Autor: Verena Jungbluth, Chefredakteurin DU UND DAS TIER
In gut erhaltener Industrie-Atmosphäre mit Kopfsteinpflaster und alten Backsteingebäuden säumten zahlreiche Stände den Innenhof der Kulturbrauerei in Berlin. Der Geruch von warmen Waffeln vermischte sich mit dem von veganen und vegetarischen Gerichten aus aller Herren Länder. Dazu gesellten sich Klänge von den Künstlern Fetsum, Astrid North, Elif, Lea und dem Berliner Kneipenchor. Gespräche zu aktuellen Tierschutzthemen standen auch auf dem Programm. Zum zweiten Mal hatten der Deutsche Tierschutzbund und der Tierschutzverein für Berlin in die Hauptstadt geladen, um dort gemeinsam ein Tierschutz-Festival zu feiern.
Mit den Worten „Tierschutz ist ein Thema, an dem niemand mehr vorbeikommt. Schaut euch um, genießt und feiert“ begrüßte Ines Krüger, erste Vorsitzende des Tierschutzvereins für Berlin, die Besucher des Tierschutz-Festivals. Die Stände lockten nicht nur mit zahlreichen Gerichten und Getränken, sondern auch mit Kleidung aus Bio-Baumwolle, Schuhen aus Lederalternativen und Schmuck. Die tierischen Familienmitglieder kamen beim Vorbeischlendern ebenfalls nicht zu kurz: So gab es selbst gemachte Schlafkissen für Hunde und Katzen, Leinen, Spielzeug und Futter. Mitarbeiter des Deutschen Tierschutzbundes klärten über die Missstände in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, in Tierversuchen und der Heimtierhaltung auf. Zudem sammelten sie Stimmen für eine Petition, die eine bundesweite Katzenschutzverordnung fordert. Der Tierschutzverein für Berlin informierte am Stand und auf der Bühne über die Arbeit im Berliner Tierheim. Xenia Katzurke, Tierärztin und Verhaltenstherapeutin, gab interessierten Haltern Erziehungstipps für deren Vierbeiner und berichtete von Schwierigkeiten, die durch die sogenannte Rasseliste entstehen.
Die Gespräche auf der Bühne drehten sich rund um die Politik in Berlin und die bevorstehende Bundestagswahl. In einer Talkrunde konfrontierte Krüger verschiedene Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses mit aktuellen Tierschutzproblemen. Ein Thema darunter war der Circus Voyage, der derzeit mit Elefanten, Giraffen und einem Flusspferd durch die Städte zieht. Zehn Bezirke Berlins haben sich inzwischen – wie viele deutsche Städte und Gemeinden – für ein Wildtierverbot im Zirkus ausgesprochen; in einigen Stadtteilen müssen Wildtiere nach wie vor Kunststücke aufführen. Dr. Stefan Taschner, Bündnis 90/Die Grünen, versprach, sich weiter für diese Tiere einzusetzen: „Solche Zirkusse soll es zukünftig in Berlin nicht mehr geben.“
Ein weiteres Thema waren die Pferde, die die Touristen in Kutschen durch die Berliner Straßen ziehen. Ein Verbot dieser Kutschfahrten steht im Koalitionsvertrag der Regierung – doch bis jetzt ist nichts passiert. „Wir prüfen gerade, wie dieses Verbot rechtlich sicher durchzusetzen ist“, erklärte Daniel Buchholz von der SPD. Zum Thema Tierversuche äußerte sich Dr. Michael Efler, Die Linke: „Mit Rot-Rot-Grün haben wir jetzt die Chance, den Tierschutz nach vorn zu bringen. Ich setze mich langfristig für die Abschaffung von Tierversuchen ein.“ Prof. Dr. Horst Spielmann, Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin, ergänzte, dass der neue Senat den Tierschutz stärken wolle, und erhob seine Stimme ebenfalls für eine Forschung ohne Tierversuche. Die Berliner Regierung ist erst seit kurzer Zeit im Amt. Die nächsten Monate werden zeigen, inwiefern die Politiker ihre Versprechen halten.
In einer weiteren Talkrunde richteten Moderator Thomas Riedel und Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ihren Blick auf die Bundestagswahl. Der Deutsche Tierschutzbund kämpft in diesem Rahmen unter anderem für eine grundlegende Neufassung des Tierschutzgesetzes und eine ausreichende finanzielle Unterstützung der Tierheime – nur einige Themen von vielen. „Wer Tierschutz rückwärts denkt, darf damit nicht mehr vorwärtskommen“, mahnte Schröder. Der Verbandspräsident appellierte an alle Wähler, im Herbst auf die Politiker zu setzen, die sich für den Tierschutz stark machen.
Die Vielfalt der Themen, Stände, Künstler und Besucher auf dem Tierschutz-Festival hat gezeigt, dass die Liebe zu Tieren verbindet. Jeder Einzelne lebt Tierschutz dabei auf seine ganz eigene Art. Tarja Schinkel aus Finnland und Eduard Repp aus Kasachstan bieten vegane russische Gerichte an. „Wir sind überzeugte Veganer und interpretieren die östliche Küche aus unserer Heimat neu“, so Schinkel.
Nico Kreuzig und Marie-Luise Lange haben in Berlin ein veganes Tattoostudio gegründet. Sie verwenden nur rein pflanzliche Farben. „Tiere liegen uns einfach am Herzen. Daher ist unser Studio nicht nur vegan; für jedes Tattoo, das wir stechen, spenden wir fünf Euro für den Tierschutz“, erzählte Kreuzig. Anika Brelovsky hat artgerechtes Futter für Nager auf den Markt gebracht. „Mich hat es als Tierhalter immer gestört, dass die industriell hergestellten Produkte so viele Füll- und Zusatzstoffe enthalten. Ich verwende nur frische und unverarbeitete Gemüsesorten und Kräuter“, so Brelovsky.
Ob Menschen im Tierheim aktiv sind, für den Tierschutz kochen, Dinge herstellen oder einfach gemeinsam mit anderen Tierfreunden feiern – Tierschutz ist bunt. Und das Tierschutz-Festival hat auch dieses Jahr wieder gezeigt, wie viel Spaß das Leben machen kann, ohne dass Tiere dafür leiden müssen.