Die Fotografin Petra Selbertinger gibt im Interview Profitipps für die Tierfotografie

„Je kleiner der Hund, desto mehr Matsch an der Hose“

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Die Fotografin Petra Selbertinger gibt im Interview Profitipps für die Tierfotografie

„Je kleiner der Hund, desto mehr Matsch an der Hose“

Mal müssen sich die Tiere von Petra Selbertingers Kundschaft erst richtig austoben, mal muss sie sie vorsichtig aus der Reserve locken. Die Fotografin, die ehrenamtlich auch Straßen- und Tierheimhunde ins rechte Licht rückt, spricht im Interview über die Einzigartigkeit jedes ihrer tierischen Fotomotive. Zudem verrät sie, wie sie bei ihnen für Aufmerksamkeit sorgt und gibt Tipps, wie auch anderen das perfekte Tierfoto gelingt.

  • Autor: Joscha Duhme, Redakteur DU UND DAS TIER

Frau Selbertinger, wie sind Sie dazu gekommen, sich unter anderem auf die Hundefotografie zu spezialisieren?

Zunächst sind Hunde meine Lieblingstiere und ich habe selbst zwei Terrier. Zudem habe ich schon immer Hunde fotografiert. Durch meine eigenen Hunde ist es jedoch viel intensiver geworden und nach und nach habe ich mehr Hundefotos übernommen und Aufträge bekommen. Auch auf dem Sonnenhof des Deutschen Tierschutzbundes habe ich aus der Ukraine stammende Hunde fotografiert, die frisch aus der Quarantäne kamen. Da war viel Geduld gefragt.

Die Fotografin Petra Selbertinger verrät, mit welchen Tricks ihr professionelle Tierfotos gelingen und wie sie sogar besonders lebhafte Hunde in Szene setzt.

Was macht die Arbeit mit Tieren so besonders?

Sie sind, egal ob Hunde oder andere Tiere, alle anders, alle einzigartig und man muss immer sehen, was sie mögen. Wie nah kann ich ran? Gehen sie gern ins Wasser? Legen sie sich nicht gern hin? Meine Terrier haben beispielsweise kein Bauchfell und legen sich daher nicht gern ins nasse Gras. Gerade wenn ich für den Tierschutz, beispielsweise in Tierheimen fotografiere, braucht es viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Dann setze ich mich hin und warte, bis die Tiere auf mich zukommen. Dabei fotografiere ich über das Display und schaue nicht durch den Sucher. So kann ich den Kontakt besser halten und ganz geduldig Kontakt aufbauen. Oft hilft es auch, sich hinzuknien, um nicht so groß und bedrohlich zu wirken. Statt sie immer zu fixieren, schaue ich auch an ihnen vorbei und spreche ganz ruhig, damit die Tiere sich entspannen. Ich setze mich dann dorthin, wo das Licht gut ist, warte und drücke ab, wenn die Tiere kommen. Oder alternativ arbeite ich mit Teleobjektiven aus der Entfernung. Diese verschiedenen Charakterzüge sorgen dafür, dass ich auch bei Haustieren immer nachdenken muss, wie mir ein gutes Bild gelingt. Dafür muss ich mir die individuell richtige Strategie zurechtlegen. Meine Hündin motiviere ich zum Beispiel eher über Leckerli, bei meinem Rüden muss ich nicht ohne Ball ankommen. Bei manchen Tieren verwende ich etwas, das quietscht, damit sie reagieren, andere werden dann eher schreckhaft. Es macht Spaß, das geduldig herauszufinden.

Und was sind die besonderen Tücken?

Das Licht ist die größte Tücke und in der Fotografie natürlich immer besonders wichtig. Daher sollte man für gute Fotos von Hunden die Tageszeit und das Wetter berücksichtigen. Bevor ich dann richtig starte, analysiere ich die Richtung, aus der das Licht aufs Fell fällt, ob der Hintergrund zum Fell passt und ob der Vorder- und Hintergrund harmonieren. Daraus ergibt sich die Perspektive, bei der es auch wichtig ist, auf Augenhöhe zu kommen. Je kleiner der Hund, desto mehr Matsch an der Hose. Früher bin ich mit Müllbeuteln auf dem Boden herumgerutscht, heute gibt es bei Profikameras auch tolle Klappdisplays, sodass man nicht durch den Sucher schauen muss. Das Bild muss aber letztlich zum Hund passen und das Tier sollte sich wohlfühlen.

Welche Tricks helfen Ihnen dabei, auch besonders agile Tiere in Szene zu setzen?

Der Trick Nummer eins ist der Geheimtipp überhaupt: die gute Erziehung des Hundes. Wenn die Tiere gern darauf hören, was die Halter*innen oder ich sagen, hilft das ungemein. Wenn ich einen besonders agilen Hund vor der Kamera habe, nutze ich das gern für Actionaufnahmen und lasse ihn sich austoben. So bekomme ich tolle dynamische Bilder. Das gilt ebenso, wenn ich eigentlich ein Porträt von ihm machen möchte. Erst soll er sich auspowern und am Ende des Spaziergangs oder des Spielens ist er dann ruhiger und setzt sich auch mal hin.

Es ist außerdem auch immer gut, eine zweite dem Tier vertraute Person dabei zu haben, die den Hund ruft oder etwas wirft, damit er auf die Kamera zu- oder daran vorbeiläuft.

Und natürlich kann sie oder er während des Shootings besser als ich auf die Umgebung achten, damit wir nicht übersehen, was drum herum passiert oder wer sich nähert. Uns ist mal ein Reh ins Shooting geplatzt. Das war ein Schockmoment. Meine Hunde sind aber cool geblieben. Wenn ich jedoch weiß, dass ein Hund anspringt und wildern würde, muss ich natürlich eine Schleppleine einsetzen.

Welche technischen Voraussetzungen sollten Tierhalter*innen erfüllen, die schöne Fotos von ihren Tieren machen wollen? Geht dies nur mit Profiequipment?

Es gibt Kameras mit Tieraugenfokus, die die Augen automatisch erkennen und auf sie scharfstellen. Die sind kostspielig, aber es gibt sie immerhin auch unter 1.000 Euro, also nicht nur im absoluten Profibereich. Diese Technik erleichtert die Arbeit total. Ansonsten empfehle ich ein Objektiv mit offener Blende für den Look eines unscharfen Hintergrundes und eine einstellbare Belichtungszeit für knackscharfe Actionaufnahmen. Zudem sollte das Gerät eine Belichtungskorrektur haben, damit helle Flächen der Umgebung nicht zu hell und dunkle nicht zu dunkel dargestellt werden. Das können gute Smartphones auch, aber oft nicht so kontrolliert und zugegebenermaßen sind diese dann auch meist teurer als 1.000 Euro. Dennoch lassen sich unterwegs mit dem günstigeren Smartphone natürlich auch Fotos machen. Viele können ja ebenfalls etwas zoomen oder haben einen Porträtfilter für den Effekt der Unschärfe im Hintergrund. Der Vorteil an Handys ist zudem, dass man mit ihnen noch etwas tiefer auf den Boden gehen kann, weil sie kleiner als Kameras sind. Das ermöglicht eine spannende Perspektive.

Wie viele Fotos wandern bei Ihnen für das optimale Bild in den digitalen Papierkorb oder anders gefragt: Wie viel Geduld braucht man gerade in der Tierfotografie?

Bei einem Actionshooting machen die Kameras bis zu 40 Bilder pro Sekunde. Gerade mit dem Augenfokus habe ich dann nur noch das Luxusproblem, mir das perfekte Bild rauszusuchen, auf dem die Ohren und Beine, das Fell, der Schwanz oder die spritzenden Wassertropfen am besten aussehen. Jedes Bild ist scharf, aber dann ist das Auswahlpotenzial groß. Dabei entstehen natürlich auch schöne Serien. Gerade bei mehreren Hunden ist das super, wenn sie aufeinander reagieren. Bei Porträts habe ich weniger Ausschuss, aber da ist die Vorarbeit wichtiger.

Ich muss mir genau überlegen, an welchem Ort ich das Bild aus welcher Position machen möchte und muss dann abwarten, bis der Hund sich genau dorthin begibt, wo ich ihn haben will.

Und auch dann ist es noch entscheidend, ob und wann er die Ohren hochzieht oder die Stirn runzelt. Wenn er perfekt sitzt, knistere oder quietsche ich zum Beispiel mit etwas oder hole ein Leckerli aus der Tasche. So schenkt mir das Tier den neugierigen Blick oder die Ohren gehen in Position. All das wird schwieriger, wenn ich für die Location eine Hundewiese wähle oder das Umfeld aus anderen Gründen sehr viele Reize bietet. Dann ist die Ablenkung für das Tier groß. Selbst zu Hause kann die Türklingel das Fotoshooting erstmal unterbrechen.

Schwarze Tiere bleiben auch darum vereinzelt länger in Tierheimen, weil manche Menschen meinen, dass sie sich schlechter fotografieren lassen als helle Tiere. Welchen Tipp haben Sie für Fotos dunkler Hunde und Katzen?

Das passiert oft, dass mich Leute deswegen anschreiben. Darum habe ich online unter „Schwarzer Hund im Schnee, oje“ ganz ausführliche Tipps aufgelistet. Grundsätzlich ist es nie verkehrt, viel Licht aufs Fell zu bekommen, damit die Struktur sichtbar wird. Bei schwarzen Hunden fällt es besonders auf, wenn zu wenig Licht vorhanden ist oder es aus der falschen Richtung kommt. Das ist auch wichtig für die Augen. Denn auch bei andersfarbigen Hunden fällt auf, dass dunkle Augen kaum zu sehen sind, wenn sie keine Lichtreflexe haben. Dann wirken sie etwas leblos. Und ein weiterer Tipp: Je nach Umfeld, beispielsweise im Schnee oder am Strand, misst die Kamera das Gesamtbild und korrigiert automatisch. Dann kann das gesamte Bild jedoch schnell zu hell oder zu dunkel werden. Das lässt sich durch eine leichte Belichtungskorrektur beheben. Wenn zum Beispiel viel Schwarz im Bild zu sehen ist, stellt die Kamera es meist zu hell dar. Dann müssen Sie bei der Bildkorrektur ins Minus gehen oder – auf dem Handy wird es meist so dargestellt – die Sonne nach unten ziehen. Ist das Umfeld bei Schnee oder Sand sehr hell, gilt dies umgekehrt.

Welche Wünsche von Hundehalter*innen können Sie nicht erfüllen, weil Sie den Eindruck haben, dass sie nicht im Sinne der Tiere sind?

Ich gebe oft Online-Workshops, auch für die Hunde- und Tierfotografie. Dabei spreche ich mit den Teilnehmer*innen erst über die Technik und Einstellungen und gebe eine praktische Hausaufgabe auf. Die Bilder der Teilnehmer besprechen wir dann in der zweiten Sitzung. Manchmal merke ich da, dass die Aufnahmesituation nicht ganz konform zu dem ist, was der Hund mag oder kann. Jedes Tier hat seine Komfortzone. Manche Hunde haben mit Blitzlicht kein Problem, andere sind schreckhaft. Ich blitze Tiere nur im Hellen mit viel Ablenkung. Der dunkle Hintergrund, der auf dem Bild meiner Hündin zu sehen ist, kommt von der Kameraeinstellung, in Wirklichkeit ist es auf dem Foto taghell. Wenn ich merke, dass das Tier etwas nicht mag, muss ich abbrechen oder etwas anderes probieren. Ein großer Trend war eine Zeit lang Holi-Pulver. Das ist buntes Pulver auf Maisbasis. Das haben viele ihren Tieren ins Fell gestreut und sie dabei springen lassen. Das mag nicht jedes Tier, ich würde niemals ein Tier in eine Situation bringen, in der es sich unwohl fühlt. Das gilt auch für Kleidungsstücke. Das ist von Tier zu Tier unterschiedlich. Mein Rüde zum Beispiel fühlt sich im Wintermantel total unwohl und zieht den Schwanz ein, meine Hündin zieht das gern an.

Wenn das Tier etwas nicht mag, sollte man es lassen. Kostüme machen Tieren ohnehin keinen Spaß. Und natürlich darf man kein Tier in Gefahr bringen.

Ich setze keine kleinen Hunde auf hohe Hindernisse und lasse sie auch nicht auf, über oder von etwas springen, wenn es sie potenziell gefährdet. Das geht nicht. Andererseits macht es aber auch total Spaß, langsam auszuprobieren, ob ein Tier Freude an etwas hat. Meine Tiere sind leidenschaftliche Stand-Up-Paddler. Daran haben sie totalen Spaß, obwohl sie sonst nicht von sich aus ins Wasser springen. Aber im Umkehrschluss mache ich natürlich kein Unterwassershooting, wenn ein Hund kein Wasser mag.

 

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Bildrechte: Artikelheader: Petra Selbertinger (Hunde am Meer); Fotos: Alexander Selbertinger (Porträt); Petra Selbertinger (Hunde)