„Wir verbessern den Wildtierschutz und gehen gegen Wilderei sowie den illegalen Wildtierhandel und deren Produkte vor; Handel mit und private Haltung von exotischen und Wildtieren wird bundeseinheitlich geregelt.“
„Importe von Wildfängen in die EU sollen grundsätzlich verboten
und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagt werden.“
„Wir nehmen die kritische Diskussion zur Tierhaltung in der Gesellschaft auf und entwickeln eine nationale Tierwohl-Offensive.“
„Ziel ist es außerdem, EU-weit einheitliche und höhere Tierschutzstandards durchzusetzen.“
„Wir streben eine flächengebundene Nutztierhaltung an.“
„Ziel ist es, eine tiergerechte Haltung in Deutschland zu fördern.“
„Wir werden einen wissenschaftlichen Diskurs über Größen tiergerechter Haltung von Nutztieren auf den Weg bringen.“
„Wir werden gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen die Initiative ergreifen, um das Problem überfüllter Tierheime anzugehen.“
„Die Erforschung von Ersatzmethoden zum Tierversuch wird intensiviert und dafür die personelle und finanzielle Ausstattung der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) gestärkt.“
„Wir werden die Sachkunde der Tierhalter fördern. Gleichzeitig erarbeiten wir ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme.“
Der Koalitionsvertrag von 2013 war sehr ambitioniert – zur Freude des Deutschen Tierschutzbundes. Der Verband setzt sich bis heute intensiv für eine Umsetzung der vereinbarten Ziele ein. Leider ist die Euphorie zu Beginn der Legislaturperiode schnell dem politischen Alltagsgeschäft gewichen. Sie mündete in zahlreiche Gesprächsrunden und Gutachten, nicht jedoch in Gesetze und Verordnungen. Erfreulich ist, dass sich die Koalition auf den letzten Metern noch zu einem vom Verband lange geforderten Verbot der Schlachtung trächtiger Tiere und einer Einschränkung der Pelztierhaltung durchgerungen hat.
Auch ist es nicht der Bundespolitik anzulasten, dass der runde Tisch zur Tierheimfinanzierung gescheitert ist. Dennoch hätte sich der Deutsche Tierschutzbund gewünscht, dass sowohl die Tierschutzvereine als auch Tierheime finanziell deutlich entlastet worden wären. Dies wäre durch eine angepasste Finanzierung, ein Verbot von gewerblichen Tierbörsen und durch deutliche Einschränkungen beim Wildtierhandel möglich gewesen. Letztendlich ist auch in der landwirtschaftlichen Tierhaltung aus den großen Worten über eine nationale Tierwohloffensive, über tiergerechte Haltung und höhere Tierschutzstandards leider kein durchgreifender Fortschritt für die Tiere entstanden.
Ute Vogt, MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD:
„Wir sind mit großen Erwartungen in die Große Koalition gestartet. Mit unserem gemeinsamen Arbeitsplan hätten wir den Tierschutz ein gutes Stück vorangebracht. Viele Vorhaben wurden durch Gesprächskreise, Grünbuchprozesse und Gutachten vonseiten des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verschleppt. Zuerst die guten Nachrichten: In greifbarer Nähe sind das Verbot des Schlachtens trächtiger Tiere und Regelungen zur Haltung und Zucht von Pelztieren. Die bestehenden letzten fünf ‚Farmen‘ haben eine Übergangsfrist von maximal fünf Jahren. Das Ende dieser Quälerei in Deutschland ist in Sicht.
Besonders schwierig bleibt die Tierhaltung in der Landwirtschaft. War es noch positiv, dass das BMEL die Kommission ‚Eine Frage der Haltung‘ eingerichtet hat, so gibt es bisher noch keine praktische Konsequenz. Die Zertifizierung für Tierhaltesysteme in der Landwirtschaft ist im Ministerium nun seit über drei (!) Jahren in Arbeit. Produkte mit staatlichem Tierwohllabel soll es frühestens 2019 (!) geben.
Das Verbot von Wildtierhandel, die strengeren Auflagen für gewerbliche Tierbörsen und die Auflagen für die Haltung exotischer Tiere wurden durch eine weitere Studie des BMEL verzögert. Zwischenergebnisse gibt es erst jetzt. Zu spät, um zu handeln.
Ich komme zu dem Schluss, dass der Tierschutz in diesem Ministerium in schlechten Händen ist. Eine bessere Sachwalterin wäre das Bundesumweltministerium! Wir nehmen also viele wichtige Aufgaben mit in die nächste Legislaturperiode: einen Tierschutzanwalt auf Bundesebene, das längst überfällige Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände und eine Novelle des deutschen Tierschutzgesetzes. Die vielen ehrenamtlichen Helfer in Tierheimen und Auffangstationen für Wildtiere benötigen eine bessere finanzielle Unterstützung. Wir brauchen eine enge Koordinierung zwischen Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene und ich plädiere für die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft.“
Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag:
„Der Tierschutz feiert Jubiläum: Vor 15 Jahren wurde er als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Seit 2002 besteht die Herausforderung darin, dieses Ziel politisch mit Leben zu füllen. Diesem Anspruch sind wir gerecht geworden und haben Haltung für Tiere gezeigt – gleich ob Heim oder Nutztiere, Versuchs- oder Wildtiere. Unsere Instrumente waren neben Gesetz und Selbstverpflichtungen der Dialog mit allen Beteiligten. Wir reden mit Tierhaltern, Wissenschaft, Verbänden, Handel, Verbrauchern, Kirchen und nicht über sie. Nur so lassen sich Lösungen erarbeiten, die von der breiten Gesellschaft getragen werden.
Unsere Bilanz lässt sich sehen: In Sachen Antibiotika sind wir entscheidend vorangekommen. Seit Jahren ist deren prophylaktische Gabe in der Nutztierhaltung verboten. Von 2011 bis 2015 ist dort die Menge an Antibiotika um 53 Prozent minimiert worden. Diese erfreuliche Tendenz setzt sich fort. Das hilft Tier und Mensch. Das Schlachten trächtiger Rinder und Schweine ist grausam und wird noch in dieser Wahlperiode verboten. Die Zucht von Pelztieren wird es nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren in Deutschland nicht mehr geben. Wir haben die Gelder für Forschung und Modellvorhaben zugunsten tiergerechterer Haltungsformen deutlich erhöht.
2015 wurde das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren gegründet. Dort wird mit Hochdruck nach Alternativen gesucht, um Tierversuche überflüssig zu machen. Mit der Exopet-Studie haben wir die Situation von Tieren in privater Haltung ins Zentrum gerückt. Diese wird uns belastbare Daten über die Haltung von (exotischen) Wildtieren liefern. Damit haben wir dann die erforderliche wissenschaftliche Grundlage für zum Beispiel das Verbot gewerblicher Tierbörsen oder im Einzelfall für das Verbot der Haltung bestimmter exotischer Tierarten in privater Hand.
Es bleiben Aufgaben. Wir fördern intensiv die Forschung nach alternativen Lösungen, um das Kürzen von Schnäbeln und Schwänzen baldmöglichst zu beenden. Dies gilt auch für das Töten männlicher Küken.“
Birgit Menz, MdB, tierschutzpolitische Sprecherin Die Linke:
„Das tierschutzpolitische Zeugnis der Großen Koalition kann nur als ungenügend bezeichnet werden, da auch tierschutzpolitische Vereinbarungen des Koalitionsvertrags kaum angegangen, geschweige denn umgesetzt wurden.
Zudem floriert noch immer das Geschäft auf gewerblichen Tierbörsen, die Tierversuchszahlen konnten nicht reduziert werden, die Tierheime platzen aus allen Nähten und stehen am finanziellen Abgrund und auch im Zirkus treten trotz Initiative des Bundesrates immer noch Tierarten wie Elefanten oder Löwen ihren fragwürdigen Dienst in der Manege an.“
Nicole Maisch, tierschutzpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen:
„Die Amtszeit von Minister Schmidt waren vier verlorene Jahre für den Tierschutz. Seien es Kükenschreddern und skandalöse Zustände in der Massentierhaltung, unfassbar hohe Versuchstierzahlen oder tierschutzwidrige Haltung von Wildtieren im Zirkus – an den massiven Tierschutzproblemen in unserem Land hat sich mit SPD und Union nichts geändert.“
Für den Deutschen Tierschutzbund haben sich die Hoffnungen, die wir mit dem von der breiten Mehrheit der Großen Koalition beschlossenen Koalitionsvertrag verbunden haben, nicht erfüllt. Sicher, einzelne Themen, die nicht im Koalitionsvertrag stehen, wurden angegangen. Aber in erster Linie wiegen natürlich die zentralen Versprechen. Da müssen wir feststellen, dass keine der versprochenen Regelungen umgesetzt wurde – weder zum Wildtierschutz und -handel noch zum Prüf- und Zulassungsverfahren, das immer noch in der Schublade liegt.
Statt verbindlicher Verbesserungen für Tiere in der Landwirtschaft gibt es Absichtserklärungen und die Erkenntnis, dass eine nationale Nutztierstrategie vonnöten wäre. Statt eines staatlich gestützten Tierschutzlabels gibt es Verwirrung unter den Gutwilligen und statt einer Stärkung von ZEBET, der Einrichtung, die bislang für die Bewertung von Ersatzmethoden für Tierversuche zuständig war, gibt es das Zentrum Bf3R, das – soweit überhaupt transparent – den Schwerpunkt auf die Verbesserung von Tierversuchsverfahren legt. So ganz nebenbei wurde dort dann noch jede bisher übliche geregelte Stakeholderbeteiligung von Tierschutz, Industrie und Behörden beseitigt.
Mit aller gebotenen Parteineutralität bleibt also festzuhalten: Der Koalitionsvertrag der amtierenden Koalition ist in der Bilanz ein Beleg für Wortbruch, an wem auch immer der Stillstand in der Tierschutzgesetzgebung im Einzelnen liegt. Unser Fazit ist daher, dass eine Große Koalition nicht geeignet scheint, große Taten im Tierschutz hervorzubringen. Und das, obwohl noch nie eine so große gesellschaftliche Mehrheit hinter dem Wunsch stand, dass Tiere endlich in ihrem Wert und eben nicht nur als Produkt wahrgenommen werden. Das gilt auch für die gewachsene Anerkennung des Ehrenamtes im Tierschutz. Es braucht also andere Mehrheiten für den Tierschutz. Wir werden die nächsten Monate dazu nutzen, transparent zu machen, welche Herausforderungen vor uns liegen und wie die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien dazu stehen. Dann liegt es an Ihnen als Wählerin und Wähler zu entscheiden, wem Sie vertrauen und wer mit wem den Tierschutz am ehesten bewegt.
Lassen Sie mich aber auch klarstellen: Wir denken nicht nur in Parteien. Wir wissen, dass es in allen demokratisch agierenden Parteien Tierfreunde gibt, die unsere Ziele und Aufgaben stützen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich nicht alle antretenden Parteien für wählbar halte. Aber wir wollen auch die Abgeordneten stärken, die als Person für unsere Sache eintreten. Dabei ist es uns egal, in welcher der im Bundestag vertretenen Parteien die Politikerin oder der Politiker aktiv ist. Wir ziehen aber auch rote Linien, unsere Wahlprüfsteine finden Sie dann im nächsten Heft.
Wer sich gegen ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände stellt, kann nicht wählbar sein für Tierfreunde. Wer sich nicht konsequent für einen Ausstieg aus Tierversuchen und für mehr Tierschutz im Stall ausspricht, wird schwer unser Vertrauen, Ihre Stimme verdienen. Und auch wer immer noch nicht erkannt hat, dass Tierheime mehr Hilfe brauchen: Die Urne entscheidet. Also denken Sie daran, am 24. September auch Ihre Stimme für die Tiere abzugeben.