Mit finanzieller Unterstützung hilft der Verband seinen Vereinen auch ganz direkt. Wie genau, erläuterte Plinz, als er den Haushalt vorstellte. Demnach flossen allein 2018 über eine Million Euro aus dem Bauhilfefonds und weitere Hunderttausend Euro als direkte Zuschüsse an die Vereine. Praktische Hilfe leistet der Deutsche Tierschutzbund auch mit Tierhilfewagen: Innerhalb der Mitgliederversammlung übergab der Verband 28 neue Autos der Marke Ford Transit Courier an Mitgliedsvereine aus ganz Deutschland. Das Besondere: Sie sind so ausgestattet, dass sie den sicheren Transport von Tieren gewährleisten. Zum Beispiel minimieren blickdichte Seitenfenster die optischen Reize und somit den Stress für die Tiere.

Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren 182 solcher Wagen übergeben. „Wir sind begeistert“, sagte Irene Sander vom Vereinstierheim Heiligenstadt. Da das Tierheim ländlich gelegen ist, müssen dessen Helfer oft weite Wege zurücklegen, um zum Beispiel Hunde oder Katzen zu retten. „Bisher konnten wir dafür immer nur alte Autos nutzen, dieser neue Wagen bietet uns und den Tieren jetzt mehr Sicherheit.“ Um die Beschenkten mit den Autos vertraut zu machen, gab Judith Schönenstein, Tierheimberaterin beim Deutschen Tierschutzbund, ihnen eine kurze Einweisung.

Dass Tierschutz auch die Jugend bewegt, wurde bei der Verleihung des Adolf-Hempel-Jugendtierschutzpreises deutlich, die im feierlichen Rahmen der Mitgliederversammlung stattfand. Dr. Brigitte Rusche würdigte für die Jury das jugendliche Engagement. Das Thema Kinder- und Jugendtierschutz wurde auch als Tagesordnungspunkt diskutiert. Der Deutsche Tierschutzbund plant, die Jugendarbeit im Verband noch mehr voranzutreiben – bereits im vergangenen Jahr gründete das Präsidium hierfür mit den Landestierschutzverbänden die Arbeitsgruppe Jugend, um den Nachwuchs inhaltlich und strukturell noch intensiver im Verband zu verankern und zu fördern. Mit ihrer Abstimmung für einen entsprechenden Grundsatzbeschluss ermöglichten die Delegierten nun eine Stärkung der Jugend im Deutschen Tierschutzbund. So bleibt der Tierschutz auch in Zukunft in guten Händen.

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