Frau Hoffmann, mit Ihrem Sach-Kochbuch „Die kleine Hoffmann“ möchten Sie zeigen, dass die vegane Küche einfach und intuitiv sein kann. Warum tun sich manche Menschen mit dem Kochen so schwer?
Viele Menschen haben den intuitiven Umgang mit Lebensmitteln nie „richtig“ gelernt und klammern sich an Rezepten fest, als wären es Rettungsseile über einem reißenden Strom. Sie fühlen sich unsicher und haben Berührungsängste im Umgang mit Lebensmitteln, egal ob in der veganen oder nicht-veganen Küche. Dafür verantwortlich ist der Wissensverlust der letzten Generationen und eine Wirtschaft, die sich dies zu Nutze macht, um uns Fertigprodukte zu verkaufen oder mithilfe des Mindesthaltbarkeitsdatums dazu bringt, einwandfreie Lebensmittel zu entsorgen. Zum Glück ist es nie zu spät anzufangen, man muss es nur wagen – ich zeige, wie einfach das auch im Kontext mit pflanzlicher Küche ist. Mein Buch vermittelt geballtes Grundwissen, Basisrezepte, stellt Fragen, gibt Antworten und schafft Empowerment für zu Hause.
Was ist Ihr Rezept, um Menschen von der veganen, nachhaltigen Lebensweise zu überzeugen?
Mir geht es darum, Wertschätzung zu vermitteln: Nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Menschen und die Umwelt, die in der lebensmittelverarbeitenden Industrie ausgebeutet werden. Dafür müssen wir Essen und Lebensmitteln einen höheren Stellenwert im Alltag einräumen, egal ob es um die Kosten oder auch um die Zeit geht, die wir dafür aufwenden. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir für andere Dinge sehr wohl mehr Ressourcen aufbringen, jedoch oft nicht für unser Essen, deshalb verschwenden wir es auch so leichtfertig: Weil wir es uns leisten können. Dabei halte ich selbst Kochen für gelebte Selbstfürsorge: Aus frischen, gesunden Zutaten leckere Speisen zubereiten zu können, ist ein Privileg, keine Strafe. Wir müssen unser Mindset ändern.
Was bedeutet die vegane Küche und Lebensweise für Sie persönlich?
Ich lebe sowohl aus tierethischen, gesundheitlichen als auch ökologischen Gründen vegan und fühle mich seitdem gesünder, empathischer und glücklicher. Zudem habe ich die vegane Küche als Köchin und Kochbuchautorin nie als Einschränkung empfunden, sondern als endlose Inspiration, als Wunderland, in dem es schier endlos neue Dinge zu entdecken gibt.
Zero Waste beschreiben Sie ebenfalls als eines Ihrer Herzensthemen. Wie kann jeder von uns eine Küche schaffen, in der kein Verpackungsmüll anfällt?
Zero Waste (auf Deutsch: „null Müll“) ist eine Nachhaltigkeitsphilosophie, die in den letzten Jahren weltweite Bekanntheit gewonnen hat. Sie hat viele Komponenten: Abfallvermeidung, Konsumverweigerung und -kritik, Recycling, Verwertung, Reparatur, Wiederverwertung, Kreislaufwirtschaft, Minimalismus – um nur die Bekanntesten zu nennen. Es geht also keineswegs nur um die Vermeidung von Verpackungsmüll. Die Zero-Waste-Bewegung entstand als Reaktion auf Umweltverschmutzung, Klimawandel, Ressourcenverschwendung, Überkonsum, Wegwerfprodukte, Billigartikel. Immer mehr Menschen hinterfragen diese Entwicklungen, wollen sie nicht mehr hinnehmen und durch persönliche Entscheidungen und ihr Verhalten etwas verändern. Ich glaube an die Politik der kleinen Schritte und natürlich kann die Vermeidung von Verpackungsmüll dazu beitragen. Ganz konkret kann man Verkaufsstellen bevorzugen, die Lebensmittel verpackungsfrei anbieten wie Bioläden, Wochenmärkte oder der Bezug durch eine Biokiste oder Genossenschaft. Aber grundsätzlich finde ich noch viel wichtiger, schon vor dem Einkauf anzusetzen, denn wir alle konsumieren einfach viel zu viel, auch Lebensmittel. Ich verwende als Ratschlag gerne das Zitat von Modedesignerin und Klimaaktivsitin Vivienne Westwood: „Buy less, choose well, make it last!“, also frei übersetzt: Weniger einkaufen, besser auswählen, alles verbrauchen beziehungsweise haltbar machen. Das lässt sich auf Lebensmittel und alle anderen Konsumgüter anwenden.
Warum heißt Ihr Buch „Die kleine Hoffmann“ und was hat es mit diesem Titel auf sich?
Der Titel ist von einer netten Begegnung mit Fernsehkoch Johann Lafer inspiriert, bei der wir Bücher austauschten. Seines hieß „Der große Lafer“ und ich dachte damals: „Ich kenne kein einziges Werk einer Köchin, das so selbstbewusst nach ihr benannt ist und sich erlaubt, den Namen in den Mittelpunkt zu stellen und zur Marke zu machen!“ Warum eigentlich? Darüber könnte ich vermutlich ein eigenes Buch schreiben. Männer dominieren nach wie vor die kulinarische Welt und Frauen werden oft als arrogant bewertet, wenn sie selbstsicher und souverän auftreten. Da saß ich also mit diesem Buch und dachte: „Vielleicht kann ich dem etwas entgegenstellen und – wenn ich etwas älter bin – mein Lebenswerk ,Die große Hoffmann‘ nennen.“ Doch dann kam die Idee zu diesem Buch und der Geistesblitz: Es ist mein erstes kleines Standardwerk übers Kochen, das ich nach zehn Jahren in diesem Bereich mit meinen Erfahrungen, Ideen und Hilfestellungen fülle. Wieso sollte es also nicht meinen Namen tragen? Und so war „Die kleine Hoffmann“ geboren.
Welche Zutat verwenden Sie besonders gern und was sollte in keiner Küche fehlen?
Hier fällt es mir wirklich schwer, Einschränkungen zu machen – in meinem neuen Buch widme ich alleine ein Kapitel den Trockenvorräten und ein weiteres dem Thema „Würzen“, aber spontan würde ich Kräuter nennen, im Sommer frisch und im Winter getrocknet, köstliche Umami-Zutaten wie Misopaste oder Sojasoße und Essig, gerne einfachen regionalen Apfelessig. Säure wird als Würzkomponente oft unterschätzt beziehungsweise vergessen und ist oft genau das, was fehlt, um den Geschmack eines Gerichts perfekt abzurunden.
Wie sammeln Sie Inspirationen für neue Rezepte?
Das ist wohl die Frage, die ich am häufigsten gestellt bekomme und ich finde es nach wie vor schwer, darauf zu antworten. Viele Wege führen ans Ziel. Manchmal gehe ich von einer Grundzutat aus und überlege mir, was ich daraus Neues machen könnte, manchmal ist die erste Zutat ein Überschussprodukt – gerade im Zero Waste Kontext – und manchmal geht es darum, ein bereits bestehendes Rezept zu veganisieren. In meinem neuen Buch gibt es zum Beispiel ein Rezept für eine cremige Salatsuppe – dieses entstand, weil ich in meiner Biokiste eine Salatschwemme hatte und mit dem Aufessen nicht mehr hinterherkam und wusste, dass viele Menschen zu Hause welken Salat haben, mit dem sie nichts anzufangen wissen. Und so wird mit wenigen Zutaten eine lecker-leichte Sommersuppe daraus.
Sie haben auch zwei Rezepte für „Tierschutz genießen – Das Backbuch“ des Deutschen Tierschutzbundes beigesteuert. Warum ist es Ihnen wichtig, den Verband zu unterstützen?
Ich versuche immer, im Rahmen meiner Arbeit aktivistisch zu agieren und Organisationen wie den Deutschen Tierschutzbund mit meiner Stimme zu unterstützen. Ich glaube, die Notwendigkeit seines Engagements steht außer Frage angesichts der Tatsache, wie Tiere in unserer Gesellschaft immer noch behandelt werden. Seit kurzem bin ich auch Hundemama eines aus dem polnischen Tierschutz stammenden Hundekindes – für uns stand immer fest, dass wir ein Tier adoptieren wollten und ich habe Speziesismus, der zwischen Nutz- und Haustieren unterscheidet, noch nie verstanden.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht als erstes ändern, um die Situation von Tieren in der Landwirtschaft zu verbessern?
Ich glaube an positive Motivation statt an Sanktionen. Viele Landwirte sind unglücklich mit dem Status Quo und wollen ihre Betriebe verändern und zum Beispiel weg von der Tierhaltung. Hierzu gibt es eine tolle Doku eines ehemaligen Milchbauern, der jetzt Biogemüse anbaut. Diesen Menschen müssen wir zuhören, anstatt sie von vornherein zu verurteilen, und einen Umstieg erleichtern. Gleichzeitig sollte klimafreundliche bio-vegane Landwirtschaft wie die der Genossenschaft Plantage, bei der ich Genossin bin, gefördert und weiterentwickelt werden, aber das sehe ich erst unter einer grünen Regierung als realistisch, da die aktuelle Regierungspolitik von Lobbyismus und Eigeninteressen geprägt ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Bildrechte: Artikelheader: Annabell Sievert-Erlinghagen (Risotto); Foto: Annabell Sievert-Erlinghagen (Porträt)